Mittwoch, 24. Juni 2015

Durch die südöstliche Ägäis: Die vergessenen Inseln: Die Palmen von Vai.

Typische für die menschenleere Ost-Ägäis: Die Insel Kasos zwischen Karpathos und Kreta. Karg, kahl - ein heißer Stein im tiefen Blau. Dass die Ost-Ägäis nicht überall so ist, zeigt der nachfolgende Beitrag.
Anders als am Vortag weht so gar kein Wind, als ich von Karpathos am frühen Morgen ablege und weiter Richtung Westen segle. Vorbei an dem Wrack des gestrandeten Frachters, der an der Südspitze von Karpathos zwischen den Felsen liegt. Niemand beseitigt das Wrack. Die Jahre, Wind und Wellen kümmern sich darum. Vorbei an der Insel Kasos, die karg und kahl im Meer liegt. Ein heißer Stein, ein gewachsener Fels im tiefen Blau, auf dessen Hügelkuppe einzig ein Haus steht. Sonst: Nichts.

Das Meer ist unbewegt an diesem Tag. Ein leises Lüftchen an der Südwest-Spitze von Kasos, das ich ausnutze und die Segel setze. LEVJE, die Flautenläuferin: aus einem Hauch an vorlichen Wind holt sie wieder einmal knapp fünf Knoten heraus, wir halten aber zu weit südlich, Kreta ist noch über 30 Seemeilen entfernt. Minute um Minute halte ich Ausschau: dass der leise Wind, der um die Südwestspitze von Kasos herumhaucht, langsam nördlicher drehen möge. Dass sich endlich wie jeden Tag die Schaumkronen in Nordwest zeigen, die den Wind ankündigen. Dass er stärker werden, endlich auf Nordwest drehen möge. Meltemi, wo bist Du heute?

Er läßt sich Zeit. Brav dreht er nach Nordwest. Und bleibt heute eben ein Hauch, der uns langsam übers unbewegte Wasser zieht, dort, wo sonst Starkwind bläst. Na dann halt langsam.


Kreta steigt am Nachmittag langsam aus dem Meer auf, als der Meltemi endlich kommt. Aber statt karger Felsen leuchtet die Insel grün, die kleinen vorgelagerten Inseln im Norden sind mit niedrigem Grün bewachsen. Je näher wir kommen, desto mehr habe ich den Eindruck: dies muss Irland sein, die grüne Insel. Oder Schottland. Alles ist grün, aus der Ferne sieht es aus wie Gras und Moos, die Ostküste Kretas: kein kahler Fels, sondern grün.

Unseren Ankerplatz finden wir in der Abenddämmerung. Weil die Bucht von Vai mit Bojen gesperrt ist, ziehen wir in der Dämmerung eine Bucht weiter nördlich. Und im Morgenlicht dann dies:



Die Palmen von Vai. Die Legende erzählt: Piraten, die in der Bucht ankerten, hätten die Früchte mitgebracht und ihre Kerne am Strand ausgespuckt. Wahr daran ist, dass es die Kretische Dattelpalme Phoenix Theophrasti nur einmal gibt auf der Welt: nämlich hier im Osten Kretas. Früchte tragen sie keine mehr - oder nur ungenießbare. Sie sind vermutlich Jahrhunderte alt - jedenfalls an der Stelle, an der ich sie finde: Stämme entwachsen verfallenden, undurchdringlichen Strünken von meterdickem Umfang, fast ist es, als wäre mitten in jedem der Strünke eine Behausung für einen zotteligen Einsiedler. Aber in die Behausung hinein kann man nicht, so dicht wachsen die Stämme daraus empor. Ein Zauber geht von den Palmen aus, als ich allein am Sandstrand liege: Ein Knacken, wenn der Wind durch die langen Palmwedel streift. Ein Rascheln, wenn die gefiederten Arme aneinander reiben. 
Es ist: als würden sie etwas erzählen, die Palmen von Vai, etwas in ihrer Sprache, das ich nicht verstehe. Von den Piraten, die sie von weither mitbrachten. Von der Basilika, von der nur noch Grundmauern am Hang stehen. Deren marmorne Türschwelle mit ihren halbkreisförmigen Riefen vom christlichen Leben der Menschen vor Hunderten Jahren erzählt, bis Kreta osmanisch wurde. Von den Hippies, die in den 70ern ihr Lager trommelnd am Strand von Vai aufschlugen, die Palmwedel als Brennholz nutzten, bis die Kommune einschritt. Und den Versuch eines anderen Lebens vom Strand von Vai verbannte.

Vielleicht erzählen sie von alldem: Die Palmen von Vai.



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