Samstag, 5. August 2017

Kolocep. Kroatiens drittletzte Insel.







Das Ankommen entscheidet, ob wir uns wohlfühlen an einem Ort oder nicht. Es sind oft nur Sekunden. Die Insel Kolocep erreichte ich am Freitag Abend. Gar kein guter Zeitpunkt jetzt im August. Die Bucht war voll. Wer am folgenden Samstag abreist, will noch einmal alles, alles erleben. Mutwille. Lärm. Übermut. Die Bucht vor dem Sandstrand voller kleiner Motorboote. Der Ankerplatz vor den Klippen voller Charterer und Eignerschiffe. Der Platz vor dem Anleger voller Ausflugsschiffe. "Dubrovnik Excursion" steht auf den meisten: Wer seinen Urlaub in Dubrovnik verbringt, der will auch auf die davor liegenden Inseln Lokrum und eben nach Kolocep. Lärm, Gewummer, Techno-Bass.

Eigentlich bin ich genervt. Aber dann bleibt mein Blick haften auf ein paar Dingen. Der Felskante vor dem Hafen mit dem türkisen Wasser. Der kleinen verfallenden Villa am Ufer in der Abenddämmerung. Der Villa am gegenüberliegenden Ufer. Ich beschließe zu ankern und einfach zu bleiben. Trotz Lärm. Ich sehe nicht, wie es jetzt gerade ist. Sondern wie es sein könnte.

Beim Segeln wie im Leben ist es kein leichtes, an einem Ort sesshaft zu werden. An einem Ort auf Levje zu bleiben bedeutet:
Levjes Anker vor der nach Norden schützenden Felskante fallen lassen;
unter Motor Richtung Ufer ziehen;
drei Festmacher auf etwa 70 Meter Länge zusammenknoten;
ins Wasser steigen;
Richtung Ufer schwimmen, das Ende der zusammengeknoteten 70-Meter-Leine in der Hand hinter mir herziehend;
samt Leine auf einen Felsen klettern;
die Leine um den Felsen schlingen und verknoten;
mich an der Leine durchs Wasser zurück zu Levje zu hangeln;
und dann mit Kraft den Festmacher Hand über Hand dichtholen, bis Levje fest vertäut zwischen ihrem Anker und dem Felsen als Poller liegt.

Nicht so schwer. Aber bei fast 40 Grad und salznass nicht einfach. Das dauert eine halbe Stunde. Aber dann schalte ich Levjes Motor ab. Und habe Zeit für Kolocep. Auf der Landkarte ist Kolocep Kroatiens drittletzte Insel nach Süden, von insgesamt 1.200 Inseln, die sich entlang seiner 500 Kilometer langen Küste hinziehen. Danach? Kommen nur noch Lokrum, die Insel vor Dubrovnik. Und die Inseln vor Cavtat, der letzten kroatischen Stadt vor Montenegro und der Bucht von Kotor.



Kolocep ist nicht groß. Angeblich leben 150 Menschen auf der kleinen Insel. Sie tun das überwiegend im Sommer. Und wenn es in früheren Zeiten hieß, sie ernährten sich vom Fischfang und etwas Landwirtschaft, dann leben sie heute vom Tourismus. Allein in dem kleinen Ort mit seinen 20 Häusern zähle ich: das größere Resort am Sandstrand. Verschiedene kleinere Hotels für Individualreisende. Ein Restaurant mit dem Namen CULINARIUM und der Zeile ON RESERVATION ONLY. Eine einfache Kneipe am Strand gleich daneben, nett anzusehen mit den Sonnenschirmen an der einzigen Pier und den entspannt sitzenden Menschen. Doch was ihre Preise angeht, nicht ihr Angebot, kann es die kleine Kneipe am Strand von Kolocep mit der legendären Sansibar auf Sylt aufnehmen. Was solls. Dubrovnik eben.



Ein paar Schritte weiter stehe ich im Dorfladen. Und der tuts mir sofort an. Ein paar Strohhüte im Regal. Ein paar Fläschchen 30er Sonnenmilch. Zwei Stauden aufgeplatzte Bananen. Chipstüten. Abgepackter Schinken und bunt leuchtende Energy-Drinks. Was der Reisende für den Strand halt so braucht. Eine Omi steht hinter dem Thresen, keck zeigt sie die entblößte Schulter, man trägt das heut' so. Nein, "Kruh", Brot, habe sie keins. Erst wieder morgen Früh halb zehn, wenn die erste Fähre kommt. Aber leer möchte ich nicht gehen. Also nehme ich drei Dosen Bier mit. Jeder Sommer hat



seinen Drink. Und in diesem Sommer hat meine Frau an Bord neben Wein und Proseco etwas neues eingeführt. Bier, mit Mineralwasser verdünnt. Ein genialer Durstlöscher, sagt meine Frau. Heute Abend also zum Sternenhimmel ein "Armenbier".



Kolocep an einem Freitag Abend im August. Der Gesang aus dem Resort gegenüber hallt über die Bucht. Dinghis, die in der Dunkelheit zu ihren Schiffen eilen. Leben in der Bucht.

Als ich am um halb acht am nächsten Morgen an Deck gehe, ist alles leer. Die Pier. Die Bucht. Kolocep, leergefegt, ist, wie ich ahnte, dass es sein könnte.

Dann werde ich mal hinüber rudern. Und Brot holen gehen.










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