Mittwoch, 12. August 2020

Rund Irland in 18 Tagen (3): Von echten Urlaubsfreuden, hohen Wellen und Puffins.



Zu den unbeantwortet im Raum schwebenden Fragen zuhause gehört Katrins scheinbar beiläufig geäußerte Frage: "Wäre es nicht schön, das Boot wieder im Mittelmeer zu haben? Du könntest es doch einfach wieder von Irland zurück ins Mittelmeer segeln. Und wir könnten einfach wieder vom Deck ins warme Meer hüpfen. Wir könnten Urlaubsfreuden wie früher haben." 

In solchen Momenten wünsche ich mir wieder die gedruckte Zeitung herbei, weil man sich dahinter - anders als beim iPad - noch verstecken konnte. Wie soll ich es meiner Frau erklären, dass ich ein 13 Grad kaltes Meer mit 4 Metern Tidenhub gerade interessanter finde? Mit Seesternen an den Kaimauern, deren Arme dick wie Aale sind? Mit 16 Grad Außentemperatur und großblättrigem Kelp, der mich samt meinem Dinghi festhält, wenn ich versehentlich hineinrudere? Dass alles an diesem Atlantik irgendwie größer ist und weiter und wilder und erhabener und ich selbst im übelsten Sauwetter hier draußen noch fähig bin zu dem Gedanken: "Ist das hier schön" statt mich ins sommerlich heiße Oberbayern nachhause zu wünschen. Wie soll ich ihr plausibel erklären, dass es mir die allergrößten Urlaubsfreuden sind, mit anderen Männern auf der Werft rumzuhängen und mit ihnen gemeinsam an schwerwiegenden Problemen wie dem richtigen Anzugsmoment der Kielbolzen raumzukauen? Kann man einer Frau, die man aufrichtig liebt, wirklich glaubhaft beibiegen, dass der nachfolgend beschriebene Urlaubstag mir das Maximum aller mir denkbaren Urlaubsfreuden beschert?

Der Tag begann in Casteltownbere, wie er im letzten Post geendet hatte: Mit nassen Klamotten. Unter Deck ist alles immer noch so nass wie gestern. Der Wollpullover. Das Fleece-Innenfutter der Segeljacke. Deren triefende Ärmel. Wie sollen die Sachen auch trocknen, wenn die Luft feucht ist und schwer vom nächtlichen Regen? 

Ein Wetter, bei dem sich selbst Levjes Festmacher aneinanderkuscheln.
Wir sind zusammen mit der ALOHA I eines irischen Seglerpärchens, neben der wir im Päckchen liegen, die einzigen Seglern im Fischereihafen von Castletownbere. Von den Hängen fallen immer noch 30er-Böen in den Hafen, als wir ablegen und unter Segeln durch den schmalen Kanal zwischen Festland und Bear Island in die Südost Böen steuern. Es ist zunächst ein kippeliges Segeln, zwei Stunden mit raumem Wind durch Kreuzseen, die der Wind von hinten schickt und die nahen Felsen von vorn zurückwerfen wie eine Felswand ein Echo zurückwirft. Ein Gekabbel, in dem man sich wünscht, möglichst bald um die nächste Ecke zu kommen, damit der Wind abnimmt. Doch was ist der Mensch, dass er sich derlei wünscht?

Im Hafen hatte Bootsnachbar O'Shea von seiner ALOHA I noch herübergefragt, ob wir bei dem Wetter die Akkürzung durch die Meerenge von Dursey Island nehmen würden, das ganz im Westen dem Festland vorgelagert ist. "Oh nein", hatten wir noch versichert, durch nadelörartige Meerengen mit Untiefen würden wir nur an gaaaanz ruhigen Tagen segeln. Doch westwärts um Dursey Island herum sinds noch einmal eineinhalb Stunden länger. Mürbe vom Gekabbel beschließen wir, dem Südost zu entwischen durch die nordwärts gerichtete


Enge zu steuern. Da frischt der Wind auf, der Friedhof der unbewohnten Insel grüßt vom Ufer, wie mich das positiv stimmt für unser Unterfangen, genau hier durchzufahren: Eine schmale Durchfahrt mit angeschlossenem Friedhof! Und kurz dahinter auch noch einer Seilbahn über die Meerenge, damit Besucher Durseys aus nächster Höhe unserem Gestöppsel in der Enge auch noch live auf der Skipiste beiwohnen können.



Doch alles klappt wie am Schnürchen. Der böse Stein bleibt einfach rechts liegen, wir sind durch durch die Engstelle und freuen uns, dass der Südost jetzt einfach hinter uns liegt und wir durch Glattwasser nordwärts rauschen.

Denkste. Nordwärts Dursey weht der Südost erneut wilder, mit 25 im Mittel, später dreißig. Die Wolken am Himmel, die Schaumkronen am Horizont zeigen an, dass es heute eher wild zugehen wird 

Warum und wie ich zu meiner 29,95€ teuren neuen Segeljacke kam, lesen Sie im letzten Post, meinem Bericht mit Testergebnissen zum Thema "Segeljacken". 

als friedlich. Ich gebe gern zu, dass mir gelegentlich ein bisschen mulmig war, selbst wenn wir vor dem Wind abliefen. Aber um das abzulegen, haben wir einfach bei diesen Bedingungen ein paar der Stumtaktiken ausprobiert, die Lin und Larry Pardey in ihrem HANDBUCH DER STURMTAKTIK empfehlen, das ich derzeit übersetze und das Anfang Oktober bei millemari. erscheinen wird. Dazu haben wir in den Wellen ein kleines Video gedreht, in dem Sven und ich die Praxistipps des Buches ausprobierten. 

 


Nach drei Stunden taucht Skellig Michael am Horizont auf. Aus den Wellen ragt ein über 200 Meter hoher gezackter Fels, den Gipfel in den Wolken, auf dem noch immer die Ruinen eines Klosters stehen, das 12 Mönche und ihr Abt hier draußen im 8. Jahrhundert gegründet hatten. Die Mönche sind schon im 11. Jahrhundert von der Unwirtlichkeit des Felsens wieder verschwunden, bereits 1992 auf meiner ersten Irlandreise schlichen wir vom Ufer der Dingle-Halbinsel um den sagenhaften Felsen herum, auf dem heute Kolonien von Basstölpeln, Alken und Trottellummen nisten. Und des Papageitauchers, dessentwegen wir seinerzeit nach Irland fuhren und den wir doch nicht zu Gesicht bekamen wie die meisten, die den Puffin sehen wollen.

Zeit darüber nachzudenken, wie Menschen dort oben zwischen den blanken Zacken wohl ausgeharrt hatten in Gottesfurcht, haben wir nicht. Wenige Sekunden nach der obigen Aufnahme und kurz vor Puffin Island frischt der Wind unter einer schwarzen Regenwolke auf knapp 40 Knoten auf. 40 Knoten Wind erkennt man daran, dass die Gischt waagrecht übers Deck jagt. Wir reffen noch einmal, ich bin noch mit der Schot beschäftigt, als Sven plötzlich ruft: "Da sind sie!" Mitten im Sauwetter, als wäre das genau sein Element, plantscht ein Papageitaucher seitwärts in den Wellen, ein "Puffin" - ein kaum taubengroßer Vogel mit dem typisch roten Papageischnabel. Nur einen kurzen Augenblick ist er auf den Wellen sichtbar, und wir erkennen ihn nur, weil er aussieht wie eine Trottellumme, die eine  roten Ball im Maul trägt. Doch das leuchtend rote ist nur der Papageischnabel des kleinen Vogels. Kaum sieht er uns, fliegt der rote Papgeienschnabel davon, Richtung der Insel vor dem Festland mit den steilen Felsen, die seinen Namen trägt: Puffin Island. Wie viel das Meer einem schenkt noch in seinen wildesten Augenblicken.

Zwei Puffins auf einem Felsen. So nahe wie auf diesem Foto
haben wir die scheuen Tiere nie zu sehen bekommen.
Hinter Puffin Island wird es noch einmal wild. Um zu unserem Zielhafen Portmagee zu kommen,

Von Süden kommend (Mitte linker Bildrand) müssen wir im Uhrzeigersinn vor Skellig Michael um die gezackten Felsen herum,
um dann Kurs in den Kanal nach Portmagee (Mitte unterer Bildrand) zu nehmen.
müssen wir auf Höhe von Skellig Michael um die Felsen rum. Der Wind bläst immer noch zwischen 35 und 40 Knoten. Nur einmal ist es Levje zuviel, in einer wilden Böe vor den langen Felsrücken kann Sven sie nicht mehr halten - weil wir immer noch zuviel Segelfläche drauf haben, schießt sie "in die Sonne" und dreht ungefragt bei. Das können wir uns im engen Kanal nach Portmagee hinein nicht leisten. Also Segel runter - und schnell rein in den Kanal und angelegt an der Pier der THE MOORINGS Inn in Portmagee. Wo uns der Wirt beim Abendessen versichert: Wir hätten Glück gehabt, mit den Puffins. Die seien nur jetzt gerade 14 Tage da.

Ich glaub: Das wird noch dauern, bis Levje wieder im Mittelmeer segelt. Die irische Westküste ist doch gar zu schön!


Levje am Steg der Inn THE MOORINGS in Portmagee. Auch wenn THE MOORINGS am Abend voll ist mit irischen Reisenden, die Urlaub im eigenen Land machen: Wieder einmal sind wir fast allein im Hafen.

Im Mai 2020 erschienen. Mit noch mehr Geschichten vom Meer und Europas Küsten:



Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

"Ich habe das Gefühl, dieses Buch musste mich finden."
Schreibt ein Leser, seit 1990 in der Segelausbildung aktiv.

"Habe Dein Buch mit Begeisterung täglich inklusive Meerblick (Norderney) am Strand gelesen...
Ich hoffe, Du bringst ein weiteres Buch über Deine Segelreisen heraus."
Sagt Dominik, mein HNO-Arzt zuhause (Er segelt selber).

"... ein spannendes Werk, von dem man sobald man sich eingelesen hat und ein bisschen Liebe für das Meer empfindet, so schnell nicht wieder los kommt."

"Ein Pageturner." 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

"Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark". 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

"Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, 
sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen."
Magdalena (segelte auf dem See.)

"Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher." 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 




Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.



1 Kommentar:

  1. Hallo Thomas,

    Ich bewundere Deine Schreibe. Mich nimmt Dein Text ganz gefangen. Als wenn ich dabei wäre. Klingt so leicht, als ob die Worte nur so aus Dir herausfliessen würde. Toll!
    Bleib dran!

    Liebe Grüsse,
    Christoph vom Hafenkino.blog

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