Freitag, 29. Mai 2015

Menschen am Meer: Feisal, der Fischausnehmer auf dem Fischmarkt vonFethiye. Oder: Wie man seinen Job mit Würde macht.


Mitten im bunten Lichtermeer des Fischmarkts von Fethiye hat auch Feisal seinen kleinen Fischstand. Eigentlich übersieht man Feisals Stand leicht, denn ganz in der Mitte ist der große Stand, das Rondell, aus dem heraus 20 Fischverkäufer aus 14 Ständen heraus dem Besucher ihre Waren lauthals anbieten, die der Kunde dann ein paar Meter weiter in ein Restaurant seiner Wahl zur Zubereitung trägt - ich schrieb darüber.

                                           Weiterlesen bei: Wie der Zackenbarsch doch noch auf den Grill kam. Hier.



Feisal also hätte ich fast übersehen an seinem kleinen Stand. Seine Auslage ist kleiner, und er und sein Helfer sprechen auch die unschlüssigen Käufer nicht an wie die übrigen Fischkäufer. Feisal kann warten. Und im Übrigen: hat Feisal immer etwas zu tun, im Gegensatz zu den Fischverkäufern, die ihr Geld mit guten Worten machen. Und dazwischen auf iPhone oder Zigarettenschachtel kucken.


Feisal ist Fischausnehmer. Den ganzen Abend über bringen ihm die Restaurants die Fische herüber, die die Kunden bei den Fischhändler gekauft haben. Im Minutentakt steht ein Küchenhelfer an Feisals Stand, stellt ihm wortlos eine hellblaue Tupperschüssel hin mit etwas drin, was bloß totes Tier und noch nicht Tafelfreude ist. Wortlos nimmt Feisal die Tupperschüsseln an, mal ist es eine Dorade, mal drei Wolfsbarsche, mal 15 riesige Garnellen. Wortlos weiß Feisal, was zu tun ist: Er nimmt aus, er filettiert, er schneidet in Scheiben, tranchiert, häutet, säubert, zerlegt. Entgrätet, entschuppt. Woher Feisal eigentlich weiß, wann er nur schuppen und ausnehmen, wann er filettieren muss, blieb mir an dem langen Abend, an dem ich ihn beobachtete, ein Rätsel. Worte fallen an seinem Stand wenige. Feisal ist beschäftigt. Vielleicht gibt es ja ein geheimes Signal, die Art und Weise, wie der Fisch in der Tupperschüssel liegt, die Feisal mitteilt, was diesmal zu machen ist. Vielleicht ist es aber auch so: Man kennt sich, Feisal und die Jungs aus den Restaurants.


Feisal ist konzentriert und mit Freude bei der Arbeit. Eigentlich ist es keine schöne Arbeit. Feisal hat die Hände stundenlang in eiskaltem fließenden Wasser. Den glitschenden Fischen die Gedärme aus dem Leib nehmen, ist ebenso wenig jedermanns Sache wie im eisigen Geglitsche kraftvoll mit scharfem Stahl zu hantieren. Doch Feisal macht es mit einer Kunstfertigkeit und Hingabe, die den Betrachter überrascht. Allein das scharfe Messer hält Feisal in gefühlt 22 verschiedenen Positionen in der Hand, je nachdem, ob er ausnimmt, schuppt, entgrätet oder filettiert: je nach Zweck liegt das Messer anders in seiner Hand. Es geht Ritsch-Ratsch, während Feisals Blick langsam über den Markt schweift, die Bewegungen kommen automatisch, er muss gar nicht mehr hinsehen, was er macht, die Bewegungen, in denen das scharfe Messer an der Hand vorbeigeht, sind lange trainiert. All dies erinnert mich an die beiläufig geübte Kunstfertigkeit, mit der venezianische Gondoliere die Gondola rudern. Es sieht einfach aus, ist aber sehr schwierig.

                                                                     Weiterlesen bei: Wie man eine Gondola rudert. Hier.
                                                                     Weiterlesen bei: Beim Meister der Forcòla. Hier.


Hinzu kommt, dass Feisal ja auch gar nicht wie ein Kellner, sondern wie ein König an seinem Stand steht und seine Arbeit verrichtet. Feisal trägt ein teures Hemd, eine geschmackvolle Cordhose und feine, hellbraune Slipper. Was er trägt, ist ein feiner Hinweis darauf, dass alles, was er macht, mit Bewußtsein macht, in jedem Augenblick bewußt tut. Schürze benutzt Feisal keine. Irgend so ein pseudo-praktisches, degradierendes Arbeitshosen-Etwas mit absurd vielen Taschen wäre fehl an ihm. Er hat die Ärmel seines Hemdes einfach aufgekrempelt, sauber und macht seine Arbeit. Und trotzdem: So sehr auch die Schuppen beim raschen Streifen des Messers in hohem Bogen umherfliegen mögen, so sehr auch Wasser und Fisch-Spritzer beim Ausweiden herumfliegen: Keine Schuppe landet auf Feisals Hemd, kein Fleck ist auf Feisals Cordhose, kein Tropfen fällt auf Feisals Slipper. Unverletzt und ohne Narben sind die gepflegten Hände.


Wie lange er das denn schon mache, frage ich Feisal. Über 32 Jahre, sagt er. Eigentlich sei er Fischer gewesen, aber irgendwie hätten sie halt auf dem Fischmarkt einen Fischausnehmer gebraucht, und so sei er halt Cleaner geworden. Als ich Feisal frage, wieviele Fische er denn in seinem Leben schon ausgenommen habe, stutzt er. Das habe er sich nie überlegt. Er weiß auch nicht, wieviele Fische er an einem Abend in der Hand hat, als ich versuche, mit ihm eine kleine Hochrechnung über sein Lebenswerk anzustellen. 16, schätzt er. Aber die habe ich alleine in der letzten halben Sunde schon gezählt. Wie merkwürdig, dass Feisals Können so gar nichts mit Zahlen und Mengengerüsten zu tun hat. Feisal macht einfach bewußt. Jeden Tag. An seinem kleinen Stand auf dem Fischmarkt von Fethiye, vom Nachmittag an, jeden Abend fast bis Mitternacht. Und, wie Feisal schmunzelnd sagt, noch zehn Jahre lang. 
Wer also will: der kann Feisal, den Fischausnehmer also noch eine zeitlang beobachten. Auf seinem kleinen, unscheinbaren Fischstand auf dem Fischmarkt von Fethiye.



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