Meine diesjährige Segelreise führt mich seit Juni
die englische Südküste vom Solent nach Westen zu den Scilly Isles. Von dort kam ich in einem langen Schlag im River Suir in Waterford an und segle nun von Dublin
an der irischen Küste entlang langsam nordwärts,
Richtung Nordirland und Schottland.
Richtung Nordirland und Schottland.
Was macht man eigentlich an einem x-beliebigen Donnerstag in Dublin?
Man könnte sich das BOOK OF KELLS ansehen. Oder durch eines der Dubliner Museen treiben lassen. Oder sich einfach mal hinsetzen und alle Gedanken aufschreiben, die einem an diesem Donnerstag durchs Hirn schießen. Vom Ersten bis zum Letzten. Alle nacheinander. Den ganzen Strom eines Bewusstseins aus Assoziation, Erinnerung, Vorurteil.
Aber halt. Das hat doch schon einer gemacht? Ausgerechnet hier in Dublin, und ausgerechnet ein Ire. James Joyce beschreibt in seinem ULYSSES einen einzigen Tag, den Donnerstag, den 16. Juni 1904, an dem er seine Helden auf ihren Gängen und ihren Gedanken kreuz und quer durch Dublin begleitet. Den Anzeigenverkäufer Leopold Bloom ebenso wie den jugendlichen Stephen Dedalus. Was diesen Tag den Iren so prominent macht, dass sie nur wegen dieses Buches aus dem 16. Juni einen Feiertag machten, den Bloomsday, der ihnen genauso wie der St. Patricks Day einen Eintrag im Kalender wert ist.
Man könnte aber auch hinauffahren in den Nordosten Dublins an die Küste und an die Strände von Howth und Malahide, wo man eben hinfährt wie die Dubliner es an einem Wochenende tun. Howth liegt eigentlich auf einer Halbinsel, die nur über eine schmale Sandbank oben im im Foto mit dem Festland verbunden ist. Howth heute ist vor allem ein Fischereihafen,
was nicht weiter bemerkenswert wäre, denn Fischer gibt es wirklich in jedem irischen Hafen.
Aber unter den vielen Berufsständen, die ich mir im Leben genauer ansah, was denn nun der Richtige für mich wäre, beeindruckten mich Fischer, weil es einfach der wandlungsfähigste und anpassungsfähigste Berufsstand ist. Vielleicht, weil es einer der ältesten ist? Wenn wir das Wort Fischer hören, denken wir an jemanden, der halt einen kalten Fisch aus dem kalten Wasser zieht. Schon richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob jemand netzweise Sardinen oder Makrelen in Dosen schaufelt. Oder ob er sich auf Krabben und Hummer und Seeteufel und Austern spezialisiert hat. Für die, die eben gerne sowas essen.
In Howth haben sie sich auf Letzteres spezialisiert, und das mit ungeheurem Raffinement. Die "Fishmonger", die Fischhändler sind hier einer neben dem anderen, man wähnt sich im Paradies. Natürlich gibts bei ihnen auch Cod oder Haddock, den Kabeljau für "Fish 'n Chips". Aber neben Hummer, Langusten und Austern entdecke ich im Regal der Fischhändler ebenso Brie de Meaux, erlesenen Roquefort oder Stilton. Mit der in Butter geschwenkten und leicht mit Pfeffer bestreuten Hammelniere wie James Joyce' Held Leopold Bloom gibt sich in Howth keiner mehr zufrieden, hier ist schlemmen angesagt. Und die Zeilen auf dem Fischrestaurant lassen den genußsüchtigen Segler natürlich juchzen, es könnte kein schöneres Motto geben für einen Tag unter Segeln:
"Where there's always a breeze and there's never a gale
and the fish jump on board with a swish in their tail
and lie at your leisure, there's nothing to do
and the captain is below making tea for the crew."
Nein, auf die britische Küche ist auch kein Verlass mehr. Sie ist weit besser als der miese Ruf, der ihr vorauseilt, jedenfalls verblüfft sie mich manchmal heftig. Howth ist ein kulinarisches Paradies. Und ein
landschaftliches dazu, denn vor der Küste liegt die unbewohnte Insel Ireland's Eye, vor der wir ankern und den Strand hinauf laufen nach oben, auf den Gipfel von Irelands Eye, wo man eine herrliche Aussicht hat. Auf Howth, den Fischerort. Aber auch auf die einzigen
beiden Gebäude auf der Insel oder das, was von ihnen übrig geblieben ist. Den Ruinen des kleinen Kirchleins aus dem 8. Jahrhundert. Und dem Genuesenturm, einem der vielen "Martello-Towers" auf einem Felsvorsprung, der die irische Küste einst vor der Landung napoleonischer Truppen bewachen sollte.
Martello-Tower gibt es viele vor Dublin. Und eigentlich kam ich ja nur nach Howth, weil hier zwei von ihnen stehen, der eine eben auf der unbewohnten Insel und der andere in Howth selber. Ich bin auf der Suche nach dem einen Martello-Tower, auf dem das erste Kapitel des ULYSSES spielt, in dem sich der unnachahmliche Buck Mulligan im Morgenmantel auf ebenso unnachahmliche Weise rasiert.
Nein, gelesen haben muss man den ULYSSES nicht. Aber dies Dublin lieben, dies Dublin mögen, das fällt einem schon ungemein leichter, wenn man Abends an Bord mit dem ULYSSES in der Hand nach Austern aus Howth und einem Absacker-Bier einschläft.
Man kann seine Tage auf jeden Fall unnützer verbringen als in Dublin.
Vor allem x-beliebige Donnerstage.
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