Montag, 22. April 2019

Hayling Island, UK: Am Gründonnerstag auf Levje II. Oder: Zwei Arten, in England sein Boot zu überwintern.




Mit England verbinden die meisten Menschen schlechtes Essen, schlechtes Wetter, ein teures Pfund und den Brexit. Alles Bad News also. Weil ich mit 16 zum ersten Mal auf der Insel war und damals von allen genannten Punkten das gerade Gegenteil dort erlebte, mochte ich das Land. Ich war beeindruckt von der Freundlichkeit der Menschen auf der Insel, die ich so nicht kannte, und von der Gastfamilie, bei der ich damals untergekommen war und die sich mühte, mir nur die besten Seiten dieses Landes zu zeigen. Man kann einem Land nicht gleichgültig gegenüber sein, wenn man bei der ersten Begegnung derart  eingeführt wurde. Als ich im Spätsommer die Bretagne erreicht hatte, waren die Liegeplätze dort rar, ich beschloss, für Levje in Südengland einen Winterliegeplatz zu suchen, sie dortzulassen und nachzuholen, was ich all die Jahre im Kopf gehabt hatte. Dieses England, das ich so mochte, einfach richtig kennenzulernen.

Ich habe nie das Ende meiner Reise vom vergangenen Sommer erzählt. Nach Alderney (siehe den vorvorigen Post!) segelte ich über den Ärmelkanal zur Isle of Wight. Und dort begann ich meine Suche nach einem Liegeplatz, wo ich Levje den Winter über lassen könnte. Südengland bietet vor allem teure Liegeplätze an. Aber weil Schnickschnack nicht mein Ding ist, suchte ich nach einer einfachen Lösung. Und fand sie auf einer Insel, auf Hayling Island, wo der 73jährige Barry und der 80jährige Dave einen kleinen Boatyard betreiben: Wilsons Boatyard.

Ich hatte mir verschiedene Liegeplätze vorher angesehen. Aber am besten gefiel mir Wilsons. Ein kleiner Marinabetrieb an einem Gezeitenfluß, ein sauber aufgekiestes Areal, und statt der üblichen Gestelle mit Balken abgestützte Boote, so, wie man eben seit der Antike Boote mit Holzstützen aufstellt. 

Die Sache hatte nur einen Haken: Die Werft liegt an einem Gezeitenfluss. Bei Flut ähnelt er mehr einem See. Bei Ebbe ist er nur ein Rinnsal, das keine 30 Zentimeter breit ist. Sean, der Vorarbeiter, der mir die Werft zeigte, sagte, ich könne mit Levjes zwei Meter Tiefgang nur bei Springtide den Gezeitenfluss heraufbringen, eben einmal im Monat und nur dann, wenn Sonne Mond und Erde in einer Linie stünden und das Wasser am meisten anheben.

Die letzten 100 Meter vor der Werft: Die schmale Gasse, durch die mein Weg führte, bei Springtide...

... und dieselbe Gasse sechs Stunden später: Die Boote liegen im Schlamm -
"mudberth", Schlammliegeplatz, nennt man in England diese Art, sein Boot übers Jahr zu bringen.
Alles lief gut. Im September ließ ich Levje auf Hayling Island bei Dave und Berry und Sean zurück. Irgendwie war diesen Winter viel los, ich hatte es anders als in den Vorjahren nicht geschafft, einfach mal nach meinem Boot zu sehen. Sah nur die Stürme auf den Wetterseiten, die in beeindruckender Häufigkeit im Winter entlang der englischen Südküste ziehen.

Levje am Kranhaken, Barry im Führerhaus, Dave am Seil, Sean unterm Boot: Kranen im Herbst.
Die letzten Tage vor Ostern hielt ichs nicht mehr aus. Bekloppt vor Sorge um mein Schiff, das womöglich unbeachtet am Land liegt. Beim Aufwachen stellte ich mir vor, wie mit jedem Regen Wasser ins Schiff oder gar auf meine Koje auf Levje trillt. Oder die Stürme die Persenning zerfetzt hatten wie in Sizilien. Oder einer der Stürme würde Levje umwerfen.

Als ich ankam, lag die Persenning tatsächlich lose. Ein Sturm hatte alle Zeisinge zerrissen, die Plane lag sauber aufgetucht auf dem Baum. Unter Deck mochte die Batterie erst nicht so recht, aber das gab sich.

Vor allem anderen gefiel mir Hayling Island, eine kleine Insel östlich der Isle of Wight, die sich 16.000 Menschen mit einer Menge Wattvögel und Schlickwürmern teilen. Die Insel ist nur über eine Brücke erreichbar. Und eine von drei nebeneinanderliegenden Marscheninseln, die sich nordöstlich an die Isle of Wight anschließen: Portney Island. Hayling. Thorney. Alle drei sind als Inseln heute fast vergessen - jedenfalls macht keine von sich viel Aufhebens darum, dass sie einmal Insel war. Portney Island ist über drei Brücken erreichbar und heute von einer 200.000-Einwohner-Stadt bedeckt, besser bekannt unter dem Namen Portsmouth. Hayling und Thorney sind wie Portney ein Fußball-Feld vom Festland entfernt und mit einer Brücke verbunden. Im Grunde genommen ist Hayling nichts anderes als ein Vor-Vorort von Portsmouth, mit dem es früher auch durch eine direkte Fähre verbunden war. Und damit auf den ersten Blick halt eben eine dieser Kleinstädte an der südenglischen Küste, von denen manche eine mondäne Vergangenheit als Badeort haben, die längst verflossen ist, seit die Menschen eben nicht mehr im eigenen Land, sondern woanders Urlaub machen.

Hayling ist, wenn man Mittelmeer-Inseln kennt, auf den ersten Blick nichts Besonderes. Auf den zweiten Blick schon. Man muss die Insel mögen, wenn man England mag. Die Parklandschaft auf der Insel mit den Eichen am Ufer. Der Fasan, der aus dem Gebüsch am anderen Ufer ruft. Die Freundlichkeit der Menschen, die längst keine Inselbewohner mehr sind und die mich genauso erstaunt wie vor 42 Jahren. 

Vom Flughafen Gatwick ist man per Bahn und Bus in eineinhalb Stunden auf Hayling Island. Die Sonne schien, als ich ankam. Es war wärmer als daheim, der Löwenzahn blühte eine Woche, bevor er daheim ausschlug. Auf Daves und Barrys Boatyard brummte und


summte es vor Bootseignern, die ihr Boot für den Ostertörn vorbereiteten. Nur Dave, der 80jährige, der vor einigen Jahren das Skifahren ausprobiert und in Chamonix seine Leidenschaft dafür entdeckte hatte, wo er im Pflug (!) mit 80 (!!) letztes Jahr die Hänge


hinunterwirbelte, war traurig, weil ihn seine Schulter nicht recht ließ. Der 73jährige Barry werkelte an seinem Boot. Ich lernte Sandy kennen, der mir voller Stolz seine Dehler 34 zeigte, nicht ohne hervorzuheben, sie wäre ein direkter Nachfahre der DB I (unter Kennern: Jenes Bootes, dem Willi Dehler seinen Ruf als Werftbauer schneller Boote verdankte). Es ist ein nettes Völkchen, das da auf Hayling Island schleift und schmirgelt und spachtelt. Und sich in nichts an diesem Gründonnerstag vom Treiben in einer Werft in Italien oder Griechenland oder Südfrankreich unterscheidet.

Und das mit dem schlechten Essen, dem schlechten Wetter, dem teuren Pfund und dem Brexit? Das vergessen wir mal alles grob. Es wird höchste Zeit, Segeln zu gehen. Und die Vorurteile dahin zu verbannen, wo sie hingehören. Am besten ganz zuunterst in die Backskiste, wo all die anderen ungeliebten Teile rotten dürfen.

Das Eingangsbild dieses Posts, nur bei Ebbe. Brav sitzen die Schiffe im Schlamm wie müde Dromedare, die auf ihre Herren warten.












Freitag, 12. April 2019

Die 25. Neuerscheinung bei millemari: Bergretter berichten über ihre dramatischsten Momente.



Neu bei millemari. - hier bestellen. Oder bei Amazon. Hier.

Wieso ein Segler Geschichten über Bergretter 
und ihre Rettungsaktionen in den Bergen schreibt.

Am Anfang war es nur eine Schnappsidee. Wieso nicht mit Bergrettern reden? Und Geschichten über ihre dramatischsten Momente erzählen? Die Idee geisterte eineinhalb Jahren in unseren Köpfen herum. Aber konkret wurde sie erst im Sommer 2018, als die BERGWACHT BAYERN unseren Vorschlag nicht nur anhörte, sondern das Projekt gut fand. 

Irgendwann Ende September, nach der Rückkehr von meinem Einhand-Törn Sizilien-England setzte ich mich in den Zug und aufs Fahrrad und reiste zu den ersten Interview-Terminen mit Bergrettern - manche lebten ja nicht weit von meinem Zuhause in Oberbayern entfernt. Etwas mulmig war mir da schon, wem ich da begegnen würde. 

Aus den ersten Gesprächen mit Bergrettern kam ich verändert. Die Männer und Frauen, mit denen ich mich zu Interviews traf, hatten mehr mit mir als Segler zu tun als ich angenommen hatte. Sie suchten das andere Element, die Berge genau so, wie ich das Meer suchte. Sie fühlten sich in ihrem Element in den Bergen, so wie ich mich draussen auf dem Meer fühlte. An einem Ort, der wunderschön sein konnte und blitzschnell bedrohlich. Ein Ort, der ihnen oft mehr inneren Reichtum und Erfüllung bescherte als man für Geld kaufen könnte.

Ich war fasziniert von den ersten Gesprächspartnern. Wer aufs Meer, geht ein anderes Risiko ein als die meisten anderen Menschen. Wer bei jedem Wetter auf den Berg geht, um andere zu retten, tut das noch extremer. Nicht wenige unter den Bergrettern erzählten mir freimütig, dass es ihr eigener 


schwerer Unfall am Berg war, der sie erst bewogen hatte, bei der Bergwacht mitzumachen. Es war merkwürdig: Ich, der ich in München geboren und mich ein Leben lang in Bayern fremd und andersartig gefühlt hatte, entdeckte plötzlich Gleichgesinnte, die tickten wie ich. Vor allem, was das Angezogen-werden von rauher Natur anging. Und das sich selber-spüren und -finden genau in dieser unwirtlichen Natur.

Unterschiede gab es zuhauf. Ich begegnete Menschen, die die 1.000 Höhenmeter entlang des links und rechts jäh abfallenden Jubiläumsgrates ohne Halt traumwandlerisch sicher in wenigen Stunden entlangeilten als wäre es ihr Treppenhaus. Meine Höhenangst erwachte schon beim bloßen Zuhören. 
Erzählte ich aber, was ich diesen Sommer getrieben hatte, allein die spanische Südküste durch Gibraltar über die Biskaya bis nach England, sahen mich genau dieselben Menschen mit schreckgeweiteten Augen an: "Übers Wasser? Mein Gott! Da könnt' ich mich ja nirgendwo festhalten."

Bergretter bei der Arbeit. Hier bei der Bergung eines Verunglückten aus einer Gletscherspalte.
© C. Vogg
Ohne Zweifel ist das Buch AM BERG. BERGRETTER ÜBER IHRE DRAMATISCHSTEN STUNDEN mein bisher spannendstes Buch geworden. Ich freue mich, wenn Sie mehr über dieses Projekt wissen wollen:



PS: Weil wir bei millemari. die Arbeit der Bergretter unterstützen wollen, spenden wir 25% vom Verlagserlös jedes Buches für die Bergretter.

In enger Zusammenarbeit mit der BERGWACHT BAYERN - jetzt bestellbar:
als Hardcover. Mit Leinen-Umschlag. Und Lesebändchen.
als Paperback

Donnerstag, 11. April 2019

Reden wir über Geld: Was kosten 5 Monate Segeln im Mittelmeer?

Dieser Post entstand unmittelbar nach meiner Reise 2014 in die Türkei. 
Zwar hat sich die Situation in der Türkei - leider! - aufgrund der politischen Verhältnisse sehr gegenüber damals verändert, zwar sind die Preise in Kroatien 
und Griechenland seither am Steigen. 
Doch was meine Kernaussagen betrifft, komme ich auch fünf Jahre später immer 
noch zu denselben Ergebnissen. Ich poste ihn also noch einmal 
- mit dem festen Vorsatz, ihn um meine Erfahrungen 
der letzten beiden Jahre zu erweitern.

Einfach mal ein halbes Jahr mit dem Boot verschwinden. Segeln, so lange Lust und Wetter mitmachen. Um jede Huk herumkucken, um die man immer mal herumkucken wollte: Das war mein Traum über 16 Jahre. Aber wie es so geht: es passt halt gerade nicht. Familie. Kinder. Ein spannender Job. Oder aber: Keine Ahnung, wie ich das finanzieren soll?

Fangen wir mal an mit: Geld. Segeln, heißt es, muss nicht teuer sein. Ein Freund, Software-Programmierer, ist mit Frau und zwei Kindern vor einigen Jahren auf einer 37er von Slowenien aus Richtung Australien aufgebrochen. Von dort aus macht er auch seine Software-Hotline. Was keiner seiner Kunden weiß. "It's perfect life!" mailt er einmal monatlich. Mit 25.000 Dollar für eine vierköpfige Familie im Jahr kommt er aus. 

Aber wie sieht die Wirklichkeit in unseren Revieren aus? Was kostet ein Mittelmeer-Törn, 5 Monate von Slowenien über Italien, Griechenland bis weit in die Türkei wirklich? 

Die beiden wichtigsten Faktoren, wie teuer eine Segelreise wird, hat man selbst in der Hand.
Entscheidend sind: 

1. Die Schiffsgröße

    Eine Lösung? Ein Trimaran, den man bei Bedarf im Hafen in Länge und Breite auf die Hälfte "schrumpfen" kann: Deutlich sieht man über dem Außenborder eine der Stahlschienen, mit deren Hilfe die Achterkoje einfach um etwa 1,50 herangeholt wird, ebenso wie die Bugkoje und die beiden Schwimmer. Selbst der Mast ist via Mechanik kürzbar. Ob sich dieses Konzept durchsetzen wird: ich bin skeptisch. 

"Draußen auf See: so groß wie möglich.
Drinnen im Hafen: so klein wie möglich."

Das ist mein Resümee nach vielen Jahren Segeln im Mittelmeer. Ein großes Schiff - und darunter verstehe ich alles über deutlich 10 Meter Bootslänge - ist komfortabler. Vermittelt mehr Sicherheit. Liegt ruhiger in der Mittelmeer-Hacksee. Man segelt einfach entspannter. Die Bootsbewegungen sind viel ruhiger.

Aber: was draußen auf dem Meer Sicherheit & Komfort bedeutet: kommt im Hafen beinhart auf die  Rechnung: Liegeplätze berechnen sich nach Schiffslänge. Oder wie in der Türkei nach Quadratmetern. Ebenso wie Kosten für Permits und Transitlogs. 
Und genauso steigen die Kosten für Unterhalt - vom Kranen angefangen bis zum "Hardstand", dem Landliegeplatz. 

Und wer an seinem Boot einmal jährlich das Antifouling selbst aufbringt: Mit dem Pinsel in der Hand wird eine größere Yacht an der breitesten Stelle beim Streichen nicht nur plötzlich "verdammt breit", sondern auch "verdammt lang".

                                                                 Weiterlesen bei: Ein Schiff, um 5 Monate drauf zu leben.

2. Die Wahl des Segelreviers

"Es gibt Reviere, da geht man jeden Abend in den Hafen. 
Und solche, da geht man zwei mal im Monat in den Hafen."

Unterstellen wir einfach, Sie haben sich - ob gekauft oder gechartert - nach langen, langen, langen Erwägungen aus diesen oder jenen Gründen für eine bestimmte Schiffslänge entschieden. Sie haben ein Schiff. Und leben damit. Und haben sich an die Kosten gewöhnt. Dann bleibt als wesentlicher Kostenfaktor die Wahl des Reviers. Und ihre Route.


2.1 Italien ist wunderschön. 

    Von Venedig aus fuhr ich mit LEVJE nicht übers offene Meer, sondern über die "Canali", die Lagunenkanäle  
           nach Chioggia: Italien lockt mit Ungewöhnlichem. Über diese Reise berichtete ich ganz am Anfang.

Italien hat aber mit ungefähr 200 Inseln vergleichsweise wenig Inseln. Und noch weniger Buchten. Also muss man fast jeden Abend in den Hafen. Das kostet Liegegebühren. Und schon die alten Fahrensleute wußten: "Hafen meiden! Die Kohle ist weg!". 
Denn erstens spürt man die Liegegebühren - sie liegen je nach Hafen im CIRCOLO NAUTICO oder bei der LEGA NAVALE für ein 31-Fuß-Schiff zwischen 20 und 50 €. Auf der wunderschönen Insel Ponza kann das auch mal 100 € betragen. Und im schönen Porto Rotondo an der Costa Smeralda stehen im schönen August schon mal 133,76€ pro Nacht für LEVJE's 31 Fuß auf dem Zettel. 


_________________________


                                              

41 Geschichten aus fünf Ozeanen von
Bodo Müller
Mareike Guhr
Rollo Gebhard
Holger Peterson
Jocelyn Fastner
Roberto Imbastaro
Sebastian Pieters
und vielen vielen anderen...

Oder bei AMAZON.
Oder in Ihrer Buchhandlung.
________________________________

Ein weiteres kommt hinzu: Als Freund guten Essens und guter Weine bin ich Italiens Küche ausgeliefert. Wehrlos. Hilflos. In Italien hält es mich abends nur selten auf LEVJE. Die Stadt ruft: Mit hervorragenden Fisch-Antipasti. Pasta in 1001 verführerischen Variationen. Wein zum "Sich-vergessen". Da kostet ein vierwöchiger Italientörn mit einem 31 Fuß Boot für eine Person schnell mal 2.500 Euro aufwärts, Treibstoff und Liegegebühren eingerechnet. Dafür aber lebt man ein herrliches Leben. "Si mangia a Dio", man isst wie bei Gott, sagte mir der Marinaio in Ancona über das Restaurant genau vor Levje's Bug. Womit er wahrhaftig nicht log.


                                              Weiterlesen bei: Segeln in Italien. Gebühren, Vorschriften, Wetter.




2.2 Griechenland ist wunderschön.


Keine nennenswerten Permit-Gebühren, außer für das DECPA. Und für die Einreise pro Person.

Viele, viele wunderschöne Buchten locken von Othonoi im äußersten Nordwesten bis nach Kastellhorizon, der letzten griechischen Insel einen Kilometer vor dem südtürkischen Kas im äußersten Südosten. Man kommt also auch bei schlechtem Wetter hervorragend ohne Marinas aus.

Von Juni bis September wehen für die Route von Nordwest nach Südost günstigste Winde. Der Meltemi bläst kräftig mal mehr von Nord, mal mehr von Nordwest. Es ist eine Freude, noch vor dem Anker-auf Morgens die Segel zu setzen. Und Abends, nachdem der Anker gefallen ist, die Segel zu bergen. Und 200 Meilen unter Segel mit Treibstoffkosten für insgesamt 7 Liter Diesel sind bemerkenswert erfreulich.

Hinzu kommt: Es gibt wenig gut ausgebaute Marinas. Aber überall Häfen. Und in denen kostet das Anlegen meist wenig. Das merkt man schnell: Bereits für 800 Euro aufwärts im Monat lebt es sich in...
_______________________________________________________________

Ein leiser Film über meine erste Einhand-Reise von Slowenien in die Türkei.
Als Download und auf DVD:



                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.


Der Film entstand nach meinem Buch, 
ich habe ihn während der Reise nur mit Iphone und Ipad gedreht
und später mit einem Kamerateam einige Szenen nachgedreht.
Einmal München - Antalya, bitte. 

______________________________________________________________

... der Ägäis ganz wunderbar. Aber nicht täuschen lassen: Auch wenn Lebensmittel und das hervorragende Obst und Gemüse in Griechenland günstig ist: Ausgerechnet hier sind landestypische Produkte wie mein geliebter PHAGE-Joghurt, Oliven, Schafskäse vergleichsweise teuer. Dies Rätsel zu lösen bleibt einem weiteren Artikel vorbehalten. 

 Restaurantbesuche - wie hier auf der zauberhaften Hafenmole von Monemvasia - spielen kostenmäßig in  
     Griechenland eindeutig auf niedrigerem Niveau als in Italien und dem in dieser Hinsicht kein Pardon  
       kennenden Süd-Frankreich.
   

                                           Weiterlesen bei: Was Sie sonst noch über einen längeren Törn an      
                                           Griechenlands Küsten über Gebühren, Vorschriften, Wetterdienste, 
                                                                                                               Internet wissen müssen. Hier.
                                            Weiterlesen bei: Segeln in Griechenland: Ein Resümee in 7 Punkten


2.3 Kroatien ist wunderschön.


Hier wird es - ebenso wie in der Türkei - aufgrund gehobener Liegegebühren in den Häfen etwas teurer. Für ein 31-Fuß-Schiff ist mit 35-60€ pro Nacht zu rechnen. Aber man hat es als Segler ja selber in der Hand, ob man ankert oder jede Nacht im Hafen verbringt. Und das stellen die kroatischen Marinabetreiber zu ihrem Leidwesen auch gerade fest: Die Zahl der Bootsbesitzer, die im Urlaub jeden Tag die Marina aufsuchen, nimmt aufgrund stark angestiegener Mooring-Gebühren ab. Ausnahme: Schlechtwetter-Tage. 




In Kroatien kommt noch das relativ teuere Jahrespermit hinzu sowie die Kurtaxe hinzu, die 2018 deutlich angehoben wurde.

Etwas ungünstig sind auch die Windverhältnisse in der Adria: immer noch gilt gerade für die obere Adria der gute alte Spruch: "Entweder zuviel Wind oder zuwenig." Gerade in den Sommermonaten ist viel Motoren angesagt bei schwachen Winden: Das erhöht die Kosten spürbar.


Preise für Restaurants und Konoben, die sich gerade in unmittelbarer Hafennähe befinden, haben in den vergangenen Jahren ebenfalls deutlich zugelegt.


2.4 Slowenien. Ein begeisterndes kleines Ländchen.

    Der Hafen von Izola. 

Der Vollständigkeit halber sei auch Slowenien erwähnt, das zwar nur über 25 km eigene Seeküste verfügt, aber neben Koper und Portoroz vor allem mit Izola einen hervorragenden Yachthafen mit kürzesten Wegstrecken sowohl am Land als auch zu Wasser nach Norditalien und Venedig besitzt. Hier ist das Preisniveau in den drei Marinas dem in Kroatien vergleichbar. Allerdings werden hier keine Gebühren für Permit verlangt.

     Segeln an Weihnachten: LEVJE im Hafen von Piran, Slowenien am 2. Weihnachtsfeiertag 2013.

Da die vier slowenischen Küstenstädte Koper, Izola, Piran und Portoroz noch immer zu einem Gutteil von slowenischem Inlands-Tourismus leben, ist das Preisniveau vor allem in den Restaurants von Koper und Izola erfreulich niedrig. Piran ist mit seinem hübschen venezianischen Hafen natürlich ein Touristenmagnet, während Portoroz seit seiner Gründung als k. und k. Seebad seinen "Hang zu Höherem" in unnötig hohen Marina- und Restaurantpreisen fortsetzt.

                                                                                 Weiterlesen über das faszinierende Slowenien..

                                                                                Weiterschauen auf YOUTUBE: die Ausfahrt aus     
                                                                                                                               dem Hafen von Izola.



2.5 Türkei. "Hello, my Friend."

    Ein phantastischer Ort selbst im späten Oktober: Das antike Phaselis, zwischen Finike und Kemer auf einer  
      Halbinsel gelegen. 
   
Für die Türkei gilt Ähnliches wie für Kroatien. In den zurückliegenden Boomjahren ist Segeln - vor allem bei gut verdienenden Türken in den Großstadt-Zentren Istanbul, Izmir, Bodrum, Antalya - sehr in Mode gekommen. Vor allem "Großstadt-nahe" Häfen (Turgutreis, Bodrum selbst, Marmaris und erstaunlicherweise Antalya) sind teuer, weil überwiegend von bootsbegeisterten einheimischen Stadtbewohnern belegt. Für LEVJE's 9,40m Länge waren  pro Nacht in den genannten Häfen zwischen 37€ und 45€ zu berappen. Strom, Wasser (5€ pauschal) sowie WIFI kommen gegebenenfalls noch dazu. Vier Nächte - kein Spaß. Zumal die Marinas von Bodrum und Marmaris von ihrem täglichen und vor allem: nächtlichen Lärmpegel unerträglich sind. Und die Marina Antalya eine halbe Busstunde außerhalb des Zentrums liegt im Industriehafen liegt - weitab von Restaurants und vernünftigen Einkaufsmöglichkeiten und dem: was der Seemann nach paar Tagen auf See gerne hätte.

Auf dem abgelegenen Land sieht es anders aus: In Kas oder Finike, aber auch in Alanya sind die Häfen günstiger. Und gemütlicher. Und vor allen Dingen: LEISER! Hier ist man mit um die 25€ dabei. Strom, Wasser, WIFI sind - meist - inklusive.

Hinzuzurechnen sind in der Türkei noch die Kosten für das Transitlog (52€) sowie den hierfür erforderlichen Agenten (Von 0€ bis 80€ ist alles drin: das hängt von Ihrem glücklichen Händchen ab) sowie die unabdingbare BlueCard (25€). Es summiert sich also auch auf ein dem kroatischen Permit vergleichbares Preislevel. 

Der Restaurant-Steg des Restaurants RAFET BABA in der Bucht von Ciftlik, ein paar Meilen vor Marmaris. Wer hier liegt, liegt kostenlos. Erwartet wird aber, dass im zugehörigen Restaurant gegessen wird.
     
Essen gehen: Hier gibts einen einfachen Indikator: In Gegenden, in denen man Sie mit den Worten "Hello, my friend" begrüßt, können Sie pro Person von 25€-35€ ausgehen. Dies gilt für die landschaftlich sehr reizvolle Buchtenecke mit den netten Stegrestaurants zwischen Bodrum und bis östlich Marmaris, etwa bis Gemiler-Reede.

Danach kommt die Ecke ohne "Hello, my friend". In den liebenswerten Orten Kas und Finike, die vom Tourismus wirklich verschont sind, zahlt man um die 10€ - 15€ für zwei, drei Gänge. Übrigens erzählte mir Eda, dass auch sie als Türkin vor der Begrüßung "Hello, my friend" nicht verschont bliebe. Ob Türke oder Deutscher: man ist Tourist. DAS bestimmt das Preisniveau in der Türkei.

Lebensmittel in der Türkei: Vor allem Alkoholica, Bier und Wein, sind vergleichsweise teuer, da dem rechtgläubigen Muslim nicht gestattet. Und deshalb mit Steuern belegt. Und auch nicht überall erhältlich. 

Insgesamt kommt man für vier Wochen Türkei also auf etwa 1.500€.

                                                                              Weiterlesen bei: Segeln in der Türkei. Hier.      
                                                                              Gebühren. Vorschriften. Wetterdienste. Internet.   
                                                                              Weiterlesen über den Tahtali Dag: hier lesen.

Und wie sieht das für andere Länder aus?

Frankreichs Mittelmeer-Küste sicherlich teurer, Spanien ebenfalls. 
Nord- und Ostsee: je nachdem. Liegegebühren meist unter den fürs Mittelmeer genannten Preisen.

Karibik: Kann man so oder so machen: Anreise teuer. Kann aber gut überall ankern und buchteln. Essen gehen? Bleibt in den meisten Teilen der englischsprachigen Karibik verzichtbar, da die "amerikanische Küche" in ihrer "fast form: paniert, frittiert" dominiert.

    Phaselis, Ende Oktober: einer der drei Häfen der untergegangenen Stadt.


Fazit:
Ist Segeln teuer? Das kommt darauf an. Auf einem fünf-Monatstörn durch die genannten vier Mittelmeer-Länder muss man - bei meinen genannten drei Vorlieben viel Ankern, gut Essen, guter Wein - mit monatlichen Ausgaben um die 1.600€ rechnen. Fünf Monate machen also 8.000€, und wer ganzjährig auf dem Boot lebt, wird also um die 20.000€ für ein Jahr an den Küsten des nördlichen Mittelmeeres in der Reisekasse haben müssen. 

Nicht teuer ist Segeln, betrachtet man es unter dem Gesichtspunkt: "Wieviel Urlaub krieg ich für 1.600€?" Denn für diesen Betrag bekommen Sie im nächsten Sommer - und der kommt bestimmt - wahlweise:

 2-3 Wochen Alanya All-Inclusive im Vier-Sterne-Hotel
 7 Tage "Malle", nettes Hotel, aber nur Übernachtung mit Frühstück
 5 Tage New York, nur Übernachtung, 7th Avenue nahe Penn Station
 15 Tage Kreuzfahrt Venedig, Kusadasi, Santorini, Valetta, Venedig auf der NORWEGIAN JADE.

Ich glaub': Ich verbringe auch den nächsten Sommer auf LEVJE.
                                    _______________________________________________________________

Und wenn Ihnen diese Geschichte gefallen hat:

Der Film über meine erste Reise:
Als Download und auf DVD:

                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.



                        Sie möchten gerne jeden neuen Artikel von Mare Più bei Erscheinen erhalten: 
                        1. Einfach E-Mail-Adresse oben rechts bei "News & neue Artikel... eintragen". 
                        2. Bestätigungsmail von FEEDBURNER abwarten.
                        3. Den Link im FEEDBURNER-Mail einfach anklicken.


Mittwoch, 10. April 2019

Alderney. Die Insel der vergessenen Festungen.


Es wird Zeit, die Geschichte meiner Einhand-Segelreise von Sizilien 
 bis Südengland um die Westküste Europas zu Ende zu erzählen. 
Nach den Balearen, Gibraltar, Portugal, Nordspanien und der Nordküste der Bretagne 
erreichte ich im September 2018 die Kanalinseln Guernsey und Alderney. 



Die Kanalinseln haben es in sich. Schon der Weg von Guernsey nach Alderney, zur nördlichsten der britischen Inseln im Ärmelkanal, war ein Abenteuer. Von Guernseys Haupthafen setzte starker Strom nach Norden. Soweit so gut. Doch das Fahrwasser ist mit Klippen und Sandbänken gespickt. Und weil Hochwasser war, sah man sie nicht, sah nur die dünnen Stangen im Wasser, die sie markierten und verrieten, wie stark die Strömung wirklich war: Es war, als stünden die Stangen nicht im Meer, sondern in einem schnell fließenden Fluss. Fast 10 Knoten betrug unsere Geschwindigkeit, wir schossen an den Stangen vorbei, ich hatte alle Hände voll zu tun, um ihnen und den darunterliegenden Untiefen bloß nicht zu nahe zu kommen. Ich war bei schwachem Wind unterwegs - wie möchte es in diesem tückischen Revier erst bei Starkwind zugehen? Wenn Wind gegen Strom zwischen Untiefen und Klippen hohe Wellen aufwerfen würde, wäre Manövrieren unter Segeln in diesem Revier bei einem Tidenhub von 7 Metern tollkühn. 

Eine Stunde nördlich St. Peter Port wird das Fahrwasser freier. Ich hatte in St. Peter Port herumgetrödelt, an der in unruhigem Wasser liegenden Tankstelle Levje mit zollfreiem Diesel bis zum Rand betankt, vor dem Hafen fotografiert. Das rächte sich jetzt, das Zeitfenster, in dem der Strom mit uns war, schloss sich. Als er gegen uns drehte, verlangsamte sich meine rasche Fahrt, plötzlich krochen wir nur noch mit zwei Knoten dahin.



Alderney ist keine drei Stunden von Guernsey entfernt, als ich näherkam, hatte ich einen markanten Felsen zur Linken, die Insel Ortac, die aus der Ferne aussah wie ein mit Puderzucker bestäubtes Stück Schokokuchen. Vogelschwärme umkreisten ihn, und was nach Puderzucker aussah, waren Massen brütender Seevögel. Doch was es mit ihnen auf sich hatte, das sollte ich erst in Alderney erfahren.


Nicht anders als der Vogelfelsen Ortac ist Alderneys Haupthafen Braye Baye ein einsamer Ort, auch wenn dort 40 Yachten unter der britischen Festungsmauer lagen. Verlassenheit liegt über allem. Tim, mein munterer Motorradverleiher aus Guernsey, hatte mir von Alderneys eigenartiger Stimmung berichtet. In Jersey sei er geboren und aufgewachsen. Auf Guernsey lebe er mit seiner Familie seit zwei Jahrzehnten. Die Inseln in der Nachbarschaft, Herm und Sark würde er gut kennen. Aber nach Alderney sei er noch nie gekommen.

Braye Bay ist von einer ungewöhnlich langen und hohen Mauer eingefasst. Es ist keine der modernen Molen aus hellen Betonpylonen, sondern eine alte Mauer aus jenen düsteren Quadern, als wäre dies Alderney Schauplatz einer Episode aus Game of Thrones. Und als gäbe es Klippen und gefährliche Hindernisse rund um die Kanalinseln nicht genug, läuft die Mauer der Braye Bay unter Wasser unsichtbar weiter. Ihr Sockel zieht sich noch einmal so weit nach Nordwesten. Ich getraute mich nicht, einfach drüber hinwegzufahren, sondern folgte vorsichtig dem offiziellen Weg in den Hafen. Anlegen kann man in Bray Bay nicht. Stattdessen liegen entlang der Mauer Bojen für die Yachten aus, die hier Unterschlupf suchen. Ich wollte lieber näher ans Ufer heran, um hinüber an Land nicht weit rudern zu müssen, und lasse Levjes Anker vor dem langen Sandstrand fallen - keine leichte Übung: Wieviel Kette muss man in einem Revier mit 7,80 Metern Tidenhub stecken, um bei jedem Wind sicher zu liegen?

Ich ruderte in meinem winzigen Dinghi an Land, vorbei an vertäuten Holzkäfigen, die im Wasser treiben, während die Besatzung eines Trawlers seinen Fang in die Käfige entleert: Seespinnen, Seekrabben, die zu Hunderten in der treibenden Kiste auf ihren Abtransport warten. Mein Dinghi zog ich den langen Strand weit hinauf. Ebbe hatte eingesetzt, Geruch von Seetang und rottendem Seegras, von Salz und Fäulnis, ich stapfte durchs hohe Gras hinter dem Sandstrand und begann meine Wanderung über die Insel unterhalb des alten Forts. Neben der Straße laufen Gleise einer Schmalspurbahn, sie führt hinauf in die "Quarries", die alten Steinbrüche


auf der anderen Seite der Insel, wo man vor eineinhalb Jahrhunderten die Quader zum Bau von  Hafenmauer und Hügelfestung gewann. Heute rumpelt hier an seltenen Tagen eine kleine Diesellok mit zwei ausrangierten Waggons der Londoner U-Bahn mit Touristen entlang, doch davon ist jetzt weit und breit nichts zu sehen. Die Insel, auf der fast 2.000 Menschen leben, scheint an diesem Septembertag verlassen. Ich folgte der schmalen Straße durch das Kiefernwäldchen hinüber auf die andere Seite der Insel, sah in der Ferne den Hochbunker, es ist nur einer von vielen, den deutsche Truppen im II. Weltkrieg hier errichteten.


Dann erreichte ich mein Ziel, die Longy Bay auf der südöstlichen Seite Alderneys. Sie war lange Zeit Alderneys Hafen: ein sich entlang der Bucht dehnender Sandstrand mit dem Fort du Raz auf der vorgelagerten Insel, zu der ich jetzt bei Ebbe hinübergehen könnte. Aber deswegen bin ich nicht hier. Die Küste der Normandie ist zum Greifen nah, nur getrennt durch den Kanal, die Alderney Races mit seinen tückischen Strömungen. Nein, ich bin hier wegen des alten römischen Forts in der Longy Bay, das sich hier befinden soll. Ein eineinhalb Jahrtausende altes Überbleibsel,



gut erhalten, als hätten die Römer es gestern verlassen. Es liegt wenige Schritte neben dem Strand und neben dem deutschen Bunker. Ein einfaches Steingeviert, es sieht spätrömisch aus, mit der diagonal vermauerten Steinreihe in der oberen Reihe. Ich kenne derlei Schmuck aus einem ganz anderen Teil der Welt, aus dem westgriechischen Preveza und der byzantischen Mauer von Nikopolis. Doch dieses Kastell ist klein, gerade 30 x 30 Meter misst es, und auf den ersten Blick sieht man, dass es in Zeiten unsicheren Zeiten errichtet wurde, nicht mehr aus den trutzigen Quaderblöcken der frühen Kaiserzeit, als Rom vor Kraft und Sklaven strotzte, sondern aus einfachen Feldsteinen. Eine Fluchtburg, in der Menschen Sicherheit suchten, nicht die trotzige Burg von Eroberern, um aller Welt ihre Herrschaft zu demonstrieren. Auch wenn die Zeiten unsicher waren, ist es streng rechteckig gebaut, nach den Vorbildern am Hadrianswall in Nordengland und nicht willkürlich, wie mittelalterliche Wehrmauern es oft sind: Ein Rechteckt mit gerundeten Ecken. Ein einziges Tor nach Norden, mit einem weißen Holzgatter.



Die Rückwand des Kastells hat man als Rückwand für das viktorianische Herrenhaus genutzt. Weil das Holzgatter am Eingang steht halb offen, betrete ich das Gebäude, nicht ohne vorher laut zu rufen. Aber niemand zeigt sich. Und so streife ich herum in der alten Festung. Neben dem Herrenhaus steht ein deutscher Bunker, als ich mir dessen Eingang näher ansehe, bin ich elektrisiert: Über dem Eingang ist das Relief einer Pflanze in den Beton eingelassen. Ich erkenne die Pflanze sofort, auch an diesem abgelegenen, einsamen Ort auf Alderney stolpere ich über meine eigene Geschichte, meine Vergangenheit.


Die Pflanze ist ein Edelweiß. Ein Abzeichen, das ich einst selber an der Mütze getragen hatte, 1980, nach dem Abitur, als ich in einer Kaserne vor den Bergen meinen Wehrdienst geleistetet hatte. Das Abzeichen der Gebirgstruppe. Links oben erkenne ich eine Jahreszahl - deren erste drei Ziffern kann ich lesen. 1942? Warum waren sie hier gewesen?

Ich bin noch dabei, das Symbol zu fotografieren, als ein junger Mann vor mir steht und mich streng ansieht. Er ist Anfang vierzig, drahtig, man sieht ihm an, dass er viel draußen ist, doch er ist kein Militär, als er mich anspricht: Dies sei alles nicht öffentlich, sagt er. Er wohne im Herrenhaus. Was ich hier täte. Ich frage ihn, ob er denn die Pflanze dort oben kennen würde? "Edelweiß". Er spricht das Wort mit starkem englischen Akzent aus, er hieße Justin. Für was das Zeichen steht, weiß Justin nicht. Ich erzähle ihm von den Gebirgstruppen. In meiner Heimat vor den Bergen wurde die Erinnerung an die Gebirgstruppe stets hochgehalten, damals jedenfalls, in und um die Kaserne. Doch wenige Jahre später sehr umstritten. Einige Einheiten eben dieser Gebirgstruppe hatten schlimme Kriegsverbrechen begangen, hatten auf der westgriechischen Insel Kephallenia 4.000 entwaffnete italienische Kriegsgefangene feige niedergemäht, ein Verbrechen, ohne Not begangen, bei dem mir noch heute der Atem stockt. Es gäbe einen Film darüber, "Correllis Mandoline". Justin sieht mich an: Er kenne den Film. Dann denkt er einen Augenblick nach. Und erzählt. Ja. Die Deutschen. Sie wären hier auf Alderney nach dem Krieg nicht beliebt gewesen. Als sie die Insel besetzten, wären die Bewohner Alderneys kurz zuvor nach England evakuiert worden, zu ihrer eigenen Sicherheit. Die Besatzer fanden eine leere Insel mit verlassenen Häusern vor. Doch als die Bewohner nach Kriegsende im Dezember 1945 zurückkehrten, erkannten sie ihre Insel nicht wieder. Überall Bunker, Tunnels, Geschütze. Fenster, Türen, Möbel: Was brennbar war, war verschwunden und verheizt worden. Die Deutschen hätten hier vier Lager errichtet: zwei für Soldaten. Je eins für die über 6.000 polnisch-russischen Kriegsgefangenen und separat die jüdischen Zwangsarbeiter, man hielt sie hier wie Sklaven. Sie bauten Bunker und betonierten Wehrmauern, legten Hindernisse und vergruben über 30.000 Minen an den Stränden. Alderney, die verwaist erscheinende Insel, ist also gleich dreifach eine Festungsinsel. Erst die Römer. Dann die Briten mit der langen Mauer. Zuletzt die Deutschen. Für die ersten war die Insel ein Ort der Zuflucht. Für die letzten der Ort, an dem sie belagert wurden, die britische Flotte hatte die Insel einschlossen, kein Fisch schlüpfte mehr durch. Hunger herrschte. Die Winter waren kalt. Die Zustände auf der Insel, vor allem in den Lagern, müssen schrecklich gewesen sein. Über 400 Gräber mit Zwangsarbeitern hätten die Einwohner gefunden. Wie so oft zahlten die Zeche die Falschen.

Und die Vögel auf der Felseninsel Ortac draußen in der Bucht? Justin erzählt, sie wären "Gannets", Basstölpel. Vögel, die wie Kormorane unter Wasser nach Fisch jagten. Aber anders als die Kormorane, die die menschliche Zivilisation suchten und brauchten, blieben die Basstölpel ihr fern und für sich. Lebten an abgelegenen Orten, blieben von Menschen autark. Ortac sei ihre größte Kolonie überhaupt auf der Welt, er sei Naturschützer, ihretwegen sei er da. Justin schaut kurz hinauf auf das Edelweiß und lacht. Die Alten auf Alderney sagten, die Gannets wären gekommen im Jahr, in dem die Deutschen kamen, 1940. Vorher hätte es keine gegeben. Damals hätten sie auf dem Felsen ihre Kolonie gegründet.

Ja, er sei öfter draußen, auf Ortac, um Vögel zu beringen. Der Felsen sei steil, das Anlegen sei schwierig, und die Arbeit oben zwischen den schreienden Vögeln mit dem dicken grauen Schnabel erst recht. Was mir aus der Ferne wie weißer Puderzucker erschienen war, seien Berge von Kot, der die Insel bedeckt, durch den man nur hinaufgelänge, wenn es zwei Tage nicht regnete, denn sonst seien die Felsen zu rutschig, wegen des hoch liegenden Kots. Es herrsche fürchterlicher Gestank. Doch Justin erzählt auch davon, wie der Vogelkot Wunden an seiner Hand schneller heilt, wenn sie mit ihm in Berührung kam.

Als ich mich nach einer halben Stunde von Justin verabschiede und entlang der verlassenen Gleise hinüber wandere zur Braye Baye, bin ich nachdenklich. Am höchsten Punkt der Straße, in einem Kiefernwäldchen, mache ich eine Pause, schaue hinüber zum britischen Fort auf dem Hügel. Alderney ist wahrhaft eine vergessene Insel. Vielleicht ist gerade deshalb die Vergangenheit hier lebendiger als auf den vielen anderen Inseln, auf denen ich war.





Weitere Berichte über meine Einhand-Reise von Sizilien nach England finden Sie
in der Navigation rechts außen in den Monaten Mai 2018 bis Oktober 2018.