Donnerstag, 26. Februar 2015

Menschen am Meer: Steve. Die Schlei. Oder: Warum ausgerechnet ein Amerikaner das beste Risotto kocht.


Mit der Kunst, italienisch zu kochen ist es wie mit der italienischen Sprache: Nur allzu leicht meint man, darin bewandert zu sein, es halbwegs "drauf" zu haben. Worte und Gerichte gehen vergleichsweise leicht von der Hand. Und doch: stelle ich nach Jahrzehnten des Italienisch-Sprechens fest: Dies perfekt zu beherrschen, wirklich gut zu sprechen, ist ebenso schwieriges Unterfangen wie halbwegs Mandarin zu erlernen. Italienisch ist voll von Konnotationen. Kürzeln. Beigeschmäckern. An- und Be-Deutungen: die nur Italiener untereinander in ihrer Komplexität verstehen. 

Ebenso ist es mit der italienischen Küche. Spaghetti Bolognese zum Beispiel. Augenscheinlich ist es doch ganz einfach mit dem "Spaghetti-Hackfleisch-Dingsda". Aber um das wirklich gut hinzubekommen: muss man schon einige geheime Regeln kennen. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe jahrelang in Italien versucht, mich an Restaurant-Köche ranzupirschen, um das Geheimnis einer richtig guten italienischen Muschelsauce herauszubekommen. Es dauerte Jahre, bis mir die Köchin des OBELISCO im Containerhafen von Livorno - sie kuckte immer durch ein klitzekleines Fenster aus der Küche ins Restaurant wie Lukas, der Lokomotivführer, aus seiner Emma - ihr einfaches kleines Geheimnis verriet. Seit dem Zeitpunkt sind "Spaghetti allo Scoglio" der Bringer.

Die Schlei im August: Das Licht am Morgen auf der "kleinen Breite".

Die Freundschaft zwischen Steve und mir begann rein beruflich. Wir lernten uns auf einer Messe kennen. Er leitete einen großen Verlag. Ich einen kleinen. Wir verehrten beide denselben deutschen Verleger, stellten wir fest. Von da ab trafen wir uns einmal jährlich. Immer auf dieser Messe. Klinkten uns einfach abends für eine halbe Stunde aus dem Getriebe der Messe aus. Für "die blaue Stunde" hatte Steve eine besondere Flasche schottischen Whisky am Stand. Und vielleicht ist meine Liebe zu Whisky in jener halben Stunde auf der drögen CeBIT in Hannover geboren, in den Gesprächen mit Steve. Er war treu: War ich nicht da: stand er immer irgendwann am Stand und ließ seine Karte mit einer Notiz für mich zurück. Es war mir immer eine Freude. Denn jedesmal knurrte mein Boß: Steve S. sei "seine Liga". Steve und ich: wir machten uns ein Spiel daraus.

Irgendwann erzählte mir Steve was von einem Boot, das er sich gekauft hatte. Für die Schlei. Eine SCHÖCHL MANTA. Genau die hatte ich auch gekauft, wenige Monate zuvor. Wieder ein paar Jahre später, wieder auf der Messe, wieder abends zur "blauen Stunde", als wir wieder über dem tarnenden Pappbecher mit klirrenden Eiswürfeln saßen, erzählte mir Steve in seiner engen Messekoje, er habe sich ein größeres Boot gekauft, ein 28 Fuß-Schiff. Da hatte ich gerade meine 31-Fuß-LEVJE gekauft.

Es dauerte noch ein paar Messen. Es waren noch ein paar Jahre "blaue Stunde" mit 1 Whisky am Stand von Steve notwendig, bis wir es wagten: miteinander Segeln zu gehen. Er nahm mich auf seiner INE mit auf die Schlei. Wir segelten von der STOLLER-WERFT, fast ganz im Westen, durch Missunde, an Arnis, Kappeln, Schleimünde vorbei hinaus auf die Ostsee. Mal nach Kiel. Mal nach Sonderborg. Mal nach Marstal. Und seither gehört die Schlei im August für mich zum Schönsten, was man als Segler erleben kann. Segeln durch englische Parklandschaften. Durch Fluß-Engen. Durch goldene Getreidefelder. An Pappeln, Backstein, Schlickbänken, Räuchereien entlang, zwischen sanft rollenden Hügeln dahin. Ein Traum.


Im vergangenen Jahr begleitete mich Steve zum ersten Mal aufs Mittelmeer. Er war noch nie im Mittelmeer gesegelt. Er kannte Italien nicht. Aber er machte mich rebellisch mit seinem Vorschlag für ein Abendmenü auf LEVJE: Steve schlug vor, Risotto zu kochen. Risotto mit Steinpilzen. Und grünem Spargel.

Häääh? Es war Juli. Kein Monat für grünen Spargel. Und auch nicht für Steinpilze.

Ich war skeptisch. Meine Meinung wurde nicht besser, als mich Steve quer durch Ancona hetzte auf der Suche nach blöden Steinpilzen. Ich hielt ihm die Packung hin. Dann jene. Er schüttelte entschieden den Kopf. Er quälte mich auf der Suche nach den richtigen Zutaten. Ich zog die Sache in die Länge. Können Amerikaner kochen?

Es dauerte bis Pescara, wo wir die Nacht nicht im Hafen, sondern als einziges Schiff hinter der Diga, der Mole ankerten. Steve verschwand unten in LEVJE's Kombüse. Ich schaute oben in den Sonnenuntergang, in die Berge. Steve rumorte unten. Ich übte oben Knoten. Steve klapperte unten mit  tausenderlei Töpfen. Ich kuckte in den aufziehenden Sternhimmel. Steve stand unter Deck im Küchendampf. LEVJE's Salon sah aus, als wäre eine Bombe explodiert. Bis aufs Vorschiff hatte Steve die wehrlose LEVJE in seine Aktion "Risotto mit Steinpilzen und grünem Spargel" einbezogen. Una bomba! In medio della piazza!

Diesmal zelebriert Steve sein Risotto mit Pilzen zusätzlich mit einem in der Pfanne gebratenen Stück Weißfisch. 

Steve's Risotto war ein Gedicht. Ein Feuerwerk an feinem Pilzgeschmack, zarter Anmutung an aufgegossenen Wein, leichtem Geschmack von schmelzendem Provolone und Grana, verkochendem Stangensellerie, Möhren, Knoblauch. Es war der Hammer. Es war unbeschreiblich. Steve hatte das ultimative Risotto geschaffen. 

Bedächtig nahm ich Teller um Teller. Der Sternhimmel kreiste über uns. Die Weinflasche zwischen uns. Der zarte Wind und die Lichter der Stadt vom Ufer. Immer wieder turnte ich nach unten, Gabel um Gabel, Steve's Risotto willenlos ausgeliefert. 

Und weil es schon so ist, wie der gelegentlich wunderbare Johannes Mario Simmel in seinem noch wunderbareren Erstling ES MUSS NICHT IMMER KAVIAR schrieb: Konnte uns nach diesem Risotto nur wenig etwas anhaben. Selbst die italienische GUARDIA DI FINANZIA nicht, die nachts um drei mit einem Aufgebot starker Scheinwerfer erschien, um grell auszuleuchten, wer da ankerte, wo er nicht sollte. 

Ich habe sie verscheucht. Mit einer lässigen Handbewegung. Wie eine Fliege von einem Teller mit wunderbarem Risotto.




Das Rezept für Steve's Risotto:

RISOTTO MIT STEINPILZEN

2 Zwiebeln glasig in Butterschmalz anbraten (Der Dreh: aber gaaaanz langsam. Bis sie golden sind)
Staudensellerie, Karotten, Knoblauch zugeben. 
Risotto drauf, mit ziehen lassen.

Weisswein aufgiessen: es muss heiß sein, umrühren, bis der Weisswein verdampft.

Gemüsebrühe und Pilze;
Pilzwasser dazu
150 gr. getrocknete Steinpilze

abschmecken
zum Schluß: 150 gr. Parmesan mit etwas Provolone dazureiben. (Der Dreh: Da muss ein Berg Käse drunter, zum Schluß.)

... und was mir Steve erst gestern verraten hat, als wir wieder mal über seinem Risotto saßen und ich juchzte: Er gießt ganz zum Schluß noch mal leicht mit Wein auf.

Dieser durchtriebene Ami.




                                       
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