Es gibt Posts, die bedauert man, geschrieben zu haben.
Bei anderen ist man sich nie seiner Sache so ganz sicher.
Am schlimmsten aber sind die Posts, die man nicht geschrieben hat. Bei denen einen noch Tage später das Gefühl beschleicht: Über diesen Ort, diesen Menschen hätte man schreiben, für andere berichten sollen. Ganz unbedingt. Weil es ein besonderer Ort ist.
Crotone an der Südküste Kalabriens ist so ein Ort. Und das nicht bloß, weil ich den Ort nach einer wilden Überfahrt über den Golf von Tarent (siehe meine letzten Post) vor mir hatte. Die Stadt ist rätselhaft, wie sie sich zu Füßen des merkwürdigen, nur karg bewachsenen Höhenrückens bettet. Ein rätselhafter Höhenzug aus merkwürdig graugrünem Gestein, der sich wie eine Sichel schützend um sie legt.
Crotone empfing mich irgendwie mit offenen Armen. Und so ganz anders wie die ihre Hauer bleckende Gorgo, das gruselige Haupt, das die Griechen Crotones zur Abwehr aller Schrecken dieser Welt an ihre Tempelmauern klebten. Crotone war freundlich, die Marineros im YACHTING KROTON CLUB nahmen sich meiner an.
Die ersten Schritte am nächsten Morgen nach dem Aufwachen am Hafen: Eine Hafenbar, wie man sie sich schöner nicht wünschen kann, mit ein paar Fischern drin, die hier den Vormittag rhabarbernd verstreichen lassen. Links daneben ein großer Fischladen. Ich konnte nicht anders, als hineinschauen, ich litt noch immer unter der essensmäßigen Kargheit Kroatiens, wo einfaches Essen aufzutreiben so schwierig war wie auf den Inseln einen Fisch zu kaufen und auch meine gefühlten 15-Mal-einen-vorbeifahrenden-Fischer-fragen, ob-er-mir-nicht-einen-Fisch-verkauft ohne Ergebnis verlaufen waren. Wo die Fischläden, kaum dass sie geöffnet hatten, am späten Vormittag gleich schon wieder zusperrten.
Ich merkte, ich war ausgehungert, irgendwie, von Kroatien. Und jetzt: Stand ich in diesem Fischladen in Crotone, der eigentlich eine Fischhalle war, inmitten einer Menge von Menschen, die wie ich Freude daran haben, Fisch zu kaufen. Es gab: Die obligaten Branzini (Wolfsbarsch) und Orate (Dorade) sowieso. Seehecht, Rochen, Scorfano. Berge von Muscheln, Vongole, Cozze, mittendrin Austern, Heuschreckenkrebse und Langusten, Lachs und Schwertfisch und Thunfisch und Jakobsmuscheln und Scampi roh zum pulen und überhaupt. Ich hatte das Gefühl, ausgehungert nach gutem einfachen Essen, plötzlich im Paradies zu stehen, im Schlaraffenland.
Ein paar Schritte weiter. Ich hatte Hunger bekommen. Und wer unterwegs ist, der lernt auf die Signale am Wegrand zu achten. Zwischen all den Hafenwerkstätten, Fischläden, Mechaniker- und Bootszubehörläden (... noch so ein Schlaraffenland!) hatte ich einen Mann mit einem frischen Panino in der Hand gesehen. Wenn der das hatte, musste es hier doch in der Nähe ... und schon stand ich davor: Ein großes Schild SALUMERIA stand darüber, Wurstladen. Der Laden war nicht größer als der Flur meiner Großmutter. Aber proppenvoll mit verschiedenen Salame und Schinken. Vor meinen Augen drehte das Wort COTTO NAZIONALE große Kreise, zwischen denen die Worte CRUDO NAZIONALE und GORGONZOLA PICANTE wie kleine zwitschernde Vögelchen flirrten. Zehnerlei Käse, vom Mozzarella di Buffalla über Taleggio, Pecchorino bis Bel Paese. Nein, sowas. Ich fühlte, ich war angekommen. "Due Panini, per favore, con..." was nehm ich bloß? Egal, eine in Öl eingelegte getrocknete Tomate muss da noch mit drauf...
So ging mein Vormittag dahin. Im Hafenviertel entdeckte ich mindestens drei Fischläden, Austern hatten sie alle, da ließ man nichts, aber auch gar nichts anbrennen in Crotone. Ich sauste mit dem Panino von der Salumeria in der Hand zur Werft von Elio, von dem sie sogar im 200 Seemeilen entfernten Marina di Ragusa auf Sizilien schwärmerisch geredet hatten, um ihn wegen meiner heißlaufenden Stopfbuchse um Rat zu fragen. Elio versprach, seinen Mechaniker zu schicken. Ich sauste zurück in die Stadt, nicht ohne die nächste Salumeria am Hafen von innen zu bestaunen, ein Ort, wo eine Anzahl hurtig hantierender Männer HINTER dem Tresen die löwenmäßig ausgehungerten Männer VOR dem Tresen mit allem möglichen zwischen zwei Paninihälften versorgte. Wir reden nun nicht von den zwei Gelaterie im Zentrum, die meinen Aufenthalt im Archäologischen Museum aufs angenehmste einrahmten.
Nein, Crotone mit seinem Gewirr an Werkstätten, Fischläden, Salumerien und sonstigen kleinen Läden zu Füßen der Festung hat was. Vielleicht hat sich mein Weltbild in den letzten drei Jahren grundlegend simplifiziert. Oder sagen wir besser: Noch mehr zu dem verdichtet, was wirklich zählt. Gutes Essen. Ganz ohne Tütteltüh und Schi-Schi. Und ein paar Männer, die machen statt zu quatschen. So wie Pasquale, der Marinero im YACHTING KROTON CLUB. Oder Elio. Oder die Männer hinterm Tresen.
Wer jemals mit dem Boot nach Crotone kommt:
Telefon YACHTING KROTON CLUB, Pasquale: +39 320 611 50 69
Telefon PORTO VECCHIO SERVICE, Elio: +39 338 125 89 86
Fischläden, Salumerien, Gelaterien? Da müssen Sie sich schon selber auf die Suche machen. In Crotone.
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