Dienstag, 3. Juni 2014

Menschen am Meer: Der Koch, der ein Fischer wurde.

Vergangene Weihnachten bin ich von Izola nach Piran gesegelt, ein kurzer Ausflug, und dort im Hafen über Nacht geblieben. Zum Abendessen riet mir Tripadvisor, unter den etwa 50 Lokalen in Piran doch ins Pirat zu gehen, der Pirat war an erster Stelle.

Es war ein typischer zweiter Weihnachtstag: kaum Betrieb im Restaurant, ein merkwürdiges italienisches Pärchen, und ich. Und natürlich die Restaurantbesitzer:

Robin und Rok vom Restaurant Pirat, in Piran etwas abseits direkt am Hafen gelegen.
Das sind Robin und Rok, und die Brüder betreiben das Restaurant seit 18 Jahren. Auf dem Foto sieht man gleich, wer von beiden wofür zuständig ist: Rok, rechts im Bild, ist für das Lächeln des Hauses verantwortlich. Und Robin, links, ja der ist der Koch und der Stratege im Pirat. Robin lernte ich an diesem Abend kennen, als er die Küche verließ und sich vor seinen PC setzte. Wo ich ihn einfach ansprach. Robin erzählte dann seine Geschichte: dass er nach einigen Jahren Restaurantbetrieb kalkuliert hätte, statt monatlich 3.000 - 4.000 € für Fisch-Einkäufe auszugeben, doch gleich Fischer zu werden. Und den Fisch für die Küche selber zu fangen.

Robin sagt, es war unglaublich schwer. Er hatte keine Ahnung vom Fischen, fing bei Null an. Die Fischerei ist in Slowenien wie auch anderswo ein Familienhandwerk. Man wird nicht einfach so Fischer. Die ortsansässigen Fischer witterten Konkurrenz und halfen ihm keinen Deut. Er fragte. Und quengelte. Und bettelte. Bis sich ein alter Fischer erbarmte und ihm einige Grundregeln beibrachte. Wahrscheinlich hätten andere längst aufgegeben, aber Robin war jetzt in seinem Element. Er testete und optimierte seine Technik ständig, probierte verschiedene Netze auf unterschiedlichen Tiefen aus, versuchte es wieder und wieder. Und langsam wurde es was, mit dem Fisch auf den Tisch, langsam.


Robin vertiefte sich richtig in das Verhalten der Fische. Dass sie den Wind spüren und sich bei verschiedenen Winden unterschiedlich verhalten. Bei Bora, dem böigen Nordost, beißen sie schlecht. Bei Yugo, dem Wind aus Süd aber ganz gut. Doraden, sagt Robin, seien blöd. "Die Warten nur, was von oben zum Fressen runterfällt", und genauso habe ich das in den Buchten auch immer beobachtet, wenn die Ringelbrassen reglos unter dem Boot stehen und darauf warten, was da jetzt oben rauskommt. "Wolfsbarsche, der Loup de Mer, der spielt immer. Sie steigen im Wasser auf, sie steigen im Wasser runter, immer sind sie am Spielen." Ich bin verblüfft. Doraden und Wolfsbarsche sind fast überwiegend Zuchtfische, die bevorzugten Fische aller Aquakultur-Betreiber, und sie sind deshalb so verbreitet auf den Speisekarten. Wilder Wolfsbarsch ist eigentlich nicht zu kriegen, mein sündhaft teures Fischkochbuch zeigt, wie sie ihn in der Bretagne mit der Leine fangen. Aber Robin stellt ihnen in der Bucht von Portoroz mit dem Netz nach, genauso, wie es mir später die Fischer in Izola bestätigen. 


Vollständig einig sind Robin und ich, als wir über Tintenfische und vor allem Sepien reden: Robin denkt genau wie ich, dass es neben Delfinen die klügsten Meeresbewohner sind. Ich habe vor vielen Jahren in der Karibik schnorchelnd mit einer Schule von sechs, sieben handgroßen Sepien spielend kommuniziert. Sie schwammen neugierig in Formation in etwa ein Meter Abstand vor mir, und aus irgendeinem Grund habe ich begonnen, mit den Armen zu dirigieren. Die Sepien reckten mir darauf ihre Arme entgegen und folgten im Gleichtakt meinen Armbewegungen, einer neben dem anderen, und wie eine Schulklasse.

Auch Robin kennt solche Geschichten von Tintenfischen. Und bedauert, dass Sepien von seinem Küstenabschnitt fast ganz verschwunden seien. Aber weil ihn das mit dem Verhalten der Fische sehr interessiert, hat er auch nach seinem "Durchbruch" als Fischer keine Ruhe gegeben. Er hat vom Pirat aus eine Leitung ins Meer legen lassen. Und so steht heute mitten im Restaurant das größte Meerwasser-Aquarium an der Küste Sloweniens. Man sieht es im Hintergrund eines jeden Fotos. Es sind fast nur Speisefische drin, aber Robin sagt, dass die nicht zum Verzehr seien. "Bevor ich zum Fischen rausfahre, schaue ich einfach, was sie heute machen. Dann weiß ich, wie sie sich draußen verhalten und ob sich's lohnen wird."

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