Donnerstag, 28. August 2014

Menschen am Meer: Giorgos und das einfache Leben. Oder: Im Angelladen von Monemvasia.


Irgendwie geht es seit Italien mit meiner Angelei nicht recht weiter: die Makrelen von Griechenland haben beschlossen, um mein Köderangebot einen großen Bogen zu machen. Vielleicht deshalb, weil Makrelen auf griechisch "Koliós" heißen, meine Köder aber italienischer Bauart sind und lautlos "Sgombro" (das italienische Wort für Makrele) flüstern, so dass sich der "Koliós" denkt: er sei ja nicht gemeint. Vielleicht sind griechische Makrelen auch stylischer gesonnen als italienische und finden meinen blödes blinkendes italienisches Blechdings - wie alles von ALESSI - einfach nur einen Gähner. Also beschließe ich, mir professionellen Rat bei Experten zu holen, um rauszukriegen: Warum in Griechenland nix mehr beißt.

In Monemvasia treffe ich neben Michael, dem Verleiher unserer beiden etwas angejahrten Roller, im Angelladen auf Giorgos. Er stammt aus Athen, kam vor vielen Jahren hierher nach Monemvasia, um sich eine Existenz aufzubauen. Ein Cousin, offensichtlich Menschenfreund, hatte hier einen Angelladen, und als Freundschaftsdienst bot er diesen Giorgos an. Aber, wie Giorgos sagt: "In Griechenland kannst Du mit Deinem Cousin alles machen: essen, trinken, lachen - bloß keine Geschäfte!" 

Und so war Giorgos plötzlich für 80.000 € Besitzer eines Angelladens. Der nicht lief.

Giorgos: "Ich war echt froh. Raus aus Athen."

Andreas, der diese Woche mitsegelt und sein Geld als Strategieberater für Buchhändler und Verlage verdient, schaut traurig um sich. Der Blick hoffnungsleer. 

Giorgos (fröhlich und mit seinem Schicksal vollkommen versöhnt): "Den Laden verkaufe ich in den nächsten Monaten! Und dann fange ich etwas Neues an. Ich hab' schon einen Plan."

Andreas schaut noch trauriger. Ich denke an "Alexis Sorbas" und die phänomenal zusammenbrechende Seilbahn. 

Giorgos: "Der Laden wirft ja seit Jahren nichts ab. Aber ich lebe außerhalb der Stadt auf einem Stück Land. Und da bin ich zum Selbstversorger geworden. Tomaten. Gurken. Bohnen. Es wächst alles. Und man kann prima hier leben. Aber jetzt hab ich einen neuen Plan: Ich werde Trüffel anbauen. Das geht. Wachsen würde das. Man müsste nur ein bisschen in das Saatgut investieren. 

Giorgos' Augen blitzen zukunftssicher. Andreas Miene ist undurchdringlich.

Aber ich denke mir: vielleicht geht das ja alles irgendwie leichter in Griechenland. Man kommt mit wenig aus. Und lebt lustvoll sein Leben. Und macht Pläne. Ganz ohne "Big Business". 
Giorgos ist einer von vielen Griechen, die mir auf den Inseln begegnen und die so leben und denken. Und er ist dabei kein Außenseiter, "Hippie". Sondern lebt, so scheint es, die vorrangig hier existente Wirtschaftsform. Frei sein. Und draußen sein. Immer etwas Geldsorgen. Und keinem an den Haken gehen. Und kein schlechtes Leben dabei haben. 
Aber verflixt noch mal: Warum können denn das wir Deutschen nicht? Ist was an unseren Genen anders??



Womit wir wieder beim Thema "Haken" wären: Auch auf mein "Mehr-Erfolg-bei-Makrelen?" weiß Giorgos Rat. Er rät mir nämlich zu größeren Ködern!
Und weil ich da halb zweifelnd ("Mit dem Dingsda kann man kapitale Schwertfische aus dem Wasser ziehen"), halb begeistert dabei bin, denn "Angelhaken sammeln" ist im Vergleich zu "Süsswein sammeln" ein ausgesprochen preiswertes Hobby: verschwindet Giorgos in den Tiefen seines Labyrinths. Und kommt zurück mit: der Mutter aller Köder, einem neonfarbigen, wibbeligen Etwas mit gewaltigem Haken. Und schenkt ihn mir.


Poppig und klasse anzusehen ist der Köder ja. Ein echtes Schmuckstück in meiner Sammlung. Ist sicher auch schön, wenn er hinter Levje pink durchs Wasser wibbelt. Aber ich glaube: nicht mal ich falle auf diesen Köder rein. 

Wieso dann ausgerechnet die ausgebufften griechischen Makrelen?





Unter Segeln: Reden wir mal über: die Angst.


Der Mann meiner Freundin Doris sagt oft zu ihr im Scherz, dass Amerika noch nicht entdeckt wäre, hätten alle so viele Ängste wie sie. Also fragt mich Doris: hast Du eigentlich keine Ängste, allein segelnd?

Die knappe Antwort heißt: Na klar hab ich Angst. Und: Es gibt viele Dinge, die ich fürchte. 
Aber: Nie sollte man seinen Ängsten nachgeben!

Was das heißt, möchte ich mit einer Geschichte erklären: David, mit dem ich in meiner Abiturzeit die ersten abenteuerlichen Wanderungen quer durch die Toskana unternahm und der heute in Guatemala lebt, hatte schon damals eigentümliche Übernachtungsgewohnheiten. Während ich in Florenz - artig und altersgemäß - in die Jugendherberge ging, schlug David sein Einmannzelt oben über der Stadt, hinter dem Friedhof bei San Miniato auf. Auf meine Frage, ob er denn da keine Angst hätte, meinte er: Erstens wäre dieser einsame Platz sicher nicht der Ort, an dem Diebe auf Raubzug gingen. Das wäre in der Stadt weit lukrativer. Und zweitens: Wenn's vor dem Zelt unheimlich raschelt: "Aufstehen. Das Zelt verlassen. Nachsehen."

Und das ist der Kern des "Nie seinen Ängsten nachgeben". Es ist eine ziemlich schwierige und vor allem: lebenslange Übung, die David mir beigebracht hat. Versuchen Sie es mal im Haus, wenn nachts das Gewitter tobt und es am Unheimlichsten ist, das Bett zu verlassen. Gehen Sie in jeden Winkel Ihres Hauses, treten Sie vor's Haus. Sehen Sie nach. Was immer es auch sein mag, wovor Sie Angst haben. "Verlassen Sie das sichere Zelt. Sehen Sie nach."

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Am 1. Januar 2016 erschienen: Was man übers Segeln in Sizilien wissen muss:



Im Sommer 2016 umsegelte ich auf LEVJE Sizilien.
Dies ist der Reisebericht. Und die Beschreibung eines Segelsommers 
und einer Reise um eine Insel, die ihresgleichen sucht.
Mit Anhang für Segler mit "Do's & Don'ts", Häfen, Marinas, Internet.

JETZT als erschienen als PRINT oder als EBook ab € 9,99

sowie in jeder Buchhandlung oder bei AMAZON.
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Oder wenn's in der Bucht innerhalb von fünf Minuten auf 25 Knoten auffrischt: Segel setzen, mal die Nase rausstrecken. Und kucken, wie das da draußen aussieht. Meistens werden Sie feststellen: Mit Reff im Groß und kleiner Fock geht das wunderbar, wenn auch "hoch am Wind" ein nasser und ruppiger Ritt ist. Ich gebe gerne zu, "David's Übung" ist eine lebenslange. Und leicht fällt sie auch mir nicht.

Oder wer noch nie geankert hat: Versuchen Sie's mal, bei ruhigem Wetter. Suchen Sie sich guten Ankergrund - und machen Sie's gründlich. Es wird nichts wirklich schiefgehen.

Und hier meine Ängste - in der Reihenfolge der Bedeutung:

1. Krankheit und Verletzung
"Die Erfindung des Kühlschranks hat mehr Menschenleben gerettet als die ganze Pharmaindustrie in ihrer Geschichte," sagt Arne Schäffler, erfolgreicher Medizin-Buchautor. Ein guter Satz. Gerade auf älteren Yachten funktioniert der Kühlschrank aber nur so gut, wie Strom zur Verfügung steht. Eine wesentliche Verbesserung der Situation habe ich auf Levje dadurch erzielt, dass ich auf Anraten von Ivo, er sei gepriesen, eine Solarzelle installiert habe. Kostete 100 € plus 120 € für den Laderichter, alles selbst anschließen war mit der Anleitung nicht schwierig und mit aufwändigem Kabelziehen an einem Tag erledigt. Der Kühlschrank ist jetzt kühl rund um die Uhr. Aber trotzdem beäuge ich seinen Inhalt kritisch.

Als vermutliche Gefahrenquelle erwies sich in diesen Tagen auch ein nettes Restaurant auf Kimolos. Ich hatte Lust auf frischen Salat und bin rübergerudert. "Greek Salat with Kimolos Cheese." Nachts Bauchschmerzen, tags darauf Fieber, Durchfall, Schüttelfrost, Gliederschmerzen. Ich werde jetzt wieder an die alten Regeln denken: Nichts Ungekochtes. Nichts Rohes. Aus-die-Maus. Und Salat nur selber machen nach gründlichem Waschen, genauso wie Obst.

2. Technik
Hält das Schiff durch? Springt der Motor an in der Durchfahrt zwischen den Klippen? Halten die Wanten den Mast auch bei 40, 50 Knoten Wind?
Sorgen um die Haltbarkeit von Schiff und Technik stand vor Beginn an allererster Stelle. Auch hier hilft "David's Übung" weiter. Den kaputten Autopiloten konnte ich selber wieder in Gang bringen, für die Ankerwinsch brauchte ich Ersatzteile, aber auch hier ging die Reparatur letztlich problemloser als gedacht. In beiden Fällen erwies sich übrigens Youtube als hervorragende Quelle: sowohl das Zerlegen meiner LEWMAR PRO FISH 1000 wie meines RAYMARINE ST 2000+ ist dort von Seglern in ausgesprochen hilfreichen Videos sauber dokumentiert. "Aufstehen. Das sichere Zelt verlassen. Nachsehen."


3. Ganz allgemein: "Das, was viel größer ist als ich." 
Das, was nicht mehr beherrschbar ist. Damit meine ich: Wellen, kürzer, steiler und höher, als ich sie jemals gesehen habe. Wind, stärker als ich in je erlebte. Ein Unwetter, wütender als alle, die ich erlebte.
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Soeben erschienen vom Autor von Mare Piu: 
Ein Film darüber: Was Segeln ist.



                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München - Antalya, bitte. 

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4. Wind und Wetter
Als es ganz am Anfang meiner Reise morgens um acht genau wie beschrieben schlagartig mit 25 Knoten in die Bucht blies und ich zögerlich war, rauszugehen, haute mir Sven, der ein Stück mitsegelte, das Wort um die Ohren: "Willst Du warten, bis der Wind weg ist?" Wir gingen raus, und es war ein herrlicher Segeltag. Mit jedem Segeltag wächst das Vertrauen in mein Schiff. Wind und Wetter sind nicht zu ändern. Aber wie ich mein Schiff darauf einstelle, das schon.

Zuguterletzt:
"Man kann immer etwas tun."

Was ich mir einschärfe und nie vergessen möchte, ist dieser Satz. Egal, ob Sven erzählt, wie ihn auf Spargi in einer Tagesanker-Bucht 9-10 Windstärken drei Tage vor Anker festhielten. Oder Reijko, dem 100 Meter vor dem Hafen der Kühlwasserschlauch platzte und die Seewasserpumpe das Wasser ins Boot pumpte. Oder mir bei einer Bora-Fahrt über den Quarner der Krümmer plötzlich leckte. Und Wasser ins Boot lief. Oder heute plötzlich draußen, 10 Meilen vor der Küste, der Motor ausfiel. (Es war der Impeller - aber trotzdem, einhand, unter Segeln, die Wasserpumpe zerlegen und wieder zusammenschrauben:)


Ich hoffe eigentlich: Erstens, dass mir das alles nie passiert.
Und zweitens, dass mir dann etwas einfällt. Was ich tun kann.



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40 spannende Geschichten, wie es ist, im Gewitter zu Segeln:

40 Segler berichten ihre Erfahrungen.
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Mittwoch, 27. August 2014

Pic of the Day: Das Überschreiten der Grenze.

Was man aus Griechenland kommend zuerst wahrnimmt: Die riesige türkische Flagge, die über dem Hafen von Turgutreis weht.

Ganz im Nordosten der Insel Kos ist die Türkei nur noch ein paar Kilometer von Griechenland entfernt. Zumindest geografisch. Dort verläuft eine Grenze. Und sie ist eine Grenze für vielerlei. Die imaginäre Linie trennt Griechenland von der Türkei. Und Europa von Asien. Und Christentum von Islam. Und türkische Bootsbesitzer von griechischen Bootsbesitzern. Denn auf der griechischen Seite trifft man kaum Schiffe unter türkischer Flagge. Und umgekehrt ist mir in der Türkei noch keine Yacht unter griechischer Flagge begegnet. Die Grenze, die imaginäre Linie, ist gewaltig. Sie trennt unglaublich viel.

Sie trennt auch die zwei Völkerwanderungen, mit denen wir leben: Die eine, aus dem verregneten Nordeuropa in den Süden. Die andere aus dem kriegsgeschüttelten Nahen Osten, nach Europa. In Kos klariere ich aus. Stapfe vom Hafenmeister zum Zoll, vom Zoll zur Grenzpolizei, von der Grenzpolizei quer durch den Ort Kos durch ferienfrohes, pinkfarbenes Fastfood-Sandalen-Gewimmel zur Port Police. Wo auf dem Boden etwa 15 syrische Flüchtlinge liegen, alles Männer, die eben beim illegalen Grenzübertritt auf einem Boot geschnappt wurden. Die beiden Schlepper, Griechen? Türken?, werden in Handschellen an uns vorbei abgeführt, die Syrer, junge Männer, kluge Gesichter, schlafen im Stehen und Liegen, wer weiß, was die armen Kerle hinter sich haben. Und vor sich. Ihre Gesichter sind auf das Nächste konzentriert. Und auf: Schlaf.

Katerini, die mit mir auf der Port Police zwei Stunden wartet, weil sie Touristenboote jeden Tag ein- und ausklariert, sagt: Das sei jeden Tag so. Was mit den Syrern passiert, frage ich? Wahrscheinlich werden sie nach Athen verfrachtet. Und dann? 
Kos sei voller Touristen, und das sei gut so. Aber die Leute würden in ihren "all-inclusive"-Hotels bleiben, für Anderes nichts mehr ausgeben. Nur Essen und Trinken: das würde hier gut funktionieren. Es wäre schon schwierig, von ihrem Job mit 750 € Gehalt sich und die zwei schulpflichtigen Kinder hier auf Kos durchzubringen. 

Nach Turgutreis, dem Gegenüber auf der türkischen Seite, sind es trotz Meltemi, der immer gegen drei aufrischt und mich zum Kreuzen zwingt, nur ein paar Kilometer. Trotzdem ist alles anders: Die Hänge unter der türkischen Flagge sind mit Ferienhäusern zugepflastert, der Hafen strotzt vor dicken Motoyachten, und hier sind sie endlich wieder, die Range Rover Evoques und die BMW X5 und die Jaguars. Es geht gut in der Türkei, hier läufts offensichtlich, zumindest in Turgutreis. Und während mich in Griechenland noch jedermann mit "Kaptan" anredete, ich aber mein Boot eigenhändig anlegen und vertäuen mußte, werde ich hier in der Marina mit "Sir" angesprochen, und kaum, dass ich in der Box bin, kümmern sich drei Mann um das Belegen der schlammigen Mooring vorne auf Levje, vom Schlauchboot aus. Und hinten stehen wieder zwei Mann Personal, die sich um Levje's Achterleinen kümmern. Es gibt, wie gesagt, diese Grenze, da draussen ...

Und während ich in meiner Koje im Dunkel liegend noch über diese imaginäre Linie, Grenze genannt, sinniere: erinnert mich der Muezzin mit seinem allnächtlichen Ruf in der Dunkelheit daran, dass Gott groß ist. Und singt mich mit seinem eineinhalb Jahrtausende alten Gebet in den Schlaf.






... und wo bitte liegt denn um Himmels willen Turgutreis? Hier!
Und wer es ganz genau wissen will, welche Lauferei man beim Aus- und Einklarieren jeweils hat: der möge sich in obigem Link jeweils die Orte "Kos" und "Turgutreis" näher heranzoomen. Da ich mein Ipad immer mit mir herumtrage, zeichnet es selbstverstänlich auch meine Bewegungen an Land mit auf: Ein Diagramm erforderlicher Behördengänge, sozusagen.



Sonntag, 24. August 2014

Pic of the Day: Die vergessenen Inseln: Levitha.


Wer sich von Amorgos, der letzten großen Kykladeninsel, ostwärts wendet, der findet erstmal: Einsamkeit. Vor Kos ist man mit sich, den Seevögeln und den Wellen fast allein, es gibt kein Handynetz, dafür nur noch zwei fast unbewohnte Inseln: Kynaros, ein riesiger, sonnenheißer Steinklotz mitten im Meer. Und Levitha. Fast unbewohnt, denn auf Kynaros, so heißt es, lebt zeitweise ein Schäfer. Und hier auf Levitha wohnt ganzjährig eine Familie, die von Landwirtschaft und Fischfang lebt und für die Segler eine kleine, aber sehr empfehlenswerte Taverne betreibt. Sonst ist man allein. Und teilt die Ankerbucht nur mit den wenigen Fahrtenseglern, die ebenfalls unterwegs sind auf der mehr als 5.000 Jahre alten Route von Kleinasien nach Westen.

Wo bitte liegt Levitha denn eigentlich? Hier!





Freitag, 22. August 2014

Unter Segeln: In Griechenland. Ein Resümee in 8, nein: 9 Punkten.

Die große Bucht von Milos. Und direkt an der Einfahrt die einsame Ankerbucht Agiou Dimitrou.

Jetzt treibe ich mich fast auf den Tag genau seit sechs Wochen in Griechenland herum. Im Juli und August. Und zum ersten Mal in der Ägäis. Von Othonoi im äußersten Nordwesten Griechenlands bis nach Amorgos, der südöstlichsten Kykladen-Insel. Hier ein Fazit in 8, nein: 9 Punkten über dieses Revier:

1. Wind & Wetter
Nordwestgriechenland, die Ionischen Inseln:
Sind vom Wetter her ein eher "berechenbares" Revier. Viel Nordwest, ein bisschen Südost - und auf die Wetterberichte ist einigermaßen Verlass. 

Peloponnes:
Ab hier wird's spannend: Hohe Gebirge im Süden des Peloponnes sorgen für Unvorhergesehenes: Es kann schon mal passieren, dass einen 700 Meter vor dem Hafen von Kalamata nach friedlicher Ganztags-Kaffeefahrt am späteren Nachmittag plötzlich Böen mit über 30 Knoten erwischen.

Die Ägäis: 
Wenn Windfinder oder Windguru ankündigen: 22-25 Knoten, dann übersetze ich das so: 
- Durchschnittsgeschwindigkeit liegt deutlich unter 22 Knoten: etwa 15-17 Knoten. 
- Böen dagegen deutlich darüber: in den 30ern. 
Und mit dieser "Übersetzung" bin ich bisher buchstäblich gut gefahren.

2. Brauchbarste Online-Wetterdienst

Die Wettervorgänge zuverlässig bilden neben einer Vielzahl anderer Wetterdienste die folgenden ab:
sowie die sehr empfehlenswerte App METEO CONSULT MARINE aus Frankreich, im Bild oben.

Ich werde diese und einige weitere Wetterdienste in einem der nächsten Artikel ausführlich testen und vorstellen.

3. Segeln
Levje lag lange Jahre auf der Nordadria. Dort gilt: entweder kein Wind. Oder zuviel Wind. Es ist eine besondere Erfahrung hier in der Ägäis, die Segel hochzuziehen, noch bevor man morgens den Anker holt. Und am selben Tag die Segel erst fallen zu lassen, wenn am Abend der Anker Grund gefasst hat. Dazwischen ist  im Juli und August zwischen den Inseln alles möglich:
- vorherrschend im Juli und August natürlich der Meltemi. Der weht - meist ab 14, 15 Uhr aus Nordwest bis Nordost.
- der angekündigte Nordwest ist plötzlich ein kraftvoller Nordost (Ost-Peloponnes oder Nordküste Amorgos).
- der angekündigte kraftvolle Nordwest legt sich plötzlich für ein Dreiviertelstündchen Schlafen.
- angekündigte Nordwest mit 5 bft. ist hyperaktiv: in der Spitze sind's plötzlich 7 bft.

Das begeisternde Schlußwort über die Ägäis spricht zu diesem Thema meine Tankanzeige. Sie sagt: insgesamt (!) 4 (!) Liter Verbrauch auf 250 Seemeilen. Das hatte ich selten.

4. Häfen und Marinas

    Amorgos mit seinem Haupthafen Katapola.

Abgesehen davon, das ich sie wirklich nur anlaufe, wenn buchstäblich Wasser und Brot knapp werden:
- es gibt nur ganz wenige große, gut ausgebaute Marinas, wie man sie aus kroatischen, südfranzösischen oder karibischen Revieren kennt. Vor allem die Ägäis ist als Charterrevier kaum entwickelt.
- Man geht in den Hafen. Geht römisch-katholisch an die Pier.
- Liegegebühren für Levje's 31 Fuß: Oft gar nichts. Manchmal 10 € (Katakolon). Gelegentlich 20 € in einer richtigen Marina (Kalamata und Kos). Darüber seltenst. Das herrliche Katapola, oben im Bild, wo ich gerade auf Amorgos liege: 3,82 €. In Worten: DreiEurozweiundachzig. Und ein echt freundlicher Hafenmeister dazu.
Facilities: Wasser fast überall. Kostet aber extra. Strom auch fast überall. Toiletten immer in Hafennähe. Duschen nur in Marinas. Waschmaschine nie. Gelegentlich Wäschereien.

5. Verkehrsverbindungen:
Erstaunlich gut. Flugverbindungen bestehen nach Deutschland im Sommer in:
- Korfu: 15 "Mit Koffer-Gehminuten" von der großen Ankerbucht südlich Kerkyra entfernt. Und 15 Taximinuten zur Marina Gouvia.:
- Preveza/Levkas: Hierher fliegen ist etwas teuer. 10 Taximinuten von Levkada entfernt.
- Kalamata: günstig. Und deckt den gesamten Peloponnes ab. Nicht mehr als 30 Minuten Taxi nach West und Süd.
  Zur Marina Kalamata mit TAXI 15 Minuten. 15 Euro.
- Milos, Paros, Naxos: Da gibts teilweise Flieger. Fähren nach Athen von diesen Inseln mehrfach täglich. Fahrzeit nach Athen etwa 5 Stunden.
- Amorgos: Fähren nach Athen.
- Kos: Flieger nach Deutschland.

6. Internet:
Mit COSMOTE PREPAID Internet NanoSIM, 5 Gigabyte für 30 € (Stand August 2014) ausnahmslos überall, auch noch von der kleinsten Insel schnelle Internet-Verbindung. Einmal in den fünf, sechs Wochen langsame Internet-Verbindung: Am äußersten Westzipfel von Amorgos. Sonst komplette Abdeckung.

7. "Und was würde mein Leben hier so kosten?"

Zwei unnachahmliche griechische Lebensmittel, die es so nirgends gibt: 10%-PHAGE-Joghurt. Und Weintrauben mit 100% Traubenzucker.

1 Pfund Brot beim Bäcker: 0,90 Cent
1 Kilo Tomaten: 1 €
1 Kilo Weintrauben (jetzt im August in Griechenland ein Gedicht, nicht zu vergleichen mit dem unreifen grünen Mist, der uns in Deutschland aus indischem oder chilenischem Großanbau vorgesetzt wird): 1,50 €

1 Griechischer Salat im Restaurant: 5 € - 6,50 €
1 Fritto Misto im Restaurant: 7 €
1 Viertel braver Hauswein, weiß: 2 €

1 Motorroller für ein Tag: 20 €
1 Auto für ein Tag: ca. 40 €
1 Busfahrt auf Amorgos: 2 €

8. Erforderliche Bootspapiere:
- Auf neue griechische Deckungssummen geänderte Bootsversicherung (will fast jeder Hafenmeister sehen!)
- DECPA (will fast jeder Hafenmeister sehen! Und manchmal auch - wie Katakolon - ein Wesen in schneeweißer Uniform von der Hellenic Coast Guard.) 
- ADAC-Bootsschein (interessiert nicht wirklich, muß auch immer übersetzt werden: "Nein, das ist mein Nachname, nicht der Tiefgang.")

9. Leben:
"It's perfect life."





Donnerstag, 21. August 2014

Bewohner des Meeres: Die Meeresschildkröten von Monemvasia. Oder: Woher kommen eigentlich die kleinen Meeresschildkröten?


Zu meinen Lieblingsgeschichten, die ich irgendwann in einem der vielen Segelbücher las, gehört diese: Ein Weltumsegler erzählt darin, wie er einer Meeresschildkröte begegnete und sich mit ihr anfreundete. Sie kam regelmäßig, um sich füttern zu lassen: Er kochte Reis, formte daraus kleine Kügelchen und legte sie der Schildkröte mit den Fingern voraus vorsichtig ins Maul. So ging das einige Tage, bis der Segler beschloß, dass er zum Füttern der Schildkröte auch einen Suppenlöffel verwenden könne. Er füllte den Suppenlöffel mit Reis, schob ihn der Schildkröte - wie vorher seine Hand - ins Maul, und: knipps! Die Schildkröte biß einfach den Löffel ab. Wie mit einer Blechschere. 

Neben der Frage, wie leichenblass der Segler gewesen sein muß, beschäftigt mich an dieser Geschichte auch: Wozu brauchen Schildkröten eigentlich diesen Zangen-harten Schnabel? Und wovon ernähren sie sich eigentlich?

Um den Peloponnes herum bin oft diesen Tieren begegnet, es waren überwiegend große, prachtvolle Exemplare. Auf dem offenen Meer, auf dem Weg von Ithaki nach Katakolon, tauchte eine Große unmittelbar neben Levje auf, steckte den Kopf aus dem Wasser, schniefte kurz, und flösselte wieder nach unten. In der Gegend ist das kein Wunder, denn der Sandstrand an der langen Südküste Zakynths gehört zu ihren geschützten Brutgebieten. Und wo Schildkröten einmal brüten, da kehren Sie immer wieder zurück in ihrem langen, langen Leben.

Als ich Pat und Karin in Porto Kayo wiedertraf, erzählten sie mir begeistert, dass sie zusammen mit Schildkröten schnorchelten. Direkt vor der Hafeneinfahrt von Monemvasia. Noch ein Grund mehr, nach Monemvasia zu fahren. Und tatsächlich: Während wir auf der Pier stehen und beim Fahrer des kleinen Tankfahrzeugs Diesel übernehmen, taucht unter Levje ein großes Exemplar durch, Durchmesser knapp ein Meter, taucht auf der anderen Seite wieder auf und unter dem nächsten Boot durch. Majestätisch, mit ruhigen Schwimmschlägen der Vorderflossen, ruhig und weise.

Aber Pat und Karin hatten noch weit mehr Glück: ein paar Kilometer weiter, am Strand von ..., konnten sie in den letzten Meeresschildkröten auf ihren ersten Metern durchs Leben, unmittelbar nach dem Schlüpfen zusehen:



Gezeugt wurden sie auf dem Meer. Mama Schildkröte hat sie an ihrem Brutstrand im Sand verbuddelt. Die Sonne hat sie ausgebrütet: Aus Eiern, die über 29,9 Grad warm wurden entstehen die Weibchen. Was kälter bleibt: werden Männchen. Cool!


Die Winzlinge streben natürlich jetzt den Strand hinunter, zum Wasser, und machen dort die ersten Schwimmschläge.



Danke an Karin für die tollen Fotos, die sie im Rahmen einer Führung mit den Schildkröten-Schützern von Archelon vor Ort machen konnte.




Und wer jetzt wissen will, wo Schildkröten wirklich reinbeißen, um satt zu werden: hier klicken zum Video, ebenfalls gedreht von einem Taucher auf dem Peloponnes, gibt im letzten Drittel die Antwort.






Montag, 18. August 2014

Video of the Day: Winds Blowing over Paros


Den heutigen Tag habe ich vor Anker im Norden der Insel Paros verbracht. Es bläst. Und weil es jetzt seit einer halben Stunde anhaltend mit über 20 Knoten bläst: hier der erste MARE PIU-FILM. Einfach anklicken. Ist was für die laaaangen Winterabende.




Die vergessenen Inseln: Monemvasia.


Manchmal, da scheint es, als hätte höheres Wissen beschlossen, dass man einen bestimmten Ort aufsuchen muss. Der Wind dreht plötzlich auf besten Halbwind, er gewinnt an Kraft, wird stärker und stärker und treibt Schiff und Besatzung förmlich einem Ort zu.
Der Ort, um den es hier geht, heißt Monemvasia. Er liegt im Südosten des Peloponnes, und im Video oben sieht man ihn ganz rechts, sich schmiegend in den Fels vor der Küste Lakoniens wie ein schutzloses Wesen in eine hohle Hand. Von Kap Maleas an kam der Wind aus Ost-Südost, vollkommen ungewohnt nach wochenlangem Segeln im Nordwest. Am Horizont ballten sich die Regenwolken, aber der Wind schob Levje in die Bucht, genau bis vor die Hafeneinfahrt, und erst dort fielen die Segel.


Ungelogen ist Monemvasia einer der schönsten Orte auf meiner Reise. Und berühmt ist die Stadt auch: Im Mittelalter hieß sie Malvasi, und der vielgetrunkene Rotwein trägt seinen Namen nach dieser Stadt, weil dies der Ort war, von dem aus der Wein verschifft wurde.

Die Byzantiner haben den Ort gegründet, im Zuge des großen Plans im 6. Jahrhundert, das in den Stürmen der Völkerwanderungszeit verlorene Westreich wieder zurück zu erobern. Rom, Italien, der Balkan, Griechenland, die Adria, Frankreich, Spanien, Nordafrika: Verloren an Vandalen, Alanen, Ostgoten, Slawen, Germanen. Das Byzanz des sechsten Jahrhunderts gab seine Ansprüche, Nachfolgerin Roms und rechtmässige Herrin dieser Gebiete zu sein, nie auf. Und Monemvasia war der Dreh- und Angelpunkt des großen Plans. Der Peloponnes konnte zurückerobert werden, Teile Süditaliens auch, das sich auf Sandbänken in den Lagunen gründende Venedig und Ravenna blieben byzantinisches Gebiet. Nominell jedenfalls. Der lange Arm von Byzanz war einfach im siebten Jahrhundert nicht kraftvoll genug. Und er wurde schwächer, und schwächer. Bis Byzanz 1453 von dem Osmanen erobert wurde. Da war Monemvasia immer noch byzantinisch, das letzte Territorium von Byzanz.


Monemvasia wurde eigentlich als zwei Städte gegründet: Die untere, die eigentliche Stadt. Und die Zitadelle oben auf dem Felsplateau, bis heute nur durch den steilen Pfad hinter der Kirchenkuppel zu erreichen. Es heißt, die Festung sei uneinnehmbar gewesen, auch deshalb, weil in der Zitadelle auf dem Felsplateau sogar Getreide angebaut wurde. 


Trotzdem wechselte die Stadt oftmals den Besitzer, und damit auch die Bewohner: Nach den Byzantinern die Venzianer, dann die Türken, dann wieder die Venezianer, dann wieder die Türken. Das Hin- und Her endete erst, als die Stadt 1821 griechisch wurde. Und was für Deutschland die Versammlung der Frankfurter Paulskirche ist, das ist für Griechen Monemvasia: der Ort ihrer ersten Nationalversammlung 1822. Doch dann versank die Insel in Vergessenheit: 1971 lebten gerade mal 31 Bewohner in Monemvasia, und in der Zitadelle lebt seit den Zwanziger Jahren niemand mehr. Verlassen. Für immer.


Heute ist Monemvasia größtenteils renoviert. Es heißt, wohlhabende Athener haben hier ihren Sommerwohnsitz. Kleine Hotels. Aber auch darin erinnert Monemvasia an manchen Ort an der Cote D'Azur oder in der Provence, etwa an Ramatuelle mit seinen weinbewachsenen Cafes, seinen stillen Plätzen über dem Meer und den Touristen, die sich jetzt im Hochsommer dort bewegen.


Nur eines ist anders: Als die Venezianer den Ort zum letzten Mal übernahmen im Zuge ihrer Rückeroberung von Morea, das italienische Wort für den Peloponnes (Herr Tolkien hat sich hier bedient), da schufen sie an vielen Orten in Monemvasia Kirchen. So, als wollten sie den Geist der Osmanen buchstäblich ausräuchern. Eine der schönsten Kirchen ist natürlich die Hauptkirche, Hagia Sofia, die große Weisheit. Und ich, der ich immer auf der Suche bin nach stillen Räumen, werde hier fündig, in besonderer Weise: Denn in dem Kirchenraum summt die alte Küsterin, die zu jeder griechischen Kirche gehört wie das Omega zum Alpha, leise einen gregorianischen Choral. Und wer im folgenden Video ganz, ganz genau hinhört: Der kann den Choral hören:



Sonntag, 17. August 2014

Und was essen wir heute Abend?


Weil es mit meiner Angelei, die in Italien noch so erfolgreich war, in Griechenland schlagartig vorbei ist; weil sich offensichtlich die griechischen Makrelen und Bonitos abgesprochen haben, mir die Nase zu zeigen und an der reichhaltigen Auswahl meiner Köder einfach gelangweilt vorbeizuschwimmen; weil gestern in Paros der Fischmarkt schon zu hatte: darum habe ich mir aus der Tiefkühltruhe des dortigen Supermarktes fünf Scheiben tiefgefrorenen griechischen Weissfischs gekauft. Na, wer sagts denn: ich krieg Euch doch, irgendwie! Und weil für heute Nacht in der Bucht 6 bis 7 wehen werden, habe ich mir noch schnell in der Dämmerung das obige Festmenü zubereitet: Gegrillter Weißfisch auf Kartoffel-Zucchini-Bett.


Das geht ganz einfach:

1. Fisch für einen Tag in einer Mischung aus Olivenöl und 1 Knoblauchzehe im Kühlschrank einlegen.
2. 1 große Kartoffel hauchdünn schneiden.
3. Backblech mit etwas Olivenöl beträufeln. Kartoffelscheiben verteilen. Rosmarin, 1 kleine Knoblauchzehe und etwas grobes Meersalz drüber.
4. Genau 15 Minuten im Gasherd, volle Hitze, unterstes Fach, anbraten.
5. Nach 15 Minuten die dünnen Zucchinischeiben drüberbreiten, leicht grobes Meersalz zugeben, dann die eingelegten Fischscheiben drauflegen. 25 Minuten volle Hitze, unterstes Fach.

Fertig.

Eigentlich sind die Mengenangaben ja für zwei Personen. Genauso wie die Flasche griechischer Weißwein im Hintergrund. "Machte nixe." Cin Cin!






Donnerstag, 14. August 2014

Video of the Day: Das tiefe, tiefe Blau am Kap Maleas.


Der Ruf des Kap Maleas, die äußerste südöstliche Ecke des Peloponnes, "ist nicht der Beste, und gelegentlich gibt es sich alle Mühe, ihm gerecht zu werden... Es kann vorkommen, dass man zum Erstaunen aller anderen Yachten mit zwei gesteckten Reffs im Groß und einer Fock von der Größe eines Taschentuchs ausläuft, um anschließend das Kap unter Motor zu runden, weil dort völlige Windstille herrscht. Natürlich kann man auch gezwungen sein, reumütig auf den Ankerplatz zurückzukehren, nachdem man vor den schweren Böen am Kap Maleas kapitulieren mußte. Es gibt keine zuverlässige Methode, das Wetter im Sommer am Kap vorherzubestimmen."

Von Homer bis zu Rod Heikell, der in seinem Standardwerk "Griechische Küsten" dies schrieb, beschäftigen die unsteten Windverhältnisse des Mittelmeers die Autoren. Doch Kap Maleas meint es an dem Tag, an dem wir es runden, gut mit uns. Tiefes, tiefes Blau ist unter uns am Kap, und oben, mitten in den Felsen, kann man klein und weiß die Einsiedelei erkennen, am Ende des Videos genau in der Mitte des Bildschirms. Und wir vergessen nicht, den Mönchen oben zu winken, denn, wie Rod Heikell weiß: "sie sind die einzigen, die an diesem einsamen Punkt der Welt über die großen und kleinen Schiffe wachen, die hier passieren."






Mittwoch, 13. August 2014

Menschen am Meer: Katakolon. Oder: Unterwegs nach Olympia.


Was mir da an diesem Morgen auf dem Meer begegnet, ist die NORWEGIAN JADE, ein Kreuzfahrtschiff, auf dem Weg nach Olympia. Genauer gesagt: nach Katakolon, denn das ist der Hafen, den Groß und Klein ansteuern, wollen sie nach Olympia.

Auf der NORWEGIAN JADE sind an diesem Morgen die über 2.200 Passagiere gerade dabei, zu frühstücken. Sie tun das in einem der 19 Restaurants oder in einer der 15 Bars. Damit das alles reibungslos klappt und die 1.200 Kabinen immer tiptop sind, kümmern sich 1.100 Besatzungsmitglieder. Und fünf Elektrogeneratoren, jeder mit einer Leistung von knapp 20.000 PS. Eine Woche auf der NORWEGIAN JADE kostet in der Balkonkabine 999 € pro Person, all inclusive, auch der Schiffsarzt, rund um die Uhr. Die Innenkabine ist entsprechend günstiger. Für US-Amerikaner scheint es günstiger zu sein: da kommt man schon ab 519 $ (Stand Aug. 2014) aufs Schiff. Irgend jemand hat mal ausgerechnet, dass im Alter ganzjährige Kreuzfahrt günstiger sei als Altersheim in Deutschland. Ich nehme mir vor, das mal nachzurechnen.
Ach ja, rechnen: geht man von einer 90%-Auslastung der NORWEGIAN JADE aus, macht das Schiff pro Woche einen Umsatz von knapp 2 Millionen Euro. Da das Schiff ganzjährig unterwegs ist - "leere" Liegezeiten sind für Reeder die Pest, und wenn es auch nur ein Tag ist - liegt der Jahresumsatz vermutlich bei knapp 80 Millionen Euro. Da gehen dann die Kosten weg, in der Hauptsache für Diesel, Unterhalt, Verpflegung, Personal. Und die Anschaffung in Höhe von 350 Millonen Euro bei der Meyer-Werft in Papenburg. Denn dort, in Ostfriesland, wurde die NORWEGIAN JADE 2006 gebaut. Beeinflußbar sind natürlich nur Verpflegungs- und Personalkosten, der Preis für Diesel und Unterhalt, Liegegebühren ist nicht verhandelbar. 

In der NCL-Flotte ist die NORWEGIAN JADE eher ein kleineres Schiff: Die Flotte umfasst insgesamt 13 Schiffe, demnächst 15. Das macht dann einen Jahresumsatz für NCL von geschätzt zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro. NCL, die zu 50% einem Investor gehört, deren Aktien man aber auch kaufen kann, ist aber im Ranking der Kreuzfahrt-Redereien "nur" die Nummer drei, und bevor mir an diesem Morgen vor lauter Zahlen schwindlig wird: höre ich lieber zu rechnen auf.


Das ist der 500 Einwohner zählende Ort Katakolon, genauer gesagt: die Hauptstraße. Hier wird die NORWEGIAN JADE gleich anlegen, und ihre Passagiere werden in die am Hafen leer herumstehenden 50 Busse einsteigen und die 25 Kilometer nach Olympia fahren. Katakolon besteht eigentlich nur aus der Hauptstraße und zwei Parallelstraßen. Es gibt dort einen Supermarkt, drei Autoverleiher, fünf Juwelierläden, einen Bäcker, der immer zu hat, einen Buch- und Zeitschriftenladen und eine Unzahl an Restaurants, Cafes. Wer Katakolon besucht, ist auf der Durchreise. Er will nach Olympia. Und ich fürchte: der Umsatz, der in Katakolon "hängen" bleibt von den Kreuzfahrtschiffen, ist im Vergleich zu dem des Betreibers NCL nur mikroskopisch gering. Obwohl jeden zweiten, dritten Tag im Sommer ein Kreuzfahrtschiff wie die NORWEGIAN JADE an der langen Pier von Katakolon anlegt. Manchmal liegen auch zwei, drei Schiffe gleichzeitig da. Dann wird's eng, sogar in Olympia.

Nicht nach Olympia wollen fünf junge Griechen, die ich am Strand treffe. Athi, Elena, Giorgos sind mit ihrem Studium in Athen gerade fertig. Sie haben Stadtentwicklung, Lehramt und Architektur studiert, aber Aussicht auf Arbeit haben sie keine. Trotzdem sind die fünf ganz fröhlich. Sie verbringen hier in Katakolon ihre Ferien, denn hier sind sie aufgewachsen, kennen sich aus der Schule, bevor ihre Eltern nach Athen gingen. Jetzt sind sie in Katakolon, teils mit, teils ohne Eltern und verbringen den Sommer in den Häusern, in denen sie aufgewachsen sind. Es wird viel gelacht, vor allem als Athi mit großen Gesten mir zu Ehren ihre Deutschkenntnisse auspackt. Elena zeigt mir, was sie gerade liest: Hermann Hesse, in griechischer Übersetzung. Ob ich ihr denn einen wirklich guten deutschsprachigen Gegenwartsautor empfehlen könne, der ähnlich gut wie Hesse schriebe? Und den es auf griechisch gäbe? Aber da muß ich passen. Und das liegt nicht nur daran, dass auch ich auf der Durchreise bin, nach Olympia.




Wer wissen will, wo sich die knapp 300 Meter lange NORWEGIAN JADE genau in diesem Augenblick rumtreibt: hier klicken.












Dienstag, 12. August 2014

Unter Segeln: Wie verlässlich ist welcher Wetterdienst?


Mein Freund Sven sagt, er habe in 25 Jahren fast jede Schraube auf unserer Feeling 36 gelöst. Technisch könne da nur noch wenig überraschen. Die letzte Herausforderung bliebe: das Wetter. 
Und Pat, der sich seit zwölf Jahren auf seinem Katamarran in der Ägäis herumtreibt, speichert seufzend den siebten Wetterdienst auf seinem Android, weil die vorherigen sechs Wetterdienste alle nicht das Gelbe vom Ei waren. Es ist, wie Sven sagt: das Wetter bleibt für jeden Segler die große Herausforderung.

Betrachten wir den heutigen Tag unter Segeln: Sämtliche Wetterberichte verkündeten alle NW bis NNE, mit zwei bis sechs bft.. Was ich dann draußen ab Mittag auf offener See vor den Inseln Milos und Kimolos antraf, war ein NNE in Spitzen bis 35 Knoten. Der ursprüngliche Kurs zur Insel Sifnos war nicht mehr wirklich zu halten, ich beschloss, abzulaufen zur Insel Kimolos und dort eine windgeschützte Ecke zu suchen. 



Gehen wir den Dingen auf den Grund: Vier Internet-Wetterdienste im Vergleich: wie gut, wie schlecht haben sie die heutigen Verhältnisse prognostiziert?

1. www.windguru.cz
Seit Jahren meine "first choice", ausgenommen regionale Dienste wie in Italien "Kanal 68" oder in Slowenien/Kroatien die jadran-Seite aus Rijeka. Windguru sagte vorher:


Bis Mittags 6 bft. aus N, dann auf NNE drehend.

2. www.windfinder.com

Vergleichbar der Windguru-Prognose. Tatsache ist, dass beide Wetterseiten ihr Angebot und ihre Prognosen auf "windige Leidenschaften" spezialisiert haben. Sowohl Windguru als auch Windfinder richten sich überwiegend an Paraglider, Kite-Surfer, Segler, Surfer.


3. Der offizielle griechische Wetterdienst


In der Vergrößerung erkennt man am linken Bildrand den Peloponnes und rechts davon, etwa in Bildmitte - "wie ein schwimmendes Entchen" - Milos und Kimolos. Die Windvorhersage für Milos/ Kimolosist NW 2.



4. Pocketgrib
Ein neuer Wetterdienst als App, downloadbar für € 5,95, gefällt durch die gute Windanimation und geringste tägliche Downloadmengen. Die Vorhersage sah so aus, wiederum in Bildmitte "im Fadenkreuz" Milos und nordöstlich davon Kimolos:


Die Vorhersage also 15 Knoten Wind aus N.



Fazit:

1. Windguru und Windfinder hatten die Nase vorn. Klare Ansage "in Böen 6" ist zwar noch nicht richtig,  weil 35 Knoten deutlich mehr ist: aber in der Tendenz sind beide Wetterdienst richtig.

2. Der nationale griechische Wetterdienst lag diesmal sehr daneben.

3. Ebenso PocketGrib. Hier fällt auf, dass die gesamte Modellierung für die Ägäis eigentlich "zu einheitlich" ist: die größeren Windbewegungen - zum Beispiel der stärkere Meltemi in der Ostägäis - finden keine Berücksichtigung, lokale Windphänomene zwischen einzelnen Inseln ebensowenig. Aus meiner Sicht schneidet Pocketgrib klar als letzter ab.

Mein Schluß, den ich aus diesem Wetterdienst-Test ziehe, ist:
Die auf Windnutzer spezialisierten Dienste scheinen mit ihrer Spezialisierung auf Kiter, Glider, Surfer, Segler offensichtlich doch die besseren Windmodelle errechnen zu können. Auch auf dem offenen Meer. Wenn beide Prognosen für den Tag auch zu schwach waren: in der Tendenz waren sie richtig. 

Lokale Effekte und Phänomene, Kap- oder Düsen-Effekte, Winddrher vor oder zwischen zwei Inseln bleiben von fast allen Diensten unberücksichtigt. Das kann in Insel-Revieren wie Kroatien oder Ägäis erhebliche Auswirkungen haben.

Unsere Wettermodelle und Wetterdienste sind erheblich besser als alles, was den Menschen in 3.500 Jahren Seefahrt zur Verfügung stand. Obwohl das, womit wir uns heute hinauswagen, um so Vieles besser ist als die Wetterdienste selbst vor 20 Jahren: Das Wetter bleibt, was es ist: die große Herausforderung.

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Soeben erschienen vom Autor von Mare Piu: 
Ein Film darüber: Was Segeln ist.



                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München - Antalya, bitte. 

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