Montag, 2. Januar 2017

Segeln im Winter (2): An Neujahr über die Adria nach Venedig. Und: Ein NEUES BUCH bei millemari.

Im Folgenden eine Beschreibung, wie es ist, 
mal zwischen Dezember und Januar auf der Nordadria
unterwegs zu sein, zwischen Triest und Venedig.

Foto: Katrin von Canal

Die Farben.
Es sind wieder einmal die Farben, die den Winter auf dem Meer in Italien ausmachen.

Wir befinden uns in dem kleinen Städtchen Marano an den Lagunen von Grado. Ein kleines Städtchen, erbaut über einer Festung im Wasser auf einer Schlickinsel, von der nichts geblieben ist. Mit Fabrikgebäuden, die längst keine mehr sind. Am Wasser steht die kleine Bar AL MOLO von Martina Zuttion. Es hat acht Grad. Es ist Nachmittag. Die Sonne scheint durch das Glas mit Tocai, den Martina dort ausschenkt. Die Welt: Sie dreht sich richtig rum an diesem 31. Dezember 2016.

Foto: Katrin von Canal



























Dass sie sich richtig rum dreht, hat aber mit den Farben im vergessenen Örtchen Marano zu tun. Die einfache Hauswand, deren Rot gierig sämtliche Rottöne des Sonnenlichts herausfiltert, herausquetscht, um gleich noch intensiver im Rot zu leuchten. Das Blau der Gezeiten, die langsam unter der rostigen Brücke hindurchschieben, Richtung Meer. Wieder einmal ist alles so viel intensiver für mich am Meer. Als wäre im Meerwasser irgendeine Substanz enthalten, die in meinem Gehirn jedes Mal wieder für einen Ausstoß von Glückshormonen sorgt. Irgendeine Stofflichkeit, die mich alles intensiver sehen, intensiver hören lässt. Selbst Händels Arien, die wir in der Silvesternacht vom Boot über den fast verlassenen Hafen senden: Sie klingen noch einmal so intensiv im Frosthauch über LEVJE.

Foto: Katrin von Canal

Die Sonne geht spät auf, erst Viertel vor acht. Nachts hat es im Hafen um die Null Grad. Ich oute mich, wenn ich zugebe, dass ich die Heizung nachts laufen lasse, bei Null Grad ginge es auch mit drei, vier Decken, aber die neue LEVJE, die ich nun seit einigen Monaten mein Eigen nenne, bietet einige Annehmlichkeiten für das Reisen im Winter. Es ginge auch ohne. Aber schöner ist "mit".

Viertel vor acht also. Ich schaue aus dem Fenster. Und: schon wieder Farben. Die Pinien am Ufer des kleinen Hafens MARINA DI SANGIORGIO. Sattes Kiefernnadelgrün, das sich vor den schneebedeckten Gipfeln im Norden erhebt. Die Alpen aus Süden, aus dem Friaul: Sie sehen anders aus als unsere Alpen in Bayern. Es hat einfach damit zu tun, dass die Sonne sie von Süden beleuchtet.  Im zarten Rot des Morgens sehen sie einfach aus wie Berge des Himalaya. Wie Berge, auf denen die Götter wohnen.

Wir trödeln mit Frühstück herum. Es wird elf, bis LEVJEs Motor in der Kälte anspringt und wir aus dem Hafen langsam hinausziehen durch einen dichtgedrängten Fischschwarm. So reglos und dicht stehen die Fische, als würden sie sich wegen der Kälte reglos aneinanderschmiegen, dass das Echolot plötzlich nur noch 1,70 Meter anzeigt, als wir über die Tausende Fischleiber des kalten Brackwassers hinausgleiten.

Foto: Katrin von Canal

Nach dem Ablegen: Wieder Farben. Über den Fluss hinaus Richtung Lagunen. Das Braun des Schilfs. Die Götterberge hinter uns. Ein kleines Fischerhüttchen ganz rechts auf einer Schlickbank. Und dann: Meine Lieblings-Meeresfarbe: Das Blaugrüngrau der nördlichen Adria. Ich versage es mir, nun wieder einmal darüber zu schreiben, über diese Farbe, die es nur an bestimmten Orten gibt: In der Nordadria. Vor dem Gargano. Und: Im Süden Siziliens. Überall dort, wo Flüsse bestimmte Gesteins- und sonstige Sedimente ins Meer spülen. Es ist, als ... nein! Ich sage jetzt nichts weiter darüber. Diese Farbe, weil sie eine der schönsten Farben des Meeres ist, haben wir auf millemari.'s neuestes Buch vorne draufgenommen - siehe am Ende dieses Posts.

Foto: Katrin von Canal

Etwa eineinviertel Stunden dauert die Fahrt aus dem Flusshafen hinaus dorthin, wo die großen, ewig langen Sandbänke liegen, die die Lagunen trennen vom Meer. Die Lagunen, die Lignano bis Grado reichen: Man kann sie nur durch drei Zufahrten zwischen den Sandbänken erreichen. Die Wasserwüste hinter den Sandbänken ist nur zwischen den Dalben befahrbar. Wer rechts oder links hinausführe, würde schnell unweigerlich mit dem Kiel im Schlick steckenbleiben. So unendlich wie die Wasserwüste aussieht: Die hat außerhalb der Dalbenstraßen meist keinen Meter Wassertiefe.
So sanft sind die Farben, so duftig sind sie, dass ich meine, ich könnte schweben in dem großen Blau, das mich umgibt. Als würde dieses Blau alles Gewicht von mir nehmen, es fällt von mir ab und für Sekundenbruchteile denke ich wirklich: Ich bin nur noch ein schwebendes Teilchen, irgendwo in den Myriaden von Blau.



Nach Venedig sind es neun Stunden. Aber weil Katrin und ich zu lang herumgetrödelt haben am Vormittag, holt uns der Sonnenuntergang schnell ein. 17.39 Uhr. Bis halb drei konnte man im Pullover herumlaufen. Dann kam etwas Wind auf. Wir holen uns schnell die dicken Segeljacken, drei Lagen Hosen tragen wir eh übereinander, alles, aber auch wirklich alles hat seinen Preis. Aber um diese Farben zu sehen, dieses ölig-teerige tiefe Schwarzblau, das das Meer nun zeigt: Dafür würde ich schon weit laufen. Und: den orangen Saum, den die Sonne noch eine Viertelstunde über die Kim wirft und über die Lichter, die an den verlassenen Uferstraßen angehen.

Weil die Nacht ruhig scheint, weil es kalt wird, beschließen wir, draußen einfach offen auf dem Meer zu ankern. Ich habe LEVJE II einfach mit dem schwindenden Licht des orangen Saums nahe ans Ufer gesteuert. Habe ihren Anker einfach auf dem offenen Meer vor dem Strand von Jesolo auf 4,50 Meter Wassertiefe fallen lassen. Ich hoffe, dass die Wetterberichte recht haben. Und die Südwest 4-5 erst morgen Vormittag beginnen, auflandig auf die Strände von Jesolo zu wehen. Wenn nicht: Muss ich heute Nacht raus, in die Kälte. Es hat um die Null Grad unter dem klaren Sternenhimmel.

Hoffen wir also auf eine ruhige Nacht. Auf LEVJE, die sich sanft in der Kälte vor dem Strand von Jesolo wiegt.


Morgen geht es weiter mit:
Ankunft am Vormittag in Venedig.


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