Mittwoch, 13. August 2014

Menschen am Meer: Katakolon. Oder: Unterwegs nach Olympia.


Was mir da an diesem Morgen auf dem Meer begegnet, ist die NORWEGIAN JADE, ein Kreuzfahrtschiff, auf dem Weg nach Olympia. Genauer gesagt: nach Katakolon, denn das ist der Hafen, den Groß und Klein ansteuern, wollen sie nach Olympia.

Auf der NORWEGIAN JADE sind an diesem Morgen die über 2.200 Passagiere gerade dabei, zu frühstücken. Sie tun das in einem der 19 Restaurants oder in einer der 15 Bars. Damit das alles reibungslos klappt und die 1.200 Kabinen immer tiptop sind, kümmern sich 1.100 Besatzungsmitglieder. Und fünf Elektrogeneratoren, jeder mit einer Leistung von knapp 20.000 PS. Eine Woche auf der NORWEGIAN JADE kostet in der Balkonkabine 999 € pro Person, all inclusive, auch der Schiffsarzt, rund um die Uhr. Die Innenkabine ist entsprechend günstiger. Für US-Amerikaner scheint es günstiger zu sein: da kommt man schon ab 519 $ (Stand Aug. 2014) aufs Schiff. Irgend jemand hat mal ausgerechnet, dass im Alter ganzjährige Kreuzfahrt günstiger sei als Altersheim in Deutschland. Ich nehme mir vor, das mal nachzurechnen.
Ach ja, rechnen: geht man von einer 90%-Auslastung der NORWEGIAN JADE aus, macht das Schiff pro Woche einen Umsatz von knapp 2 Millionen Euro. Da das Schiff ganzjährig unterwegs ist - "leere" Liegezeiten sind für Reeder die Pest, und wenn es auch nur ein Tag ist - liegt der Jahresumsatz vermutlich bei knapp 80 Millionen Euro. Da gehen dann die Kosten weg, in der Hauptsache für Diesel, Unterhalt, Verpflegung, Personal. Und die Anschaffung in Höhe von 350 Millonen Euro bei der Meyer-Werft in Papenburg. Denn dort, in Ostfriesland, wurde die NORWEGIAN JADE 2006 gebaut. Beeinflußbar sind natürlich nur Verpflegungs- und Personalkosten, der Preis für Diesel und Unterhalt, Liegegebühren ist nicht verhandelbar. 

In der NCL-Flotte ist die NORWEGIAN JADE eher ein kleineres Schiff: Die Flotte umfasst insgesamt 13 Schiffe, demnächst 15. Das macht dann einen Jahresumsatz für NCL von geschätzt zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro. NCL, die zu 50% einem Investor gehört, deren Aktien man aber auch kaufen kann, ist aber im Ranking der Kreuzfahrt-Redereien "nur" die Nummer drei, und bevor mir an diesem Morgen vor lauter Zahlen schwindlig wird: höre ich lieber zu rechnen auf.


Das ist der 500 Einwohner zählende Ort Katakolon, genauer gesagt: die Hauptstraße. Hier wird die NORWEGIAN JADE gleich anlegen, und ihre Passagiere werden in die am Hafen leer herumstehenden 50 Busse einsteigen und die 25 Kilometer nach Olympia fahren. Katakolon besteht eigentlich nur aus der Hauptstraße und zwei Parallelstraßen. Es gibt dort einen Supermarkt, drei Autoverleiher, fünf Juwelierläden, einen Bäcker, der immer zu hat, einen Buch- und Zeitschriftenladen und eine Unzahl an Restaurants, Cafes. Wer Katakolon besucht, ist auf der Durchreise. Er will nach Olympia. Und ich fürchte: der Umsatz, der in Katakolon "hängen" bleibt von den Kreuzfahrtschiffen, ist im Vergleich zu dem des Betreibers NCL nur mikroskopisch gering. Obwohl jeden zweiten, dritten Tag im Sommer ein Kreuzfahrtschiff wie die NORWEGIAN JADE an der langen Pier von Katakolon anlegt. Manchmal liegen auch zwei, drei Schiffe gleichzeitig da. Dann wird's eng, sogar in Olympia.

Nicht nach Olympia wollen fünf junge Griechen, die ich am Strand treffe. Athi, Elena, Giorgos sind mit ihrem Studium in Athen gerade fertig. Sie haben Stadtentwicklung, Lehramt und Architektur studiert, aber Aussicht auf Arbeit haben sie keine. Trotzdem sind die fünf ganz fröhlich. Sie verbringen hier in Katakolon ihre Ferien, denn hier sind sie aufgewachsen, kennen sich aus der Schule, bevor ihre Eltern nach Athen gingen. Jetzt sind sie in Katakolon, teils mit, teils ohne Eltern und verbringen den Sommer in den Häusern, in denen sie aufgewachsen sind. Es wird viel gelacht, vor allem als Athi mit großen Gesten mir zu Ehren ihre Deutschkenntnisse auspackt. Elena zeigt mir, was sie gerade liest: Hermann Hesse, in griechischer Übersetzung. Ob ich ihr denn einen wirklich guten deutschsprachigen Gegenwartsautor empfehlen könne, der ähnlich gut wie Hesse schriebe? Und den es auf griechisch gäbe? Aber da muß ich passen. Und das liegt nicht nur daran, dass auch ich auf der Durchreise bin, nach Olympia.




Wer wissen will, wo sich die knapp 300 Meter lange NORWEGIAN JADE genau in diesem Augenblick rumtreibt: hier klicken.












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