Was man aus Griechenland kommend zuerst wahrnimmt: Die riesige türkische Flagge, die über dem Hafen von Turgutreis weht. |
Ganz im Nordosten der Insel Kos ist die Türkei nur noch ein paar Kilometer von Griechenland entfernt. Zumindest geografisch. Dort verläuft eine Grenze. Und sie ist eine Grenze für vielerlei. Die imaginäre Linie trennt Griechenland von der Türkei. Und Europa von Asien. Und Christentum von Islam. Und türkische Bootsbesitzer von griechischen Bootsbesitzern. Denn auf der griechischen Seite trifft man kaum Schiffe unter türkischer Flagge. Und umgekehrt ist mir in der Türkei noch keine Yacht unter griechischer Flagge begegnet. Die Grenze, die imaginäre Linie, ist gewaltig. Sie trennt unglaublich viel.
Sie trennt auch die zwei Völkerwanderungen, mit denen wir leben: Die eine, aus dem verregneten Nordeuropa in den Süden. Die andere aus dem kriegsgeschüttelten Nahen Osten, nach Europa. In Kos klariere ich aus. Stapfe vom Hafenmeister zum Zoll, vom Zoll zur Grenzpolizei, von der Grenzpolizei quer durch den Ort Kos durch ferienfrohes, pinkfarbenes Fastfood-Sandalen-Gewimmel zur Port Police. Wo auf dem Boden etwa 15 syrische Flüchtlinge liegen, alles Männer, die eben beim illegalen Grenzübertritt auf einem Boot geschnappt wurden. Die beiden Schlepper, Griechen? Türken?, werden in Handschellen an uns vorbei abgeführt, die Syrer, junge Männer, kluge Gesichter, schlafen im Stehen und Liegen, wer weiß, was die armen Kerle hinter sich haben. Und vor sich. Ihre Gesichter sind auf das Nächste konzentriert. Und auf: Schlaf.
Katerini, die mit mir auf der Port Police zwei Stunden wartet, weil sie Touristenboote jeden Tag ein- und ausklariert, sagt: Das sei jeden Tag so. Was mit den Syrern passiert, frage ich? Wahrscheinlich werden sie nach Athen verfrachtet. Und dann?
Kos sei voller Touristen, und das sei gut so. Aber die Leute würden in ihren "all-inclusive"-Hotels bleiben, für Anderes nichts mehr ausgeben. Nur Essen und Trinken: das würde hier gut funktionieren. Es wäre schon schwierig, von ihrem Job mit 750 € Gehalt sich und die zwei schulpflichtigen Kinder hier auf Kos durchzubringen.
Nach Turgutreis, dem Gegenüber auf der türkischen Seite, sind es trotz Meltemi, der immer gegen drei aufrischt und mich zum Kreuzen zwingt, nur ein paar Kilometer. Trotzdem ist alles anders: Die Hänge unter der türkischen Flagge sind mit Ferienhäusern zugepflastert, der Hafen strotzt vor dicken Motoyachten, und hier sind sie endlich wieder, die Range Rover Evoques und die BMW X5 und die Jaguars. Es geht gut in der Türkei, hier läufts offensichtlich, zumindest in Turgutreis. Und während mich in Griechenland noch jedermann mit "Kaptan" anredete, ich aber mein Boot eigenhändig anlegen und vertäuen mußte, werde ich hier in der Marina mit "Sir" angesprochen, und kaum, dass ich in der Box bin, kümmern sich drei Mann um das Belegen der schlammigen Mooring vorne auf Levje, vom Schlauchboot aus. Und hinten stehen wieder zwei Mann Personal, die sich um Levje's Achterleinen kümmern. Es gibt, wie gesagt, diese Grenze, da draussen ...
Und während ich in meiner Koje im Dunkel liegend noch über diese imaginäre Linie, Grenze genannt, sinniere: erinnert mich der Muezzin mit seinem allnächtlichen Ruf in der Dunkelheit daran, dass Gott groß ist. Und singt mich mit seinem eineinhalb Jahrtausende alten Gebet in den Schlaf.
... und wo bitte liegt denn um Himmels willen Turgutreis? Hier!
Und wer es ganz genau wissen will, welche Lauferei man beim Aus- und Einklarieren jeweils hat: der möge sich in obigem Link jeweils die Orte "Kos" und "Turgutreis" näher heranzoomen. Da ich mein Ipad immer mit mir herumtrage, zeichnet es selbstverstänlich auch meine Bewegungen an Land mit auf: Ein Diagramm erforderlicher Behördengänge, sozusagen.
Ziemlich gut! Dicker.
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