Sonntag, 23. August 2015

Die vergessenen Inseln: Monemvasia. Am Tag.


Übers Meer sind es nach Monemvasia nur drei Stunden vom Ak Maleas, dem Kap der Stürme, der Südost-Spitze des Peloponnes. Und von Kithira im Süden acht. Und von Kreta 18. Monemvasia, der Felsen mitten im Meer mit der Stadt, über den ich gestern schrieb, liegt günstig, gleich ob man von Ost nach West oder Nord nach Süd will. Entsprechend groß ist auch der Traffic auf dem Meer. Tanker die kreuzen. Containerschiffe, die am Ak Maleas den Kurs ändern, Kreuzfahrtschiffe auf dem Weg vom Bosporus nach Olympia. Es lohnt sich, an dieser Ecke die App von MARINETRAFFIC laufen zu lassen, um auf dem iPAD zu sehen, wer da gerade wohin will, um zu vermeiden, dass LEVJE und ich gerade dumm im Weg irgendeines dahinrauschenden Ozeanriesen herumstehen.

                                                          Weiterlesen bei: Monemvasia. Die Nacht am Meer. Hier.
                                                          Weiterlesen bei: Kithira. Wo Aphrodite dem Meer entstieg. Hier.

Der Fels von Monemvasia: Keine zwei Kilometer lang und wohl nur ein Viertel so breit. An der Südseite, wo der Hang mit 45 Grad ins Meer abfällt: da bauten die Byzantiner ihre Stadt, die an dieser Stelle sicher nicht die erste war. Und sie nannten sie "Moni Emvasi", "Einziger Zugang", denn auf die Insel kam man nur über eine 14bogige Brücke, ich schrieb im gestrigen Beitrag darüber.


Vom Meer hinauf zur Felswand sicherten sie ihre Stadt "Moni Emvasi" mit Stadtmauern, die steil vom  Meer hinaufsteigen. Und ganz oben, auf der Krone, dem Plateau des Felsens, mit einer Festung, die nur über einen einzigen Weg zugänglich ist. Und wüßte ich nicht ganz genau, dass "Helm's Klamm" in Tolkien's HERR DER RINGE ganz woanders liegt: Ich würde hier, genau hier denken: Ich stünde davor, so verschlungen, so verschachtelt, so uneinnehmbar mutet auch heute noch der Zugang an.


Eine Weile war "Moni Emvasi" Dreh- und Angelpunkt in den Plänen der frühen Byzantiner, das römische Reich zurückzuerobern von den Horden der Völkerwanderung, denen kein Limeswall und kein Alpenkamm zu hoch war, um nicht aus allen Ecken über das römische Europa hereinzubrechen. Was den Peloponnes, was Süditalien anging, gingen diese Pläne zunächst auf. Aber bald war Byzanz zu kraftlos, geschwächt in innere Zwistigkeiten verstrickt und konnte nicht einmal Monemvasia vor weiterer Verwüstung und Verheerung bewahren. Die Stadt war auf sich allein gestellt, bis sich Venedig der Felseninsel im 13. Jahrhundert annahm, nicht uneigennützig, wie immer, und nur bedacht, was sein Reich auf dem Meer, den "Stato da Mar" von der Adria bis zum Bosporus mehren und sichern könnte.


Die Stadt unter dem rötlichen Felsen gedieh. Monemvasia verlieh dem wichtigsten Mittelalterlichen Wein seinen Namen, er hieß  nur "Malvasier", weil er hier verladen und nach Nordeuropa verschifft wurde. Venedig baute Kirchen in Monemvasia, noch heute steht fast eine an der anderen und sei es nur als Ruine. Selbst, als die Stadt dann öfter den Besitzer wechselte und von den Venezianern an die Türken und von den Türken wieder an die Venzianer und wieder zurück ging: die Kirchen blieben, als wollte man den heidnischen Geist ausräuchern an jeder Ecke mit Weihwasser und Weihrauch und Sanctus.


Monemvasia: ein Ort der verwinkelten Gassen, in denen man sich leicht zurecht findet, weil die Stadt auf steilem Grund steht: Der Stadtplan kennt nur "nach rechts", "nach links", "nach oben", "nach unten": ein Labyrinth, das keines ist, die winkeligen Wege führen von Kirche zu Kirche. In der kleinen Basilika sitze ich ein Weilchen. Es war ein traumhafter Moment letztes Jahr: Die alte Küsterin, die die abgebrannten Bienenwachskerzen einsammelte, summte leise, leise einen gregorianischen Choral, ein leises Summen, das im Tonnengewölbe hallte, der Schlag eines Schmetterlingsflügels hier in der Kirche gegen den Lärm der Welt. Wenn ich ehrlich bin: wollte ich ja nur das wieder erleben. Aber wir sind ein Jahr weiter. Die Welt: Sie ist nicht stehengeblieben, sie hat sich weitergedreht. Statt der alten Küsterin ist es nun eine junge Frau, die die Bienenwachs-Kerzen, kaum dass sie entzündet, wieder herausnimmt und wegwirft. Als ich sie frage, nach der alten Frau, mehrfach, versteht sie mich nicht. So bleibt mir nur, für die alte Küsterin mit dem Choral zu beten, dass die Welt es gut gemeint hat mit ihr.

Und vielleicht ist es ein bisschen so auch mit Monemvasia heute: Die Stadt, sie verjüngt sich ständig. Der gelungene Relaunch einer Stadt, die noch vor 40 Jahren von Altern und Aussterben bedroht war, weil gerade noch ein paar Handvoll Leuten in den alten Mauern lebte. Heute: Einladende Hotels, kleine Bars, alles geschmackvoll, selbst die Kreuzfahrtschiffe ankern wieder auf der Reede und bringen mit kleinen Rettungsbooten im Pendelverkehr ihre Gäste an Land, auf die Felseninsel.

Mich aber treibt es aus den Mauern hinaus, auf abgelegene Wege, uralt, von wem auch immer zwischen den Felsen mit Meisseln hindurch geschlagen. Es ist ein alter Weg, der aus dem westlichen Stadttor genau unter dem Felsen entlang in die Abendsonne führt. Wieder einmal streift mein Fuß über Unmengen von Tonscherben, 1.500, 2.000, 3.000 Jahre, die da vor mir auf dem heute selten benutzten Weg liegen.


Der felsige, alte Weg im Abendlicht, hoch über dem Meer, ich könnte ihn ewig gehen in meinen Flipflops im Licht des Abends. Und bevor ich jetzt schon wieder in Jubel ausbreche: Wie schön die Felseninsel im Licht der untergehenden Sonne aussieht, verweise ich jetzt einfach auf meinen letzten Post. Denn der handelt ja nur von einem: Wie sie aussieht, die vergessene Insel: Wenn die Nacht hereinbricht. Über Monemvasia.





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Vom Autor von MARE PIU: 


Ein Mann verliert seinen Job.
Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.
Und reist in fünf Monaten: Von München nach Antalya.

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