Montag, 3. August 2020

Rund Irland in 18 Tagen (2): Über Menschen, Delfine, und Segeljacken, die nicht halten, was sie versprechen.

"Das Meer ist ein keimfreier Raum", stellte Boris Herrmann im Interview für mein Buch IN SEENOT lange vor Corona klar. Also geh ich dieses Jahr Segeln. ;-)) auf Levje und entlang der irischen Westküste. Im Folgenden ein Bericht über die Strecke von New Ross/Südirland bis zur Südwestspitze Irlands.

Die Werft am River Barrow. Und das Boot von Stephen, von dem im Folgenden die Rede sein wird.

Es wurde Zeit, von Levjes Liegeplatz der letzten 11 Monate aufzubrechen und die Werft in New Ross am südirischen River Barrow zu verlassen. Das Seeventil war wieder gängig, die Antriebswelle neu justiert, nichts leckte oder vibrierte mehr beim Test an der Pier in New Ross. Mickayla vom Werftbüro versorgte mich noch mit einem Zettel neuer gälischen Worte, den sie mir in die Hand drückt: „Go n-eiri an bóthar leat!“ - Möge Dein Weg voller Gelingen sein, das gälische Wort für „Gute Reise“!


Am Abend vorher hatte ich noch Stephen, der zusammen mit seinem Bruder Michael die Werft betreibt, auf seinem Boot besucht unten am Ponton im Fluss. Ein wunderschöner Fischkutter, gebaut 1942 im Osten Irlands in Arklow, auf dem Stephen unterwegs ist, wenn die Werft ihn losließ. Rund Irland, rund England, hinüber nach Frankreich. Während draußen der Regen an die Fenster des Deckshauses prasselt, der Sturm am Tauwerk rüttelt und es drinnen behaglich warm ist 


und Stephen einen Schluck von seinem Shiraz nimmt, berichtet er schweren Herzens, dass er heute dieses Boot verkauft hätte - nach zwei Jahrzehnten Reisen. „Ich bin jetzt siebzig. Michael ist sechzig. Es ist Zeit, dass ich was Neues mache. Selbst wenn ich heute Tränen in den Augen hatte, als ich meine Unterschrift leistete: Das Leben muss weitergehen, immer weiter. Und ich träume davon, etwas Wärme in meine alten Knochen zu bringen. Das musst Du bedenken: Wenn Du alt bist, brauchst Du mehr Wärme. Und ich werd’ nach Südfrankreich gehen, nach Narbonne, das hatte ich seit Jahren vor.“ Ein Platz, wo Boote liegen ist stets ein kleiner Kosmos - mit tausenden Geschichten darin, die man entdeckt, sobald Menschen und Boote zu reden beginnen.


Am nächsten Mittag laufen wir mit der Flut die 10 Seemeilen den Fluss hinunter, wo die Eisenbahnbrücke den River Barrow überspannt. Golden ziehen sich die Kornfelder vom Ufer zwischen den Steinreihen die rollenden Hügel hinauf, mal ein Gehäuft, mal ein normannischer Wehrturm am Ufer, während ich von unterwegs Andrew, den Brückenwärter anrufe und darum bitte, ob er in eineinhalb Stunden die Drehbücke


für Levje öffnen kann. Ich kenne Andrew nur vom Telefon, ein höflicher Mann, der auch malvon sich aus anruft, um sich zu erkundigen, wann man denn genau einträfe, weil er dann die 500 Meter Stahlbrücke bis zum drehbaren Teil zurücklegen muss, um den Weg freizugeben. Alles klappt wie am Schnürchen. Schon nach der letzten Flussbiegung beginnt sich die Brücke zu drehen, als wir mit der Tide mit 8 Knoten anrauschen, hat Andrew schon den Mechanismus betätigt und wir rauschen weiter Richtung Meer, hinaus ins 8 Seemeilen entfernte Mündungsdelta des River Suir.



Der Tag war lang, Sven legt sich zur Ruhe, ich übernehme die erste Wache bis Mitternacht, während Levje unter Autopilot in den irischen Sonnenuntergang westwärts Richtung Fastnet Rock segelt.

Kein Schiff ist draußen außer uns. Kein Segler, kein Fischer. Vor Cork um Mitternacht die Lichter eines Frachters, der in der Dunkelheit vorbeizieht. Es ist ungewohnt, niemanden zu sehen, allein unterwegs zu sein, als wäre dies die Südsee abseits aller Schiffahrtsrouten und nicht die irische Südküste. Nur eine Begegnung begleitet mich durch die Nacht: Immer wieder höre ich das Atmen von Delphinen neben Levje. Das typische kurze Platschen, wenn ein Delphin die Wasseroberfläche durchstößt und kurz und energisch durch sein Blasloch am Rücken Luft holt. Ich sehe ihre Schatten neben dem Boot im Wasser.


Als der Morgen graut, es ist meine zweite Wache, sehe ich sie endlich. Immer wieder kommen Schulen der weißbäuchigen, mittelgroßen Delphine aus der Ferne auf Levje zu - fast so, als wollten sie sich vergewissern, dass die Menschen, die plötzlich wegen des Lockdowns auf unerklärliche Weise das Meer verlassen hatten, tatsächlich wieder zurückkehren. In seinem Buch PER ANHALTER DURCH DIE GALAXIS beschreibt Douglas Adams, wie rätselhafterweise für die Menschen erst die Delphine verschwinden, bevor ein bürokratischer Fehler galaktischen Ausmaßes die Erde entsorgt. In diesem Juli ist es, als hätten die Delphine sich über das plötzliche Ausbleiben der Menschen verwundert und müssten sich nun ganz schnell überzeugen, dass die Menschen ja noch da sind. Immer wieder biegen Delphine von ihrem Kurs ab. Schwimmen zum Boot heran, wirbeln während der Fahrt vor Levjes Bug durcheinander. Dann blitzschnell in die Tiefe. Dann wieder hoch. Ich kauere auf dem regennassen Vordeck, klammere mich an die Reling, um den Tieren nah zu sein, während Levje durch den grauen Morgen segelt. Schau ich am Bug links herunter, zischen die Delphine ganz schnell nach rechts. Schau ich nach rechts, zischen sie unter Levjes Bug nach links, als wollten mich die Delphine foppen. Wie meistens, wenn Delphine kommen, bin ich nicht stummer Beobachter, sondern Mitspieler in ihrem Spiel. Ein ums andere Mal 


drehen sie sich zur Seite, um heraufzuäugen zu mir, sich zu vergewissern, dass ich nur ja ihrem Treiben aufmerksam zuschaue, applaudiere, begeistert ausrufe, wenn sie mit unmerklichem Flossenschlag Levjes 7 Knoten Speed lässig übertrumpfen. Sich wieder zurückfallen lassen, kurz einander streifen, als würden sie sich zärtlich versichern, noch dazusein bei den übrigen Spielgefährten. Zu mir hochblicken, ob ich nur ja jedes ihrer Kunststücke aus nächster Nähe beobachte.


Kaum dass ein Rudel fort ist, biegt das nächste aus der Ferne ab. Fast schenken Sie mir wie Jacques Mayor in THE BIG BLUE das Gefühl, ich wäre einer der ihren. Erst in den nächsten Tagen werde ich lernen, dass 2020 offensichtlich das Jahr der Delphine ist, denn immer wieder begegnen wir auf dem Weg entlang Irlands Westküste Delphinen, die Kunststücke zeigen.

Frühmorgens vor Fastnet Rock. Da war die Jacke noch dicht...

Um 10 Uhr passieren wir im Regen Fastnet Rock, den legendären Felsen, der die südwestlichste Ecke Irlands markiert. Der Regen wird mehr, die Welle auch, als wir um Irlands Westspitze herum sind und Kurs nordwärts legen auf den zweieinhalb Stunden entfernt liegenden Hafen von Castletownbere, steigert der Südost den Regen zu einem beachtlichen Sauwetter.

Nach einer Stunde Rudergehen ist meine Jacke innen nass. Das Wasser läuft innen über die Schulter beide Ärmel hinunter. Dabei hab ich das sechs Jahre alte Ding, ein Geschenk von Katrin, vor der Abreise noch gründlich imprägniert, weil der Hersteller bei meinem Anruf sagte, er würde keine Imprägnierung vornehmen. Sven hats natürlich eher als ich Dödel gecheckt, dass Segeljacken aus mehreren Lagen Material bestehen und dass kein Imprägnieren hilft, wenn die wasserabweisende Lage im Inneren einmal beschädigt ist. Smart Ass! Da stehe ich jetzt im heftigen Regen, und während mit jeder Drehung des Ruderrades das Wasser aus den Ärmeln des tropfnassen Pullovers unter der Jacke trielt, denke ich übellaunig nach. Muss es wirklich so sein, dass sündteure Segeljacken nach sechs Jahren Mittelmeer, wo man sie seltenst braucht, auf den Sondermüll gehören? Wütend zitiere ich die Sprüche wie „für den harten Bordeinsatz gemacht“, während ich kurble, weil der Südost uns achterliche 30er-Böen beschert, die Levje heftig ausbrechen lassen und nur von einem noch mehr bringen: Dem Regen. Nein, ich glaube, ich habe ein für alle Mal die Nase von derartigem Segeljacken-Mist! Es muss bessere Lösungen geben als die, die ich habe.

Hat einer meiner Leser einen Tipp, welcher Segeljackenhersteller nicht nur Marketingsprüche klopft, sondern wirklich dichte Regenjacken produziert? Solche, die atmungsaktiver als eine Plastiktüte sind und NACHWEISLICH mehr abkönnen als sechs laue Sommer? 

Ich brauch eine neue Jacke. Und ich bitte alle Leser dieses Posts: Schreiben Sie mir in der Kommentarfunktion eine kurze Mail, wenn Sie Ihre Segeljacke uneingeschränkt fürs irische Sauwetter empfehlen können. 

Die eMail mit dem richtigen Tipp belohne ich noch hier von Irland aus mit einer Flasche irischen Whiskey. Mit Widmung und hier noch aus Irland versandt.

Versprochen!

PS: Der wirkliche Regen, der setzte erst eineinhalb Stunden später ein, als wir im Fischereihafen von Castletownbere im Päckchen neben dem einzigen Segler festmachten, der uns an dem Tag begegnete. Wie es in Castletownbere weiterging: Das lesen Sie im nächsten Post!




Soeben erschienen. Mit noch mehr Geschichten vom Meer und Europas Küsten:



Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

"... ein spannendes Werk, von dem man sobald man sich eingelesen hat und ein bisschen Liebe für das Meer empfindet, so schnell nicht wieder los kommt."

"Ein Pageturner." 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

"Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark". 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

"Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen."
Magdalena (segelte auf dem See.)

"Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher." 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 

Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.









16 Kommentare:

  1. Tut mir Leid, aber ich kann dir zu keinen Hersteller raten. Ich hatte lange eine Musto Jacke mit der ich zufrieden war, aber ist das auch heute noch so?

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  2. Lieber Alwin,
    Danke für Deinen Beitrag zu meinem Segeljacken-Problem. Das hilft schon mal weiter, und MUSTO ist mit Deinem Kommentar auf meine Liste gesetzt. Welches Modell trägst Du? Wie alt ist es? Und in welchen Revieren hast Du sie benutzt?
    Sven trägt auf dem Foto auch eine MUSTO, die er letztes Jahr günstig im Solent gekauft hat. Mir fehlt bei seiner Jacke aber etwas die Langzeit-Erfahrung von 5-6 Jahren...

    Danke für mehr Infos,
    Thomas

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  3. Ich schwör seit Jahren auf parasail. Bestes Preis Leistung und dicht.
    https://www.parasail.de/shop/Bekleidung/Segelbekleidung/Offshore/Parasail-Offshore-Segelanzug.html

    Lg Thomas.

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    1. Lieber Andreas,

      freut mich ja besonders, dass Du als echter Experte in diesem Revier mitliest. Danke für Deine Tipp zu PARASAIL - ich habe eben heute die Ergebnisse der Segeljacken-Umfrage veröffentlicht.

      Liebe Grüße
      Thomas

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  4. Wir sind mit Westcoast Serien sehr zufrieden. http://www.westcoast.nu/de/start.htm Haben diese mittlerweilöe in der 2ten Generation

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    1. Da hier alle ja mit Zeitangaben glänzen wollen. Unsere Sachen (1 Satz) haben 10 Jahre gehalten. Meine Jacke ist immer noch perfekt, meine Hose war nach 2 Jahren wegen einem Material oder Behandlungsfehler ein Totalverlust, wurde aber seitens Westcoast angemessen reagiert. Die Sachen meiner Frau wurden "leicht" undicht. Nach 6 Std. im Regen waren bestimmte Regionen erkennbar durch ndichtigkeit verfärbt. Wie gesagt wir haben letztes Jahr eine komplett neue Garderobe gekauft. Zudem schaut euch mal die Daten der Goretexmembrane an, wieviel Wasserdampf zirkulieren kann. Membrane ist nicht gleich Membrane.

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    2. Lieber Guido,

      Danke für Deine Antwort auf meine Frage nach einer empfehlenswerten Segeljacke. Ich habe WESTCOAST als Hersteller mit in die Ergebnisse der Umfrage aufgenommen, die ich heute gepostet habe.

      Herzliche,
      Thomas

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  5. Meine jetzt sechs Jahre alte Jacke von GILl hält auch den schottischen Dauerregen aus����

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    1. Liebe Bea,

      DANKE für Deinen Tipp mit der GIL. Ich habe das ebenso heute in meinen Post mit den Umfrageergebnissen zur Segeljacken-Umfrage aufgenommen.

      Herzliche Grüße
      Thomas

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  6. Moin,
    ich trage seit ein paar Jahren eine Marinepool Ramsgate Jacke, bin ziemlich zu Frieden, dicht ist sie in jedem Fall... Schottland, Norwegen, Ostsee ... hat mich bisher nicht im Stich gelassen.
    Die müssten auch gerade runtergesetzt sein.

    Cheers

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    1. Hallo Mackiemesser,

      Danke für Deine Zuschrift - und dass Du meinem bisherigen Hersteller MARINEPOOL die Treue hältst. Warum meine nächste Jacke nach 5 Jacken keine MARINEPOOL mehr werden wird, zeige ich mit meinem aktuellen Post heute, in dem ich auch die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht habe.

      Grüße von der irischen Westküste,
      herzlich,
      Thomas

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  7. Hey, Musto BR2 oder MPX; damit war ich immer trocken ��..

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    1. Hallo KW,

      vielen Dank für Deine Empfehlung von MUSTO. Ich habe heute die Ergebnisse meiner Umfrage - es sind 45 brauchbare Antworten eingegangen - gepostet. Mit Deinem Tipp liegst Du jedenfalls nicht schlecht...

      Herzliche Grüße
      und Danke fürs Mitmachen,
      Thomas

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  8. Ich schwöre auf das Ölzeug von Parasail, ich hatte nie besseres!
    Ich freue mich, wieder die tollen Berichte von Ihrer Reise mit Levje zu lesen.

    Gute Fahrt weiterhin
    Klaus

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    1. Lieber Klaus,

      vielen Dank für Deinen Hinweis auf PARASAIL - und Dein Lob für meine Reisberichte. Das hat mich sehr gefreut - denn meistens postet man als Blogger ja in den luftleeren Raum...

      PARASAIL schnitt übrigens in meiner Umfrage ja nicht schlecht ab. Deren Ergebnisse findest Du im folgenden Post.

      Herzliche Grüße von der irischen Westküste,
      Thomas

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  9. Ich habe mir gerade erst eine Skagen-Raceseries von Helly Hansen gekauft. Die ist absolut dicht. Und Freunde von mir, die diese Jacke besitzen, sind sehr zufrieden damit.
    Die von Musto müssen sehr gut sein. Alle Crews der letzten Ocean Races waren damit ausgerüstet.
    Viele Grüße Niko
    (der Bruder vom Micky)

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