Montag, 9. Juni 2014

Menschen am Meer: Der Fischer, der Restaurantbesitzer wurde. Oder:Giuseppe, Rosella, Jeeta und Renald

Giuseppe und Rosella auf der Terrasse ihres Restaurants
Was ist es, das die Menschen zusammenführt, besondere Begegnungen und Momente stiftet? Ein launischer Gott, der so gerne gute Momente nimmt, wie er sie gibt? Ein gnädiger Gott, der die Menschen immer wieder an die richtige Stelle führt? Unser ureigenster innerer Riecher? Kluges Abwägen oder ein sechster Sinn, der uns an den richtigen  Ort führt? Oder ist alles purer Zufall?

Aus Fano angekommen in der Marina von Ancona trieb mich irgendetwas aus eben jener Marina wieder hinaus. Irgendwie alles zu groß, zu seelenlos die Menge an leeren Plastik-Yachten, nein: das war es nicht. Ich machte mich stattdessen auf, mir einen Liegeplatz im alten Hafenbecken Ancona's zu suchen, im jahrtausende alten "Porto Commerciale", und allein die Hafenrundfahrt allein durch den Hafen von Ancona war's schon wert. 


Vorbei an den großen Griechenland-Fähren nach Igoumenitsa und Patras, vorbei an den Container-Fiederschiffen, und an den Fischern. Und da, wo der Hafen dann wirklich zu Ende war, wurde ich fündig: bei der Mole Vanvitelliana hatte sich ein Segelclub einquartiert, und nach mancherlei Rufen und Parlieren wiesen mir die Mitglieder einen Platz genau vor der Mole Vanvitelliana zu, den Kasematten aus dem 18. Jahrhundert fast im Zentrum Ancona's.

Levje vor der Mole Vanvitelliana

Was ich aber übersehen hatte und worauf mich Onofrio, der hiesige gute Geist und Marinaio mit bandagiertem Kopf, freundlich hinwies, war das Restaurant, das nur zehn Meter von meinem Bug mit Blick auf den Fischerhafen, entfernt war und Bestandteil der Mole Vanvitelliana war. "Si mangia a dio", "Man isst dort wie bei Gott!", war Onofrio's einfache Antwort auf meine einfache Frage, ob das da denn gut wäre.

Des Abends genoß ich den Blick über den Hafen, als drei Kerle am Bug meines Schiffes standen: Einer mit Ray Ban-Brille, ein Inder, ein Albaner. Und lebhaft darüber diskutierten, was Levje denn wohl für ein Schiff sei. "E una Komet", sagte die Ray Ban-Brille mit Kenner-Ton. Der Inder verneinte. Der Albaner schaute skeptisch auf Ray Ban-Brille. Und ich schüttelte ebenfalls den Kopf. "E una Dehler 31." "Nie gehört", meinte Ray-Ban-Brille, und wir stellten uns einander vor. Es waren nicht die drei von der Tankstelle, sondern vom Restaurant. Jeeta, der Inder, war der Koch. Renald, der Albaner war Kellner, und die Ray-Ban Brille gehörte Giuseppe, und ihm wiederum das Restaurant. Na ja, eigentlich gehörte das Restaurant ja seiner Frau, Rosella, nach der er sein Segelboot, eine BAVARIA ein paar Plätze weiter benannt hatte. Weil er doch Fischer gewesen sei, ja, und 55 Jahre lang meistens draußen gewesen sei, habe seine Frau Rosella eben das mit dem Restaurant begonnen. Jetzt sei er 72 und froh drum. Rosella habe immer ein Restaurant geführt, als sein Leben halt das auf dem Meer gewesen sei. Immer sei er zwei bis drei Tage draussen gewesen, immer von Ancona aus, wo er geboren sei und die meiste Zeit sei er Kapitän eines Fischkutters gewesen. 

Ob sich denn das mit der Fischerei immer noch lohnen würde, frage ich. Giuseppe grinst breit. Hier in Ancona allemal, und weist auf die gegenüberliegende Hafenseite, wo Platz für an die 70, 80 Fischkutter sei. Das größte Problem der Fischer sei der Spritpreis. Er sei zuletzt Kapitän eines 31-Meter-Schiffes gewesen, das pro Tag 2.000 Liter Diesel verbraucht hätte. Ich stutze. "Moment mal. Für Diesel habe ich neulich 1,87 € bezahlt?" Er grinst. Nein, der Sprit der Fischer wäre subventioniert, läge irgendwo bei 85 Cent pro Liter, aber 2.000 Liter müßten auch erst mal wieder erwirtschaftet werden. Und dann Mannschaft und Unterhalt von Schiff und Technik - es hätte sich aber immer gelohnt.

    Jeeta und sein Helfer vor Jeeta's Küchenfenster, genau vor Levje's Bug. Es hatte schon  
    etwas, jeden Morgen vom Koch durchs Fenster als erster zu erfahren, was es heute gäbe.

Als die ersten Gäste auftauchen, trollen sich die drei und gehen an ihre Arbeit. Aber mir, mir geht es an diesem Abend tatsächlich im Restaurant wie bei Gott. Denn Renald und Jeeta  sorgen dafür, dass meine Portionen immer etwas größer sind als die der anderen Gäste. Und noch vier, fünf "Antipasti di Mare" später, die ich in anderen Restaurants genoß, denke ich immer noch an Jeeta's Bulli zurück: In scharfer Soße gekochte Meeresschnecken, die man mit dem Zahnstocher ißt. Seine waren bislang die besten, die ich an der Küste bekommen habe.




Die Reiseroute am heutigen Pfingstmontag
und wo ich gerade bin.

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