Sonntag, 9. Juli 2017

Korcula: Dieselpest und Lichtmaschine. (Teil 1) Oder: Wie Segeln Menschen zusammenbringt.


Im vorigen Post schrieb ich, wie ungeahntes Leben in meinem Tank zu 35 Zentimeter langen organischen Gebilden führt,
die unterwegs auf dem Meer LEVJEs Motor lahmlegten. Und was ich einer abgelegenen Bucht dagegen unternahm.
Hier die Fortsetzung: 

Auch das ist ein Ergebnis beginnender Dieselpest: Ein mit braunem Schleim zugesetzter Filter. Und alles das unterwegs auf dem Meer

1. Ein Motor, der nicht will.
Da hatte ich also in einer abgelegenen Bucht auf Lastovo und vor Anker versucht, meine 200 Liter Diesel im Tank sauberzufiltern. Hatte die im vorigen Post beschriebenen Gebilde entdeckt. Hatte einen halben Tag versucht, alles reinzuwaschen. "Dialyse für den Diesel". Erst als ich etwa 20 Liter reinen, ohne Schlamm versetzten Kraftstoff heraufgepumpt hatte, gab ich Ruhe. Und hatte eine gutes Gefühl.

Doch eine Stunde nach dem Ablegen starb der Motor südöstlich der Insel Lastovo erneut ab. Ich nahm es gelassen. Ich meinte ja zu wissen, was ich zu tun hatte:

1. Tankleitung am Tank abschrauben.
2. Nachsehen, ob eines der Fadengebilde erneut die Leitung verstopft hatte.
3. Leitung durchpusten. Und entlüften.
4. Motor starten.

Aber so einfach macht es einem das Leben nicht. Denn erstens war die Kraftstoffleitung frei. Und zweitens startete der Motor trotz aller Versuche nicht. Erst als ich den Kraftstoff-Filter abschraubte, sah ich die Bescherung: Der Kraftstofffilter war voller Schleimfäden, die die Dieselalgen gesponnen hatten.

Ich hatte keinen Reservefilter dabei. Reinigen des Filters misslang. Ich telefonierte mit der nächstgelegenen Werft auf Korcula, die mir eine Handynummer schickte. Eine ältere Männerstimme meldete sich. Er heiße Angelo. Ja, ich solle kommen. Ja, sie brächten mich auch ohne Motor in die Marina. Ich solle mich beeilen. Es würde in drei Stunden Wind aus Nordwest geben. Sehr viel Wind.



2. Ankunft auf einer Insel im Starkwind.

Typische Windverhältnisse am späten Nachmittag im Norden vor der Inselhauptstadt Korcula.





Es war nicht viel, was ich über die Insel Korcula wusste. Ich setzte einfach die Segel, weil ich den Motor nicht wieder zum Laufen brachte. Und weil ich keine Wahl hatte. Ein leichter West trieb mich langsam nach Nordosten, ich setzte jeden Fetzen, den ich hatte, segelte Schmetterling mit weit ausgestellten Segeln, aus Sorge, nur ja keinen Lufthauch zu verpassen, um nur ja vor Einsetzen des Starkwinds im Hafen zu sein.

Anfangs hatte ich Sorge, die Brise würde abflauen. Und LEVJE und mich einfach in der Weite des windstillen Meeres dümpelnd über Nacht liegenlassen. Doch die Brise nahm zu, je weiter ich mich von Süden der Insel Korcula näherte. Gegen 16 Uhr rundete ich die Südostspitze Korculas. Und sah die Bescherung: Korcula bildet zur nördlich gelegenen Halbinsel Peljesac einen engen Kanal, durch den der Nordwest wie durch eine Trillerpfeiffe gepresst und beschleunigt wird. Aus einem milden West auf dem Meer wird an der Korculas Nordküste sechs bis sieben Windstärken.

Da war er, der viele Wind, von dem Angelo gesprochen hatte. Ich reffte Genua und Groß auf ein Drittel. Und machte mich an die Arbeit, mühsam gegenan aufzukreuzen.

30 Knoten, in der Spitze mehr als 35 Knoten zeigte der Windmesser. Aber ich brauchte keinen Windmesser. Das hektische tak-tak-tak-tak des Spifalls am Mast, das Knattern der verkleinerten Genua, die vom Wind umeinander geschlagenenen Fockschoten und die sich im Licht des Nachmittags brechenden Wellenkämme sagten, was es zu sagen gab. Wieder einmal verfluchte ich die Rollgenua: Was gäbe ich jetzt für eine Stagfock, die ordentlich steht und zieht bei diesem Wind statt des sich strangulierenden, würgend-verdrehten Tuchfetzens, den ordentlich zurechtzuziehen ich weder Zeit eine Hand frei hatte. Doch LEVJE kam auch mit kleinem Tuch gut vom Fleck. Fast erreichte ich die Kreuzschläge, fast die Wendewinkel, die ich mir draußen als Weg durch die Inseln hindurch markiert hatte. Nach einer Dreiviertelstunde Starkwindkreuzen hatte ich die Einfahrt vor mir. Und rief Angelos Nummer an. Der meinte, bei dem Wind könne er kein Schiff ohne Motor in den Hafen bringen; ich solle drüben, wo ich das andere Segelboot sähe, unter Segeln den Anker fallen lassen; er würde jemanden schicken auf einem Motorboot. Mit einem Filter.

Ich kreuzte zwischen Hafeneinfahrt und Stadtmauer hin und her. Chaos im Hafen: Segler, die wegen des Starkwindes in den Hafen drängten. Oder davor auf weitere Anweisung warteten. Tohuwabo. Und LEVJE ohne Motor, unter Segeln mittendrin. Mittendurch kreuzend. Ich kreuzte dreimal, viermal unter Segeln an der Stelle vorbei, von der ich dachte, es wäre die von Angelo bezeichnete Stelle. Windschatten unter der Stadtmauer, so dachte ich. Nach dem vierten Mal wagte ichs: Aufschiesser in den Wind. Segel loswerfen. Anker auf zehn Meter fallen lassen. Alles wie einst beim Segelschein gelernt.

Und doch war alles anders: Denn der Wind, der von der gegenüberliegenden Seite kam, schien hier unter der Stadtmauer nicht bloß ein windstilles Fleckchenzu erzeugen. Er drehte vor der alten Stadtmauer um 180 Grad. Und kam plötzlich aus Südost. Er fächelte auf die Stadtmauer zu. Und wir: Wir stoppten nicht auf. LEVJE lief unter Segeln weiter auf die Stadtmauer zu. Blieb einfach nicht stehen. Der sich drehende Wind ließ sie einfach nicht zum Stehen. Wir kamen den Felsen vor der Stadtmauer gefährlich nahe.


3. Das Ende eines langen Tages.



Es waren beschissene, bange Minuten. Touristen, die ahnungslos freundlich von der Stadtmauer herunterwinkten. Fahrer von Wassertaxis, die meine Not sahen. Dass ich auf die Felsen vor der Stadtmauer zutrieb. Und achselzuckend vorbeifuhren. "Man kann immer etwas tun auf einem Segelboot. In jeder Situation." Ich rief Angelo an. Aber er sagte, dass er wegen des Tohuwabohus im Hafen erst in zehn Minuten jemanden schicken könne. Wir eierten vor den Felsen im sich drehenden Wind. Bis ich in meiner Not den Zündschlüssel drehte. Vielleicht war noch ein bisschen Sprit in der eigentlich leeren Leitung. Der Diesel sprang bullernd an. Ich legte den Gang ein. Und 20 Sekunden Schraubendrehung reichten, uns dreißig Meter weit weg vor den Felsen hinaus in die windige Bucht zu schieben.

Fünf Minuten kam ein Schlauchboot auf uns zu. Ein Mann darin. Petar. Mechaniker. Samt neuem Filter. Er machte sich sofort an die Arbeit. Aber auch er schaffte es ebensowenig wie ich, die Dieselleitung wieder zu füllen.





Wir trieben vor der Stadtmauer. Petar schraubte unter Deck. Erst als er die ganze Leitung zerlegt hatte, fand er weitere Schleimklumpen, die die Leitung verstopft hatten. Ich hatte nicht gründlich genug gesucht. Aber plötzlich sprang er wieder an. Der Diesel. Petar grinste. Wir sollten heute Nacht in der Bucht südlich vor der Insel ankern. Im Hafen wäre kein Handtuch breit mehr Platz. Und am nächsten Morgen in den Hafen kommen.

Ich erzähle nun nicht, dass der Anker vor der Klosterinsel Badija samt fünfzig Meter Kette einfach im Starkwind nicht halten wollte. Dass wir wie die anderen Ankerlieger, die hier untergekrochen waren, mehrere Male neu Ankern mussten. Als fände mein Zwanzig-Kilo-Bügelanker dort unten in zehn Meter Tiefe nicht harten Meeresboden, sondern einfach nur Vanillepudding.

Als dann auch noch die Lichtmaschine streikte und die Batterien nicht mehr lud, war es um meine Contenance geschehen. Dieser Tag war zu viel. Ich war an eine Grenze gekommen. Meine Grenze. Es ging nicht mehr.


... Fortsetzung dieses Posts in den nächsten beiden Tagen.

  



1 Kommentar:

  1. Ganz schön knapp war das - aber wie immer kommt alles zusammen wenn es kommt.....hoffe Du hast die Nacht gut überstanden!

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