Samstag, 14. Juni 2014

Der Mensch und seine Sachen: Das Schiff, das die COSTA CONCORDIA wieder richtig rum drehte.

Die MICOPERI TRENTA im Hafen von Ortona: nur etwa 120 Meter lang, am Bug mit einem gelben Drehkran und am Heck mit einem riesigen blauen, festmontierten Kran ausgestattet. In der Mitte die Hubschrauber-Landeplattform.
Das ist die MICOPERI TRENTA. Eigentlich ist sie offiziell "Pipeline-Verlege-Plattform". Sie ist das Schiff, das als Arbeitsplattform diente, um die die vor eineinhalb Jahren gesunkene COSTA CONCORDIA vom Grund des Meeres wieder aufzurichten. In diesem Filmbericht über die Bergung ist die MICOPERI TRENTA vor Giglio zu sehen.

Schon bei der Einfahrt in den Hafen von Ortona fällt der riesige blaue Kran von Weitem ins Auge. Ortona selbst ist auf der Hangkante erbaut, hoch oben über dem Hafen. Man sieht Ortona links im Hintergrund. Aber der blaue Kran reicht spielend hinauf bis auf die Ebene, auf der die Häuser stehen. Es ist echte, richtige Hardware, die da vor uns gewaltig im Hafenbecken liegt. Um sich die Dimensionen klarzumachen: das Steuerhaus des gelben Krans ist das klitzekleine gelbe Häuschen, das man oben etwas über dem Fuß des Kranauslegers sieht.


Die Firma MICOPERI hat ihren Sitz in Ravenna, aber die Operationsbasis von MICOPERI ist Ortona.  Sie wurde gegründet unmittelbar nach dem II. Weltkrieg, um die Schiffahrtswege von Schiffswracks zu säubern und war dann in den siebziger Jahren vor allem mit der Nachkriegs-Säuberung des Suez-Kanals beauftragt. Endlich mal einer, der aufräumt.
Die Firma unterhält heute etwa 13 Schiffe, um Spezialaufträge auszuführen: Leitungen im Meer verlegen, Bohrplattformen ins Meer stellen, Dinge eben auch wieder aus dem Meer holen. Die MICOPERI TRENTA ist das größte und leistungsfähigste Schiff der MICOPERI-Flotte. Die Firma selbst tritt auf ihrer Website relativ bescheiden auf: keine markigen Sprüche, wenig Marketing, eine nüchterne Aufzählung, dessen, was man macht. Und kann.

In Ortona finden wir einen Liegeplatz etwa 50 Meter von der MICOPERI TRENTA entfernt, in der hiesigen LEGA NAVALE. Hier in Ortona sind es nicht die Kirchenglocken, die mich wecken. Es ist das Geräusch der Pressluft, mit der der gewaltige Dieselantrieb des gelben Bugkrans angeworfen wird. In der Luft ist ein Pfeiffen und Jaulen, wie vom überdimensionierten Druckluftschrauber einer Reifenwerkstatt. Dann den ganzen Tag über metallisches Schlagen, Hämmern, dumpfes Wummern. Und das Geräusch des Motors des gelben Bugkrans, auf dem "CLYDE" steht. Ida, 15 Jahre alt, die diese Woche zusammen mit Sven mitsegelt, fragt natürlich sofort nach "BONNIE". Aber unsere Antwort fällt mager aus. 


Auch sonst ist alles auf der MICOPERI TRENTA eine Spur größer als anderswo: Um die Trossen für den Haken des gelben Bugkrans auszubringen, sind drei Mann in orangen Overalls eine halbe Stunde beschäftigt. Sie wuchten und zerren zu Dritt die schweren Stahlseile aus dem Unterdeck hervor und legen sich mächtig ins Zeug, bis das Trumm, nur ein Stahlseil, nur eins, am Haken hängt. Alles geht langsamer zu, achtsamer, und mit viel mehr Bedacht als anderswo, um mit den riesigen Kräften umzugehen. Es erfordert schon ungeheuer viel Vorausplanung und Vorausdenken, um zu überlegen, wo und wie man jetzt welche fast armdicke Stahltrosse einhängen muß. Allein der drehbare Bugkran ist mit seinem Haupthaken in der Lage, etwa 250 Tonnen zu heben: das sind knapp 200 AUDI A3. 

Auch eine Krankenstation hat die MICOPERI TRENTA, und ich denke insgeheim dabei an Carlo, den Werftbesitzer aus San Giorgio, den ich vor wenigen Tagen besuchte. Und der mir seinen dick bandagierten Daumen vor die Augen hielt, oder das, was vom Daumen noch übrig geblieben war: Er habe auf der Werft einfach eine Sekunde nicht aufgepasst, sagte Carlo, nur eine Sekunde lang. Und Carlo ist ein erfahrener Mann.

Und das ist nur der kleinere Kran. Das blaue Ungetüm am Heck, fest montiert, kann 1.270 Tonnen heben. Das sind ungefähr drei komplette ICE-Züge. Um die COSTA CONCORDIA hochzuheben, hätte das aber trotzdem nicht gereicht. Hier war mehr Technik und Physik im Spiel. Die Leute auf der MICOPERI TRENTA bauten riesige Schwimmer an das gesunkene Schiff, die dann leergepumpt und innerhalb weniger Stunden das Schiff wieder aufrichteten.


Mit den Vorbereitungen für das Aufrichten der gesunkenen COSTA CONCORDIA war die MICOPERI TRENTA ungefähr ein halbes Jahr beschäftigt  Aber das schwierige Manöver klappte, und die COSTA CONCORDIA schwimmt nun wieder, dank der angebrachten Schwimmkästen, auf denen sie zu ihrer Verschrottung nach Genua oder in die Türkei verbracht werden soll, Ende Mai 2014 war das noch nicht klar.



Wer sich noch mehr für die Technik interessiert: hier das Datenblatt der MICOPERI TRENTA. Am meisten hat mich darin das Ankergeschirr des Schiffes beeindruckt: 10 Anker, jeder einzelne mit einem Gewicht von 9 (!) Tonnen, die die schöne Bezeichnung "Delta Flipper" tragen. Ich glaube, ich hätte auch gerne etwas an Bord von Levje, auf das ich deuten und cool sagen könnte: Das ist übrigens mein "Delta Flipper".  Aber Levje würde sinken, wenn man auch nur versuchen würde, einen der zehn "Delta Flipper" an Deck abzulegen.

Wer die MICOPERI TRENTA sehen will: Sie liegt noch bis etwa 20. Juni 2014 in Ortona, ihrem Heimathafen. Und ist dann unterwegs nach Ägypten. Wer weiß, was es da aus dem Meer zu holen gibt.





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