Sonntag, 30. November 2014

Der Segler im Winter: Wie der Segler über den Winter kommt.

 

"Ende November auf dem See ist nicht jedermanns Sache. Die Kälte auf dem Wasser geht durch Mark und Bein. Der Tee aus der Thermoskanne hilft nicht wirklich. Das Wasser des Sees, im Hochsommer Türkis, ist jetzt braun, fast schwarz und ganz unbewegt. Der See ist wie ein Moorsee und ein bisschen unheimlich. Trotzdem mag ich diese Jahreszeit auf dem Wasser. Das ganz Unbewegte. Die Stille. Kein Laut. Kein Lüftchen. Nur der Rauch der Laubfeuer, der am Ufer steht. YamYam ist meist das Vorletzte der 270 Boote, das aus dem Wasser kommt. Das gefällt mir. Trotz RAMSAR-Artenschutz-Abkommen. Auf dem Bild oben sieht man YamYam ganz hinten und mit gelegtem Mast. Da ist sie wirklich das letzte Boot. Der Rest: Stille und Schweigen."

Im November 2007 schrieb ich diesen Text. Auf meinem ersten Blog. Und über mein erstes eigenes Boot. Es hieß YAMYAM. Nichts hat sich seitdem geändert. Der November, in dem ich geboren bin, ist ein trüber Monat. Die Boote kommen aus dem Wasser. Die letzte Runde, die ich auf YAMYAM dick eingepackt und mit gelegtem Mast auf dem See drehte, war vorbei. Unwiderruflich. Oft hatte ich das Gefühl: Es sei vorbei mit dem Segeln. Für immer. Unvorstellbar, dass es wieder Sommer werden würde. Segeln - das würde nie, nie wieder sein.

Der Segler im Winter: das ist schon ein eigenes Kapitel. Wie kommt der Segler über den Winter? Wenn man es sich nicht leisten mag, wegzugehen? Die Zuhause allein zu lassen? Thailand, Karibik oder die Kanaren für eine klägliche Woche charternd zu bereisen?

Ich habe das immer geschafft, in dem ich mich über den Winter mental mit dem Segeln beschäftigte. Am Boot arbeiten war ja nicht. Wegen der Kälte. Aber die Gedanken um das Segeln kreisen lassen. Deshalb das Eine: Wir werden auf MARE PIÙ ein Buch machen. Zusammen mit Seglern. Über ein Thema, das wir nächste Woche bekanntgeben werden. Ein Thema, um den Segler über den Winter zu bringen. Wenn Sie mehr Informationen über unser Buchprojekt möchten: Bitte rechts oben Ihre EMail unter "News & neue Artikel... " eintragen. Und dann das nachfolgende FEEDBURNER-Sicherheits-Mail abwarten und bestätigen.

                                                                                                          Weiterlesen bei: Mare Piu macht ein Buch.
    
Das Andere: Den Winter habe ich immer geschafft mit EINEM besonders guten Buch. Ein Buch, das  über das Leben auf dem Meer schrieb. Ein Buch, das mit dem Segeln zu tun hatte. EIN Buch, das mich über den Winter gerettet hat. Buchstäblich. 

Jedes Jahr gab es davon eines. Ein einziges, das ich verschlungen habe. Und daraus ist dann meine persönliche Bestenliste geworden: BÜCHER, DIE MICH ÜBER DEN WINTER BRACHTEN. Ein höheres Lob kann ich einem Buch nicht aussprechen, als dass ein Buch war: das mich über den Winter brachte.

Das unten sind sie. Sie brachten mich über den Winter. Sie begleiten mich auf meiner Reise mit LEVJE. Sie sind immer an Bord. Die meisten kennt man. Ich werde jetzt, in loser Reihenfolge, meine Bestenliste, meine BÜCHER, DIE MICH ÜBER DEN WINTER BRACHTEN, vorstellen. Bis Weihnachten immer ein, zwei beschreiben. Und wenn das für Sie nützlich ist: dann freue ich mich, wenn Sie wie immer unten im Feld auf das "Tolle Geschichte..." ein Häkchen setzen. Dann weiß ich, dass das auch Ihnen über den Winter hilft.



Beginnen wir ganz, ganz unten: 
1993 veröffentlichte Annie Proulx ihre SCHIFFSMELDUNGEN. 1995 habe ich es zum ersten Mal gelesen, und dann immer wieder. Das Buch beginnt - schrecklicher kann ein Buch nicht beginnen - mit einer fortgesetzten Reihe persönlicher Katastrophen: Fremd sein in der Familie, in die man geboren wird. Fremd sein an dem Ort, an dem man lebt. Arbeitslos. In eine vollkommen verzweifelte Beziehung hineinrutschen, Trennung, Tod, schreckliches Sterben. Die ersten 38 Seiten handeln nur von einem lebenslangen Absturz. In Raten. Die restlichen 360 Seiten? Die Geschichte einer Heilung. An einem Ort, an dem keiner von uns wirklich gerne leben wollte. Wo immer Winter ist. Aber wo Quoyle, der Held des Romans feststellt, dass er hingehört. Wo er Wurzeln schlägt. Und beginnt, über Schiffe zu schreiben. 



Rechts oben, ERIC TABARLY - Ein Seglerleben.
Ein Bildband. Über das Leben des französischen Seglers, der wirklich ein Ausnahmesegler war. Eine chronologische Sammlung von Fotos aus seinem Leben. Seine Liebe zu seiner PEN DUICK, die er von einem Schiff auf das andere übertrug. Seine Rastlosigkeit, was Ideen, Projekte, Reisen angeht. Ein ungewöhnliches Leben bis hinein in seinen Tod in der irischen See. Und: gerne gebe ich zu, dass ich dieses Buch immer um mich habe. Es steht, es liegt immer irgendwo, wo ich das Titelbild sehen kann. Damit es mich an etwas erinnert: Es zeigt Tabarly kurz nach dem Zieleinlauf eines Einhand-Transatlantik-Rennes. Erschöpft. Abgekämpft. Aber in seinem Blick, in seinen lachenden Augen liegt alles, was die Leidenschaft fürs Segeln ausmacht. Sein Blick sagt: "Ich habe da draußen gesehen, was noch keiner sah."




Anmerkung:
Ich habe nicht geprüft, ob und wie diese Titel lieferbar sind. Sollten Sie das wünschen, werde ich in meiner Texte zur Bequemlichkeit aller Links einbauen, wo die Bücher erhältlich sind. Gerne mache ich das und bitte Sie um kurze Mitteilung an mich, wenn Sie als Leser das möchten.
For Tabarly: Special Thanks to Katja.




Mittwoch, 26. November 2014

Reden wir über: Der Segler und das Klo. Oder: Vom Nutzen und Nachteil des Fäkalientanks für das tägliche Leben.


Der zurückliegende, am 19. November unter kaum vernehmlichen medialen Echo begangene Welt-Toilettentag - jawoll, so heißt der ganz offiziell! - bietet uns Anlaß und Gelegenheit, auf diesen Seiten mal ein Streiflicht auf ein täglich drängendes Thema zu werfen: Den Segler und sein Klo. 

Betrachtet man das Verhältnis des Seglers zu seinem Klo aus historischem Blickwinkel, dann war, wie so oft, früher alles besser. Früher hing man halt einfach den Hintern über die Bordwand. Und schon war das kleine oder große Geschäft erledigt. Unter Männern geht das gut. Man sieht das sehr schön in einer kleinen Sequenz des immer wieder sehenswerten Films MASTER AND COMMANDER: Eine Teerjacke hockt im dichten Schneefall mit heruntergelassenen Hosen vorne im Bugkorb. Jawoll. So war das. 

Problematischer war es mehr als 2.000 Jahre auf Galeeren: Die angeketteten Rudersklaven konnten ja nicht einfach wie im Klassenzimmer den Finger heben und sagen: "Ich muss mal!" Das Geschäft wurde an Ort und Stelle erledigt, egal, wer drüber saß. Oder drunter. Gelebt, geschissen, gestorben wurde, wo man hockte. Schaurig. Schaurig vor allem auch für andere, wenn das Schiff tagelang im Hafen lag. Und in seiner eigenen Brühe von 300 Ruderern schwamm. Von venezianischen Galeerenkapitänen - die Venezianer hielten aus nicht nach vollziehbaren Gründen am längsten an diesem Schiffstyp fest - wird gesagt, dass sie immer mit Spazierstock unterwegs waren. Nicht weil sie lahm waren. Sondern weil im Knauf des Stocks geruchsintensiver Salmiak untergebracht war. Stank's mal wieder auf dem Schiff zum Himmel, schnüffelte der Kapitän einfach am Salmiak.

                                             Weiterlesen auf Mare Più, wie die Venezianer an den Galeeren festhielten

Auf der im Hamburger Hafen liegenden RICKMER RICKMERS ist die Sache um die Jahrhundertwende fortschrittlicher geregelt. Da gibts im Bug, gleich neben dem Kabelgatt, ein veritables Plumpsklo. Man setzt sich drauf, und eine zugige Regenrinne leitet alles nach draussen. Wie auf einer Almhütte. Das war Fortschritt. Im Film DAS BOOT wird in einer kleinen Szene der Kriegsberichter, gespielt von Herbert Grönemeyer - das waren noch Filme!! - mit den sanitären Einrichtungen des U-Boots Typ VIIC vertraut gemacht. Zwei Toiletten. Für 50 Mann Besatzung. Die eine hängt voll mit Schinken, Würsten, Salami. Was der Bootsmann im Film mit launiger Schnautze kommentiert: "Mehr zum Fressen und weniger Platz zum Scheissen - des is' aa a Logik!"

Jedenfalls blieb das mit dem "einfach nach Draußen leiten" lange Jahre letzter Schrei der Technik. Eigentlich bis in unsere Zeit. Ich erinnere mich an meinen ersten Segeltörn in der südlichen Türkei, Ende der 90er. Da lagen wir, drei Segelyachten, friedlich in der Gemiler Reede, einem wunderschönen Ort (über den ich nächste Woche aus gewichtigem Anlaß berichten werde. Bitte oben rechts registrieren, wenn Sie's nicht verpassen wollen!). 3 Segelyachten in 1 Bucht mit je 4-5 Menschen: kein Problem. Man informierte seine Mitsegler an Bord mit dem dezenten Hinweis, doch die nächsten 10 Minuten nicht ins Wasser gehen. Und das drängende Problem war gelöst. Die Ringelbrassen, die immer unter den Booten stehen und seit Jahrtausenden auf das warten, was von oben runterfällt, die wir deshalb "Kackbrassen" tauften: sie erledigten zuverlässig "den Rest". 

Die Probleme begannen, als der Wohlstand in die Bucht kam. Genauer gesagt: Die Gülets mit den ferienfrohen Urlaubern aus Marmaris, aus Fethiye, aus Kas. Kam so ein Gület mit 60, 70 Oberkörper-geölten Urlaubern in die Bucht und legte sich neben uns: dann konnte man für den Rest des Tages das Schwimmen in der Bucht vergessen. Soviele "Kackbrassen" konnte es in der Bucht gar nicht geben. Es war zuviel für sie. Es war zuviel für uns.

Die Türkei hat dann aber noch Ende der 90er erkannt, dass das Problem weniger die ferienfrohen Urlauber, sondern die eigenen Gülets waren. Und hat sich Ende der 90er die strengsten Umweltregeln zum Schutz der eigenen Gewässer verpasst, die ich kenne: 
Das Einleiten von Fäkalien in Gewässer ist streng verboten. Und wird besonders im Hafen mit sehr hohen Geldstrafen belegt.
Jeder, der dort Segelt, hat einen Fäkalientank an Bord. Wenn nicht: Geldstrafe.
Jeder, der dort Segelt, hat eine blaue MAVI-Card. Die kostet 25 Euro. Und auf dem Computerchip wird penibel kontrolliert, wann man zum letzten Mal ordentlich im Hafen abgepumpt hat. Hat man keine Blaue Card: Geldstrafe.

                                                                  Weiterlesen, was man sonst noch an Regelungen über das 
                                                                                                        Segeln in der Türkei wissen sollte.
                                                                  Weiterlesen, was man über die Regelungen in Griechenland 

Zugegeben: drastisch. Und streng. Gelegentlich drakonisch. Es hat aber den unbestreitbaren Vorteil, dass man selbst in vollen Ankerbuchten sorglos zwischen den Schiffen herumschwimmen kann. Das Wasser ist kristallklar. Man muß als Skipper seine Crew in einer vollen Bucht morgens nach dem Aufstehen nicht mehr warnen: "Es ist halb neun. Ich würd' jetzt nicht ins Wasser gehen..."


Und weil mir trotz aller Gängelei die Vorteile einleuchteten, habe ich mir auf LEVJE gleich zu Beginn meiner Zeit in der Türkei einen Fäkalientank einbauen lassen. Wie schon öfter, haben mich die Türken beeindruckt. Das da oben sind Dennis und Muhsin. Muhsin war lange, lange Jahre Techniker bei einem Vercharterer, er hat sich Anfang September als Bootstechniker mit Dennis selbständig gemacht. Als ich ihn wegen eines ersten Besichtigungstermins auf LEVJE anrief, war er sofort zur Stelle. Schaute sich LEVJE gründlich an. Sagte mir, wie er den Tank einbauen würde. Und wo.
10 Minuten später stand ein Tankbauer auf der Pier. Vermaß den von Muhsin angegebenen Platz im Schrank. Und baute mir innerhalb eines Tages einen eigens für mich angefertigten Tank aus 10mm starken Kunststoffplatten.



Der sieht aus wie ein schwarzer Tresor. Als ich etwas nörgelig auf Edelstahl bestehen wollte, warnte mich Muhsin vor undichten Nähten. Bei mir traf er damit ins Schwarze, denn ich habe zwei mal undichte Edelstahl-Tanks erlebt.


Jetzt thront der Fäkalientank im passgenau in LEVJE's Schrank. Es war innerhalb eines Tages erledigt. Es war weit günstiger als das Angebot eines deutschen Anbieters nur für das Material. Es war schrecklich zu sehen, wie Muhsin zwei Löcher durch LEVJE's Bordwand bohren musste. Eins für die Lüftung. Eins für die Absaugung.

                                            Weiterlesen: Was kostet eigentlich 5 Monate Segeln im Mittelmeer



Und wenn jetzt Welt-Toilettentag ist, der uns daran erinnern soll, dass die Trennung von Fäkalien und sauberem Wasser keineswegs überall Standard ist, dann denke ich mir dreierlei:

Wie fortschrittlich doch die Türkei ist. Mit wieviel Energie dort in nur zehn Jahren eine Infrastruktur zur effizienten Reinhaltung der Küstengewässer aufgebaut wurde.
Wie bräsig auch bei diesem Thema die EU-Länder mal wieder sind.
Wie schön es ist, morgens ohne Bedenken in jeder Bucht ins Wasser steigen zu können.

Eigentlich schon ganz gut. So ein Welt-Toilettentag.

    Levje an Ihrem aktuellen Standort: Im kleinen Hafen von Finike in der Südtürkei.

    

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Freitag, 21. November 2014

Die vergessenen Inseln: Despotiko. Oder: Der letzte Feldzug des Miltiades.

Der unwirtliche Norden des Inselchens Tsimintiri, wo sich vor etwa 2.500 Jahren ein Shakespeare'sches
Drama vollzog.
Oft auf meiner Segelreise durch die Ägäis frage ich mich: Bin ich es, der dank glücklicher Fügung Orte findet, die Geschichten erzählen? Oder sind es die Orte, die mich finden?

Denn so war es auch mit Despotiko, der vergessenen Insel. Den Tag über war ich von Kimolos herübergesegelt, ein längerer Schlag, an Sifnos vorbei. Am späten Nachmittag begann ich Ausschau zu halten nach einem Platz, um ankernd die Nacht zu verbringen. An zwei, drei Buchten segelte ich vorbei, bleib ich hier? Bleib ich da? Bis ich mich entschied, noch vor Paros in die weite Ankerbucht Ormos Despotiko einzulaufen, die jeder kennt, der durch die Gewässer um Paros und Naxos streift. Es ist ein Ankerparadies, das da zwischen dem bewohnten Antiparos im Osten und den unbewohnten Inseln Tsimintiri und Despotiko, den alten Piratenschlupfwinkeln liegt: weit, geräumig, das türkise Wasser begeisternd, vor dem Wind geschützt nach allen Himmelsrichtungen, Wassertiefe und Grund ideal zum Ankern. Ein Platz wie wenige. Ich blieb vier Tage.

    Blick von Antiparos nach Westen: Vorne links das unbewohnte Tsimintiri. Dahinter die Insel Despotiko. Und fern am Horizont Sifnos.

Meiner Gewohnheit folgend, nutzte ich den späten Nachmittag, um mit meinem Dinghi Streifzüge zu unternehmen. Zuerst nach Antiparos - da wars touristisch. Dann nach Tsimintiri (im Bild ganz oben): baumlos, strauchlos, menschenleer, und der Meltemi treibt aus Nordwesten die Brandung an die Felsen. Doch plötzlich stehe ich - wie fast immer auf den Ägäis-Inseln und vorher schon auf Milos - in antiken Tonscherben. Die ersten Spuren uralter Besiedlung. 


Am Dritten Tag dann mit dem Dinghi hinüber nach Despotiko selber. Das Dinghi an Land gezogen und vertäut und langsam Richtung Gipfel marschiert. Und plötzlich finde ich - oder es findet mich - dies:


Ein weitläufiges Areal. Grundmauern aus behauenen Quadern. Die Reste einer Tempelanlage der Antike - ein Kultplatz, vielleicht nicht so groß wie Olympia, aber beeindruckend mit den fast fugenlos aufeinandergelegten Quadern, den üppigen Grundrissen, den Säulen mitten auf dieser vergessenen, nur von einem Schäfer bewohnten Insel, dessen Hunde mich aus der Ferne anbellen, während ich allein durch die Ruinen streife.

                                                                                                                     Weiterlesen über das Heiligtum von Olympia: hier.


Kein Zweifel: dies muss in der Antike ein bedeutendes Heiligtum gewesen sein, ein Ort, den zuverlässig untereinander streitenden und kriegenden Hellenen ein Stück Gemeinsamkeit zu schaffen. Was ich fand, ist dies:


Es ist das antike Prepesinthos, ein Heiligtum, im sechsten, siebten Jahrhunderts vor Christus dem Apoll errichtet. Ein zentraler Ort, den die Menschen vor 2.600 Jahren mit einer Bitte, einem Gebet, einem Flehen oder einem Dank aufsuchten. Ein Ort, an dem sie den Göttern, einem Gott, Apoll, ein Opfer, ein Geschenk darbrachten. Manche Gold. Manche eine Figur. Andere nur einen Krug. Oder einen tönernen Weinbecher, in dessen Boden sie mit ungelenker Hand "Für Apoll" ritzten.


Aber etwas stimmt nicht mit diesem Ort. Irgendetwas ist falsch. Und das hat mit dem marmornen Abbild des "Kouros", des Jünglings, zu tun, den man im Bauschutt der weitläufigen Ruinen fand. Denn der Kouros, vielmehr die vollständige Statue, war nur wenige Jahre in Prepesinthos aufgestellt. Der Kopf wurde etwa um 560 vor Christus geschaffen, und dies unergründliche Lächeln, das der Jüngling zeigt, verschwand nur wenige Jahre später im Erdboden: die Statue wurde zerstört - keine 70 Jahre, nachdem der Künstler sie geschaffen hatte. Zerstört nicht durch Erdbeben oder eine Naturkatastrophe. Sondern durch militärische Gewalt, durch absichtsvolle Zerstörung. Um danach in Trümmern als Baumaterial Verwendung zu finden.

Man ging zunächst von lokalen Unruhen aus. Dann von den Perserkriegen, in denen Naxos und Paros als wichtiger Trittstein für die Perser auf dem Weg nach Athen eine große Rolle spielten. 

Aber die jüngste Spur ist weit spannender. Sie führt nach Athen. Und mitten hinein in das größte Ereignis der griechischen Antike: Den Einmarsch der Perser mit ihren gewaltigen Heeren nach Griechenland. Und den Sieg der Athener über diesen Feind. Die Spur führt von der vergessenen Insel Despotiko zu Miltiades, dem Strategen, der die athenischen Truppen in der Schlacht von Marathon zum Sieg führte. Miltiades, der als größter Feldherr seiner Zeit galt. Der ein Jahr nach seiner erfolgreichen Kampagne von seiner Heimatstadt Athen beauftragt wurde, die Insel Paros zu unterwerfen. Aber die Bewohner von Paros und der umliegenden Inseln ließen sich nicht unterkriegen. Leisteten erfolgreich Widerstand, und es war vermutlich während dieses Kriegszuges, dass das nur wenige Meilen vor Paros liegende Apollon-Heiligtum von Griechen zerstört wurde. Und das Lächeln des Kouros für 2.500 Jahre im Erdboden verschwand.

Miltiades verletzte sich auf diesem Feldzug bei der Belagerung der Stadt Paros, keine fünf Seemeilen nördlich von Despotiko. Am Bein. Glaubt man Herodot, hatte eine Priesterin ihn verleitet, über den Zaun eines in der Nähe liegenden Tempels (!) zu klettern:

"Er ging hinein in das Tempelhaus, um dort irgend etwas zu tun, ich weiß nicht, ob er von den unberührbaren Dingen dort eines mit fortnehmen oder sonst etwas tun wollte. Aber schon an der Türe überlief ihn ein Schauder, er eilte zurück und verrenkte sich beim Herabspringen von der Mauer den Schenkel. Andere sagen, es sei eine Verletzung des Knies gewesen.

Da kehrte denn Miltiades krank mit der Flotte nach Athen zurück..." 

Und wurde dort wegen seines Fehlschlags angeklagt. Man war gnadenlos: Auf einer Krankenbahre hatte sich Miltiades vor Gericht für seine misslungene Expedition zu rechtfertigen. Aber lassen wir die Geschichte meinen guten Herodot zu Ende erzählen, fast ein Zeitgenosse des Miltiades, der mich auf LEVJE mit seinen Geschichten immer begleitet:

"Miltiades konnte nicht auftreten, um sich zu verteidigen, weil der Brand seinen Schenkel verzehrte und ihn an das Lager fesselte. Seine Freunde verteidigten ihn. Sie sprachen ausführlich von der Schlacht bei Marathon und von der Eroberung der Insel Lemnos, die er den Athenern gewonnen und den Pelasgern genommen hatte. Das Volk erließ ihm die Todesstrafe, erkannte ihn aber doch für schuldig und legte ihm eine Strafe von 50 Talenten auf. Darauf starb Miltiades; der Brand hatte seinen Schenkel zerstört. Die fünfzig Talente zahlte sein Sohn Kimon." 
                                                                                                                    Herodot, Historien VI 136

    Mit PEANUT, meinem Dinghi, auf dem Weg zurück von Tsimintiri.


Als ich zurück zu LEVJE rudere, bin ich nachdenklich über diese Geschichte, die sich nur wenige Seemeilen von hier vor 2.500 Jahren abspielte. Die Gier eines erfolgreichen Mannes. Und sein elendes Sterben.

Zum ersten Mal liegt Nebel draußen über dem Meer. Eine erste Ahnung von Herbst ist da, selbst hier in der Ägäis. Wo die vergessenen Inseln dem, der zuhören mag, gute Geschichten leise ins Ohr flüstern.








Sonntag, 16. November 2014

Unter Segeln: Ein Schiff, um 5 Monate unterwegs zu sein. Oder: Die Liebe des Seglers zu seinem Schiff.

LEVJE auf Errikoussa. Die beiden nordwestlichsten griechischen Inseln Othonoi und Errikoussa sind zwei der vergessenen Inseln, über die ich schrieb.

Oft, wenn ich von einem Spaziergang oder einer Besorgung in den Hafen zurückkehre, freue ich mich: "Ich komme zurück zu meinem Schiff!"
Natürlich sehe ich mir im Vorübergehen auch die anderen Schiffe an. Bleibe kurz stehen. Denke darüber nach, wie gut sie sich segeln lassen. Ob es leicht ist, Segel zu setzen. Oder zu reffen. Oder wie gut diese oder jene Yacht wohl im Hafenmanöver sein mag. Oder in der Welle. Wie es unter Deck aussieht. Wie es sich leben ließe, auf diesem oder jenem Schiff. Ob es im Winter gemütlich ist. 

Aber wenn ich die Pier entlang gehe: dann ist es oft so, dass ich nur Augen habe für mein Schiff: für LEVJE. Und ich gebe es gerne zu: immer noch macht mein Herz einen Hüpfer, wenn sie dann plötzlich vor mir liegt an der Pier: LEVJE. Mein Schiff.


Ich freue mich, weil ich sie immer noch schön finde, wenn sie vor mir im Hafen liegt, meine LEVJE. Klar gibt es viele Boote, die mich entzücken. Der ranke Schärenkreutzer. Sein kleiner Bruder, der Drachen. Das Folkeboot, das mir immer wieder ob der Schönheit seiner Zeichnung ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Selbst hier in der Türkei sieht man gelegentlich eine Marieholm. Der 806er, wiewohl eine reine GFK-Konstruktion der 70er, 80er Jahre, ist von klassischer, zeitloser Schönheit. Und ihm in vielem ähnlich finde ich auch die Linien von LEVJE, meiner DEHLER 31.

Bereits der allererste Beitrag hier auf MARE PIÙ war LEVJE gewidmet: Noch vor meiner Abreise schrieb ich über den legendären Crashtest, den die Zeitschrift YACHT 1988 ...

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Soeben erschienen vom Autor von Mare Piu: 
Ein Film darüber: Was Segeln ist.



                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München - Antalya, bitte. 

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... stellvertretend für viele andere GFK-Yachten veranstaltete. Das Video zu diesem Crashtest jagt mir auch 27 Jahre später Schauder über den Rücken, wie eine Yacht, "meine" Yacht, eine DEHLER 31 unter Vollzeug auf eine Steinmole gejagt wird. Und das klaglos aushält. Drei Mal. Doch reden wir lieber von Anderem.

                                                                           Weiterlesen und Video kucken mit dem YACHT-DEHLER 31-Crashtest? Hier.


Als ich LEVJE im März 2009 erwarb, bewegten mich verschiedene Dinge. 10 Jahre war ich in einer Eignergemeinschaft gewesen, es war eine gute Zeit mit unserer FEELING 36, der JUANITA. Aber ich suchte nach einem Schiff, das ich einhand gut beherrschen konnte. Großsegel aus dem Cockpit heraus setzen. Und reffen. Rollfock. Hafenmanöver ohne größere Crew und einhand fahren - unsere FEELING mochte zum Anlegen gern eher fünf als nur zwei Hände. 
Ich suchte nach einem Schiff, groß genug, um längere Zeit zu zweit darauf zu verbringen. Aber handlich genug, um auch allein darauf unterwegs zu sein. Und entschied, nach einer Schiffslänge zwischen 30 und 33 Fuß, also knapp unter 10 Metern zu suchen. Und schnell sollte sie sein. Kein Racer. Aber auch bei wenig Wind gleich anspringen. Und gut laufen.


Und in all diesen Punkten hat LEVJE mich nie enttäuscht: Sie braucht wenig Wind. Vorlich manchmal nur 8 Knoten, um bei ruhiger See mit 5 Knoten zu spurten. Ihr Faltpropeller, den Willi Dehler allen DEHLER 31 in den 80er Jahren serienmäßig (!) verpasste, schenkt ihr unter Segeln mindestens einen halben Knoten mehr. Es sind wunderschöne Abendsegelstunden, bei leichtem Wind und glatter See einfach nur in die untergehende Sonne zu segeln. 

Nur bei viel Welle von vorn, da wünsche ich mir manchmal deutlich mehr Gewicht. LEVJE verhält sich in der Welle eher wie irisches Curagh, ein mit Tierhaut bespanntes, federleichtes Holzgerüst, das uralte Boot der irischen Fischer, das immer wie ein Korken oben auf der Welle schwimmt. Ja, etwas mehr Gewicht, bei Wind und Welle. Aber das ist nun wirklich ein Widerspruch zum schnellen "Anspringen". Man kann nicht alles haben. So sehr auch ich als Segler immer die "eierlegende Woll-Milch-Sau" zu finden hoffe.


Aber das Wichtigste, für einen langen Törn, für jedes Boot, das man kauft ist: Vertrauen. Man muss Vertrauen haben zu seinem Boot. "Mein Boot und ich: wir vertrauen uns", schreibt Gudrun Calligaro, Einhand-Weltumseglerin auf einer 28er. Und damit ist alles gesagt. Man muss sich sicher fühlen, auf seinem Boot. Bei wenig Wind, bei viel Wind. Bei hoher Welle. Man soll nicht dauernd darüber nachdenken müssen "Was-mach-ich-bloß-wenn-in-der-Einfahrt-der-Motor-wieder-nicht-anspringt?" Oder der Motor mitten im Hafenmanöver den Geist aufgibt? Sowas kommt vor. Aber es darf nicht die Grundeinstellung zum Schiff prägen.


Unter Deck ist LEVJE geräumig, sie bietet, wonach ich suche: Viel Platz für mich in meiner Achterkoje, viel Platz für einen Mitreisenden in der Bugkoje. Und Gerhard, der mit seiner DEHLER 31 gerade um die Welt segelt, schläft nur in der Bugkoje. Und hat sich die Achterkoje als Werkstatt und Lager ausgebaut. Gelegentlich nisten sich da, wo er und ich unser Werkzeugschapp haben, auch Seeschlangen ein, wie er auf seinem Blog beschrieb.


Ich mag die langen Salonbänke, auf denen ich bei einem Nachtschlag, oder ein Mittags-Nickerchen gut ruhen kann. Und seit ich die Petroleum-Lampe am Mastfuß repariert habe, ist LEVJE abends, in der früh einsetzenden Dunkelheit in der Türkei, einfach noch gemütlicher.


LEVJE's Raumaufteilung, vor allem, was die Kücheneinteilung angeht, ist zeitlos. Sie ist heute der gängige Grundriß vieler aktueller Typen zwischen 30 und 37 Fuß. Sie begegenet mir immer wieder, wenn ich mir auf Messen neue Schiffe ansehe. Ich koche gerne, und deshalb freuen mich auf LEVJE immer noch Details, nach denen ich auf vielen neu designten Fahrtenyacht vergebens suche. Zwei gleich große Waschbecken. Einen dreiflammigen Herd (selbst wenn ich die drei Flammen selten gleichzeitig brauche). Ein Backrohr, um meinen Fisch zu Grillen. Schapps mit Schiebern, dank denen es (ich gestehe: ich bin kein ordentlicher Mensch!) schnell aufgeräumt und ordentlich aussieht. Und wer ein kleines Schiff hat, der weiß, wovon ich rede: Ordnung halten auf einem kleinen Schiff ist noch schwieriger als in einer kleinen Wohnung.


Es gibt auch gemütliche Ecken. Überm Kartentisch mein kleiner Altar. Meine Sammlung Bleistifte, ich liebe sie. Mindestens eine gute Schere. Es gibt soviel schlechte Scheren in der Welt, über die man sich ärgern muß. Die Schieblehre, um schnell mal eine Schraube auszumessen. Der "Glückszettel von Nonna Sistina von den Tremiti", über den ich schrieb. Das Bild meines Vaters. Das Nebelhorn, das ich im Hafen benutze, wenn an der Einfahrt zwar "Call 68" steht, aber ma wieder keiner hört.

                                                                                       Weiterlesen, was auf dem Glückszettel der Nonna Sistina steht? Hier.

Nein, die Liebe des Seglers zu seinem Boot ist vielschichtig. Sie ist nicht leicht zu erklären. Sie hat viele Ursachen. Freude über Schönheit. Das Wissen um viele, viele unglaublich schöne Stunden. Vertrauen. Eine tiefe Dankbarkeit, wie zuverlässig mich mein Schiff fast 3.000 Kilometer durch die Wellen trug. Und mir dabei vieles schenkte, was für Geld nicht zu erwerben ist.






Weiterlesen über: Der große Traum vom neuen Boot. Oder: Was bei einem neuen Boot wirklich wichtig ist: Hier.
Weiterlesen über die beiden nordwestlichsten griechischen Inseln Othonoi und Erikoussa: Hier.


Mittwoch, 12. November 2014

5 Monate Segeln: Was hat mir das gebracht? 7 Erfahrungen, die sichlohnen.



Vor kurzem fragte mich ein Mitarbeiter meines einstigen Verlagsteam: "Und? Würden Sie es wieder machen? Noch mal fünf Monate Segeln gehen?" Ich mußte kein Sekundenbruchteil überlegen. Na klar. Sofort wieder. Jetzt gleich. 
Aber was ist es, was von so einer Reise bleibt? 
Lernt man etwas? 
Wird man ein anderer? 
Habe ich mich verändert? 
Nach meinem Artikel "Was kosten eigentlich 5 Monate Segeln im Mittelmeer?" hier eine Antwort auf die Frage: Was bringen 5 Monate Segeln?

                                                   Weiterlesen bei: "Was kosten 5 Monate Segeln im Mittelmeer?": Hier.





Learning 1: 
Was ist eigentlich wirklich wichtig im Leben?

Über LEVJE's Kartentisch.

Schöner, als es die folgende Geschichte erzählt, kann ich es nicht wiedergeben: Der Autor, ein amerikanischer Backpacker, Mitte der 90er auf Trekking-Tour irgendwo in Kenia. In irgendeinem abgelegenen Dorf begrüßt ihn ein alter Massai. Hoch gewachsen. Stolz. Auf seinen Speer gestützt. Wie ein Reiher auf einem Bein stehend. Während des Abendessens führen die Tourengeher dem Massai stolz ihren nagelneuen Rucksack vor. Große Staufächer. Extrataschen für dies. Extrataschen für das. Kleine Tupper für jenes. Reißverschlüsse. Schnallen. Schnappschlösser. Klettverschlüsse. 
Nachdem der Massai den Rucksack und seinen ausgebreiteten Inhalt einige Minuten wortlos betrachtet, wendet er sich an den Autor mit der Frage:

"Sag: Macht all dies Dich glücklich?"

Geschichten wie diese hat jeder gehört. Und kennt jeder. Aber meine große Erfahrung meiner fünfmonatigen Segelreise ist: 

Der Erzähler dieser Geschichte hat Recht. Einfach nur Recht. 100% Recht. 


Eingespannt in mein früheres Leben: Vor allem meinen Beruf, das Gelärme dessen, was "wichtig" zu sein scheint, und auch meine Partnerin, Kinder, ist es schwer, sehr schwer, zu hören, was ich wirklich brauche. Denn der lautlose Lärm dieses, meines Alltags ist überwältigend. Für mich. Für die meisten von uns.

Tatsächlich ist es verdammt wenig, was ich "wirklich" wirklich brauche. Aber um herauszufinden, was dazu zählt: war es einfach buchstäblich notwendig, die Autobahn, auf der auch ich mich seit Jahren im Kolonnenverkehr bewege, zu verlassen. Rechts rauszufahren. Auszusteigen. Und zu kucken: WAS mir da einfach begegnet. Und WIE.

Und diese Begegnungen sind das Wichtige: Mit den vielen MENSCHEN AM MEER, über die ich schrieb (und es werden in den nächsten Monaten noch viele, viele mehr werden, über die ich zu schreiben habe). Mit dem, was mir UNTER SEGELN auf dem Meer begegnete: Einsamkeit. Inseln, auf denen die Götter zu wohnen schienen. Gewitter. Und große Wellen. 

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Und wenn Ihnen diese Geschichte gefallen hat:

Soeben erschienen vom Autor von Mare Pius als Film
für Download und auf DVD:


                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München - Antalya, bitte. 

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Das, was uns begegnet, wenn wir unser Zuhause verlassen, ist wichtig.
Das, was wir im Alltagsbetrieb einfach nicht mehr wahrnehmen, wofür wir den Blick verloren haben, ist wichtig.

Herr Michilakis und sein Labyrinth. Den 92 jährigen Ladenbesitzer lernte ich in seinem Laden auf Amorgos kennen. Über ihn und Amrogos werde ich Ende November berichten,

                                   
                                                Weiterlesen über die MENSCHEN AM MEER: dann hier einfach Lesen.
                                                Weiterlesen über das, was mir UNTER SEGELN begegnete: dann hier    
                                                                                                                                            einfach Lesen.
                                                Weiterlesen der Massai-Geschichte: Richard J. Leider/David A.       
                                                                                                           Shapiro, Lass endlich los und lebe.




Learning 2:
"Wenn Du eine Sehnsucht oder einen Traum hast: Finde den richtigen Zeitpunkt. Lebe ihn."


Keine Frage: ich hatte 22 Jahre als Leiter eines Buchverlages einen phantastischen Job. Ich bin vernarrt darin, Bücher zu machen. Ein hochmotiviertes, begeisterungsfähiges Team, wie ich es hatte, zu führen. Und mit ihm Ideen, Projekte, Bücher, E-Books zu entwickeln. Neue Dinge zu machen, die erfolgreich sind. Es ist wie eine Sucht. Und ich liebe es. Eigentlich möchte ich nichts anderes machen.

Trotzdem entstand auf meiner allerersten Reise auf einer Segelyacht Ende der Neunziger, in den allerersten Minuten, in denen ich jemals eine Segelyacht auf See erlebte, ein Traum, der mich nie verlassen hat. Der immer da war. Der jeden Tag einmal vor mir stand, der mich durch schreckliche Konferenzen und lähmende Shareholder-Meetings trug: "Ich möchte ein halbes Jahr Segeln gehen."

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Was man übers Segeln in Sizilien wissen muss:



Im Sommer 2016 umsegelte ich auf LEVJE Sizilien.
Dies ist der Reisebericht. Und die Beschreibung eines Segelsommers 
und einer Reise um eine Insel, die ihresgleichen sucht.
Mit Anhang für Segler mit "Do's & Don'ts", Häfen, Marinas, Internet.

JETZT als erschienen als PRINT oder als EBook ab € 9,99

sowie in jeder Buchhandlung oder bei AMAZON.
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Der Traum war geboren. In meinem Kopf. Jeden Tag war er da. Ich quatschte den Leuten davon die Hucke voll. Und habe mich lange gefragt: 
"Darf man das denn?" 
"Traue ich mich das: Einfach die sichere Autobahn zu verlassen?" 
"Ist das nicht reine Blödheit, eine spannende, fesselnde Aufgabe einfach zu verlassen - ohne zu wissen, was folgt?"

Ein wichtiges Resümee meiner fünf Monate auf See: Wenn Du eine Sehnsucht, einen Traum hast. Finde den richtigen Zeitpunkt. Lebe ihn.

Denn ein Traum, den man über Jahre hinweg hat: der ist nicht verkehrt. Der führt einen nicht in die Irre. Seine Erfüllung erfordert Opfer, ja. Es bleibt Liebgewonnenes auf der Strecke.

Wie kann man herausfinden, ob so ein Traum - was immer es ist - es ernst mit mir meint? Ob er nicht trügerisch ist? Oder gar ein Alptraum? In irgendeinem Buch habe ich mal Folgendes gelesen, und gerne gebe ich dieses Verfahren weiter: Es geht ganz einfach: Man setzt sich in entspannten Momenten einfach hin. Gerne auch in einem öden Meeting, wenn es gerade nicht auffällt. Und denkt sich hinein in seinen Traum. Und malt sich die Details aus von diesem Traum. Das Plätschern der Wellen nachts an der Bordwand. Die Bucht, in der man schwimmend die schönsten Tage verbringt. Und dann: malt man sich auch das weniger Angenehme aus. Die weniger schönen Seiten. Das Unangenehme: schlechtes Wetter auf See. Regentage. Kabbelige See mit klapperndem Rigg am Morgen nach einem Nachtschlag. Klamme Sachen. Sixpacks Wasser in der Mittagshitze des griechischen August aufs wackelige Boot schleppen. Mürrische Hafenmeister, die mich und meine LEVJE abends um sieben aus dem Hafen weisen, ins Ungewisse. 

Was immer der Traum ist: Mein Traum blieb ein Traum, selbst als ich mich ganz tief in die negativen Seiten reingedacht habe. Was ich Ihnen also rate: Träumen Sie darauf los. Und malen Sie mit kraftvollem Pinselstrich. Und wenn Sie das ein paar Mal gemacht haben und Ihr Traum ist immer noch Ihr Traum: Dann herzlichen Glückwunsch! Sie haben einen Traum!

"Der richtige Zeitpunkt": Das ist ein ganz eigenes Thema, das einen eigenen Artikel auf Mare Più wert ist. Darüber werde ich zu einem späteren Zeitpunkt schreiben.








Learning 3: 
Man muss auch im richtigen Leben etwas machen, das man leidenschaftlich gerne tut.


Es ist eine tiefe Wahrheit, was die viel reisende Feli auf ihrem erfolgreichen Reiseblog Travelicia schreibt: "Nur Reisen ist zu wenig. Man muss schon etwas machen."

Und dieses "Man muss einfach nur etwas machen" begegnete mir so oft im Leben, und ich fand es immer richtig. Die Mutter meines Freundes David hat mir diese Weisheit als Schüler vermittelt. Es leuchtete mir, dem 16jährigen sofort ein. Und es hat mich nie verlassen. Selbst mein persönliches Vorbild, die Seglerin Gudrun Caligaro, die Ende der 80er Jahre als alleinsegelnde Mitvierzigerin (!) die Welt auf einer 28 (!!) Fuß-Yacht umrundete und nur fünfmal (!!!) anlegte: Auch sie "machte" etwas, obwohl ihr Tagesprogramm neben dem sich ums Boot kümmern vor allem im "Beobachten und Schauen" bestand. Sie hatte eine unfassbare einfache Freude, über das was Sie sah. Die Wellen. Die Malamoks. Der Wind, der ihr kleines Schiff über die Wellen schob. Und: sie schrieb ihr Tagebuch. Aus dem später ein wunderbares Buch wurde, Ich habe es gut und gerne 50 mal gelesen und verschlungen, es hat mich auch auf LEVJE begleitet.


Wer hier weiterlesen will: Weil ich denke: "Ein gutes Buch bringt mich auch beim 50sten Mal lesen weiter. Ein schlechtes beim ersten Mal lesen nicht. Deshalb empfehle ich gern: Gudrun Caligaro, Ein Traum wird wahr. 
Leider nur noch antiquarisch lieferbar.





Learning 4:
"Ein Schiff im Hafen ist sicher.
Aber dafür ist ein Schiff nicht gemacht."

                       Im Hafen von Izola in Slowenien, LEVJE's langjährigem Heimathafen.

Es ist immer wieder einer der zuverlässig glücklichen Momente beim Segeln: Nach einem langen, langen Schlag ist LEVJE wieder im Hafen. Die Leinen sind fest. Der Hafenschlick von der Arbeit mit der Mooring von den Händen gewaschen beim ersten Sprung auf die Pier. Den Leinenverhau in der Plicht aufgeräumt. LEVJE ist fest. Wir sind sicher. Im Blick: ein Lächeln.

Immer wieder ein guter Moment. Ein Moment der großen Entspannung, die ich beim Segeln - und so  nur dort - finde. Dennoch hat John Augustus Shedd recht, dessen im letzten Jahrhundert erschienenen Buch die Kapitel-Überschrift entstammt. Und zwar gleich mehrfach:

Es ist wichtiger, einfach loszusegeln, als bei der Vorbereitung eines fünfmonatigen Törns ewig an der technischen Perfektion meiner Yacht zu arbeiten. Als ich lossegelte, hatte ich für LEVJE immer noch zehn Punkte auf meiner Liste. Mindestens. Vielleicht doch noch ein Radar? Und AIS? Die Bilgenpumpe größer. Die Cockpitpolster schöner. Die Pinne noch dreimal mehr mit Klarlack streichen. Bimini und Persenning noch größer. Und, und, und. Aber LEVJE war für die fünfmonatige Reise bereit. Und ich war es auch.

Also: Gute Gründe, warum Mann und Schiff noch nicht bereit sind, gibt es immer. Es ist wichtiger, einfach rauszugehen und zu sehen: wie ist es da? Denn meistens warten herrliche Tage auf See auf einen.

Und dies: gilt nicht nur fürs Segeln.









Learning 5: 
"Der innere Reichtum".


"... und was willst Du erreichen an Reichtum?", fragt mich Anna, Verlegerin, Freundin, letzte Woche, um Mitternacht. Die Kluge.

Was mir diese Reise gebracht hat, ist innerer Reichtum. Unglaubliche Bilder. Die Wolken am Abend bei der Ansteuerung auf Antalya, im Bild oben. Das Bild der unbewohnten, gottverlassenen Insel Kynaros in der Ägäis, deren "Augen" mich unverwandt anblickten. 


Die unglaublichen achterlichen Wellen bei der Überquerung der Straße von Otranto. 


Die Kirche in der Festung von Santa Mavra, bei Levkas.


Die schreckliche Gorgo auf Paros.

Es ist so viel. Unglaublich viel.

Es ist das Gefühl, etwas Einzigartiges erlebt zu haben. Etwas, das man für Geld nicht kaufen kann.

                                                           Weiterlesen über "Die Überquerung der Straße von Otranto": 
                                                                                                            Hier der Beitrag und das Video.
                                                            Weiterlesen über die Festung Santa Mavra auf Levkas: Hier.
                                                            Weiterlesen über die Gorgo von Paros: Hier.




Learning 6:
Es muss nicht das große Schiff sein.
Es muss nicht die Weltumsegelung sein.

Die Kiefern der Türkei? Eine Bucht auf Erikoussa, wo die Lebensbäume wachsen? Die Kiefern am Stechlin- oder Roofensee? Nein. Diesmal der Große Ostersee in Oberbayern.

Es braucht wenig, um auf dem Meer glücklich zu sein. Klar träume ich immer vom nächsten Schiff, das größer ist. Aber meine LEVJE ist mir heilig. Und schon beim Kauf meines ersten Segelboots 2001, einer kleinen MANTA 19 auf dem Starnberger See, gebaut von SCHOECHL in den Siebzigern in Salzburg, sagte mir der Vorbesitzer wehmütig: "Es ist ein Boot für glückliche Stunden." Er hatte recht damit.

Na klar ist eine Weltumsegelung ein großartiges Projekt. Aber darauf kommt es nicht an. Sondern WAS und WIE man erlebt. Und das ist keine Frage von "Schiffsgröße" und "gesegelten Etmalen" oder "Meilen". 
Einen meiner bemerkenswertesten Törns habe ich vor vielen, vielen Jahren auf eben dem Starnberger See gemacht. Im späten September. Und auf eben der MANTA 19. Allein. Ich habe mir für eine Woche Verpflegung draufgepackt. Und bin aus meinem Hafen gesegelt mit dem festen Vorsatz: "Ich werde eine Woche lang keinen Fuß an Land setzen. Und nur draußen ankern. Und nicht im Hafen übernachten." Ich habe "großer Törn auf kleinem Boot" gespielt. Und ich habe in wenigen Tagen genauso viel erlebt wie auf einem großen Törn. Gewitter die halbe Nacht lang. Warme Tage. Wunderbare Sonnenuntergänge. Nächte mit eiskalter Nase tief im Schlafsack. Der Schluck Rotwein nach gelungenem Ankermanöver in der Dämmerung. Der Blick auf die Lichter am Ufer in der Nacht, die ich doch seit meinen Kindertagen kenne. Regen. Starkwind in die Ankerbucht.

Nein. 
Es muss nicht das große Schiff sein.
Es muss nicht die Weltumsegelung sein.

DAS ist nicht der Schlüssel.


                                                                       Weiterlesen über "Der Traum vom großen Boot": Hier.
                                                                       Weiterlesen über Gewitter am Meer: Hier.




Learning 7:
"Die charakteristischen Eigenschaften des Seemanns."


In einem früheren Post schrieb ich bereits über Charles Darwin's Buch DIE FAHRT MIT DER BEAGLE. Er veröffentlichte es ungefähr 30 Jahre, nachdem er als junger Mann, als Wissenschafts-Novize, jene legendäre Fahrt zu den Galapagos-Inseln mitmachte und dabei seine Evolutionstheorie entwickelte. An der Grenze zum Alter summierte Darwin am Ende dieses Buches seine Erfahrungen dieser mehrjährigen Seereise und rät dies:

"... unbedingt sein Glück zu versuchen und auf Reisen zu gehen, wenn möglich über Land, ansonsten: lange zu bleiben. Er kann versichert sein, dass er - allenfalls in seltenen Fällen - keinen derartigen Schwierigkeiten oder Gefahren begegnen wird, wie er sie am Beginn vorraussieht.
Unter einem moralischen Gesichtspunkt sollte eine solche Reise ihn gutwillige Geduld lehren, Freiheit von Selbstsucht, die Gewohnheit für sich selbst zu handeln, und aus jedem Geschehnis das Beste zu machen, kurzum: er sollte die charakteristischen Eigenschaften des Seemanns besitzen. 
Reisen sollte ihn auch Mißtrauen lehren, aber gleichzeitig wird er entdecken: wieviele wahrhaft gutherzige Menschen es gibt, mit denen er nie zuvor Kontakt hatte und auch nie mehr wieder haben wird, und die dennoch bereit sind, ihm die uneigennützigste Hilfe zu gewähren."

Schöner und treffender, was eine lange Seereise lehrt, kann man es nicht sagen.




                                                                        Weiterlesen zum Thema Resumee einer Segelreise: Hier.








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Und wenn Ihnen diese Geschichte gefallen hat:

Soeben erschienen vom Autor von Mare Pius als Film
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Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München - Antalya, bitte.