Dies ist die Kathedrale San Nicola Pellegrino in Trani, wenige Schritte vom Fischmarkt, über den ich gestern schrieb. Sie steht direkt am Meer, und wer mit dem Boot anreist so wie ich: der sieht sie schon von Weitem, bei guter Sicht sogar schon ein paar Stunden vorher.
Die Kathedrale von Trani ist einer der Gründe für meine Reise. Ich habe sie zum ersten Mal 2006 besucht, auf dem Weg vom Südwesten Italiens nach Ancona mit dem Boot. Ich habe dieses Bauwerk nie mehr vergessen und oft an diesen Ort gedacht. Der Grund ist nicht, dass diese Kirche von Außen sonderlich gelungen wäre. Es ist normannische Romanik, begonnen wurde der Bau 20 Jahre nach der Eroberung Süditaliens durch die Normannen, die etwa um 1030 "quasi auf der Durchreise" von der Normandie nach Jerusalem Sizilien entdeckt hatten. Und dann in einem ein Jahrhundert dauernden Kleinkrieg erst ganz Sizilien, dann Kalabrien eroberten und um 1070 die Byzantiner und Sarazenen von der Adriaküste vertrieben. Das war zeitgleich mit der Eroberung Englands durch ihre normannischen Vettern.
Nein, der Grund für den Zauber dieses Orts ist das Kircheninnere. Man betritt die Kirche durch ein Untergeschoß, auf dem ersten Bild oben durch das halbrunde Gitter unter dem Haupteingang. Und gelangt dann zunächst in eigene Kirche, die Kirche Santa Maria della Scala. Von dort betritt man die Krypta. Und erst von da aus durch zwei ganz schmale Aufgänge die eigentliche Hauptkirche San Nicola Pellegrino. Und dieser Raum haut mich dann jedesmal um:
Über 100 Jahre Bauzeit. Von 1097 bis 1186. Nur ein heller, leicht rötlicher, wetterbeständiger Stein, der seit der Antike in dieser Gegend abgebaut und "Trani" genannt wird. Kaum Schmuck. Nur Doppelsäulen aus anderem, dunklerem Gestein, vermutlich aus der Römerzeit. Das war im Mittelalter so üblich, die überall herumstehenden wunderbaren römischen Säulen weiterzuverwerten. Man merkt an der Perfektion dieses Innenraums, dass die Kirche "von Innen" nach Aussen gedacht und geplant wurde. Außen eher unförmig. Innen ein perfekter Raum, wie aus einer anderen Welt. Der Lärm bleibt draussen. Drinnen nur ein Verklingen. Und Stille.
San Nicola Pellegrino besitzt wenig Schmuck. Aber das wenige lohnt die Betrachtung. Dies ist das Hauptportal, und die Geschichte, die das Steinfries erzählt ist, berichtet, wie die Menschen des frühen Hochmittelalters ihre Welt sahen. In die acht-förmigen Girlanden eingebunden sind Fabelwesen, kaum eins, das wir heute noch kennen:
Ein nackter Mensch ist dabei, in seiner Not mit der einen Hand gierig nach dem Grün greifend, und mit der anderen den Vogel packend , der ihn faßt.
Eine löwenähnliche Bestie, die einen zweifüssigen Ziegenmensch packt, der zum Schlag ausholt.
Zwei große Vögel, die um eine Schlange streiten, während sich ein Teufel von links einzumischen sucht.
Ein Pferdmensch,der eine Girlandenfrucht ergreift und gleich von dieser gepackt wird.
Es ist eine Welt, die mit sich im dauernden Kampf ist. Der eben noch frißt, wird gefressen. Der eben noch erbeutet, wird zur Beute. Es ist eine Welt voller unfassbarer Schrecken und Bedrohungen, die die Menschen des frühen Hochmittelalters um sich herum sahen. Die Welt ist voll von Dämonen wie Sturm, Epidemien, Krieg, Tod. Und voll von Dämonen in uns. Krankheiten und Abgründe. Schrecknisse überall, die sich die Menschen nicht erklären konnten und denen sie doch erlagen. Denen sie aber Bild und Gesicht und Geschichte geben konnten. Wie hier in Trani.
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