Freitag, 10. Juli 2015

Unter Segeln: Wenn der Meltemi nicht weht. Oder: El Ninho über derÄgäis?


Irgendwie ist alles anders mit dem Wetter dieses Jahr auf Kreta und auch in der Ägäis. "Jetzt im Juli und August sollte bei uns normalerweise der Wind am stärksten wehen," sagt Mikhalis Farsaris, Vorstand der Marina von Agios Nikolaos. "Stattdessen berichten die Zeitungen hier über das verrückte Wetter: Kein Wind. Flaute. Dafür aber Regen im August - das hatten wir noch nie!"  Tatsächlich zeigen die Wetter-Animationen wie www.windyty.com dasselbe Bild für die Ägäis: Ungewöhnlich schwache Winde, wo es wehen sollte nach Kräften. Hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze. Statt eines Meltemi, der Kühlung bringt.


Meltemi. Etesien. Die jährlich wiederkehrenden Winde. Seit der Antike sind sie bekannt, der Meltemi gehört im Sommer zur griechischen und kleinasiatischen Küste wie das Alpha zum Omega. Er wacht auf im Mai und schläft ein im September. Er weht in der nördlichen und mittleren Ägäis aus Nord und in der südlichen Ägäis, da, wo er auf den Gebirgsriegel Kretas wie eine Wand trifft, eher aus Nordwest. Man findet ihn in diesen Monaten vom ionischen Meer südlich Korfu bis hinüber nach Marmaris. Er weht täglich. Meist vom frühen Nachmittag an. Manchmal auch durchgehend Tag und Nacht. Manchmal eine Woche lang. Und wenn er sich nachts nicht schlafen legt, ist das für seine Laune am folgenden Tag kein gutes Zeichen. Weil er dann meist fauchend noch zulegt. 

Zwischen den Inseln fegt er aufgrund der Kapeffekte manchmal bis zu 40% stärker als angekündigt:

                                                                         Das Video: Meltemi! Meltemi! Hier klicken.

Er bläst in Lee von Inseln und Gebirgszügen mit Böen, die hart aufs spiegelglatte Wasser schlagen und Yachten zur Seite legen.

                                                                         Das Video: Wenn der Meltemi bläst. Hier klicken.

Und sorgt in Ankerbuchten der Ägäis für Fallböen, die ihresgleichen suchen.

Verursacht wird der Meltemi durch zwei Drucksysteme: Ein Hoch über Balkan/Ungarn. Ein Tief über der Zentraltürkei. Jedes dieser beiden Drucksysteme wirkt wie ein Schaufelrad, und zwischen den nebeneinander liegenden riesigen Schaufelrädern, die sich in gegensätzlichen Richtungen nach Süden drehen, werden gewaltige Luftmengen aus dem Baltikum angesaugt, die am Ende von den Schaufelrädern mit hohem Druck nach Süden über Nordgriechenland hinausgepresst werden in die Ägäis, zwischen die beiden Festlandssockel von Griechenland/Peloponnes im Westen und Türkei im Osten. Dort, wo die beiden Festlandsmassen, die wie Seiten einer gewaltigen Trillerpfeiffe wirken, enden, fächert der Meltemi in Böen aus: Nach Westen um die Südostecke des Peloponnes. Nach Osten hinein in den Golf von Gökova und von der Datca-Halbinsel vor Marmaris nach Südost herunter.

Aber dieses Jahr funktioniert das gewaltige Pumpkraftwerk nicht - ein einmaliges Phänomen! Die Bracknell-Karte vom heutigen 11. August zeigt, warum:


Wer auf die rechte Hälfte der Karte schaut, sieht Auffälligkeiten: Die Karte, die alle aktuellen Hochs und Tiefs von Grönland (mitte oben) bis zur Türkei (rechts, obere Hälfte) verzeichnet, zeigt im rechten Drittel nur eines: gähnende Leere. Bis auf ein kleines Tief nördlich Sizilien (L 1009) - ist da: Nichts. Kein Hoch über dem Balkan. Kein Tief über der Zentraltürkei. Die großen Schaufelräder - sie sind einfach nicht da.. "Zum zweiten Mal, solange ich denken kann," sagt Mikhalis Farsaris, der wie seine Frau auf Kreta geboren ist. "Wir hatten das nur einmal, 2002: da wehte im Sommer statt des starken Meltemi aus Nordwest nur ein laues Lüftchen aus Süd. Merkwürdig war das."

Zum Vergleich zum heutigen 11. August 2015 der 11. August 2011: Der hat aufgrund des starken Meltemi sogar Eingang in WIKIPEDIA's Meltemi-Artikel gefunden. Er wehte in den Tagen vor vier Jahren so stark, dass der HELLENIC NATIONAL METEOROLOGICAL SERVICE, das nationale Griechische Wetteramt, Extremwetterwarnung für Nord- und Zentralgriechenland geben musste. Extremer Wind. Extreme Böen.

Und dieses Jahr: Nichts. Jedenfalls bislang nicht. Dabei wissen Meteorologen, dass der Meltemi Teil des Nordostpassats ist - und damit Bestandteil eines der stabilsten Wetterphänomene in der Menschheitsgeschichte überhaupt. Sebastian Wache, Meteorologe bei WETTERWELT, über die Beständigkeit der Etesien: "Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass es in einer Normalzeit auf der Erde immer die gleichen Windverhältnisse gibt. Insbesondere im östlichen Mittelmeer, da hier das Hitzetief über der Türkei eines der stabilsten und regelmäßigsten Phänomene in der Meteorologie ist. Das impliziert auch den Meltemi/Etesien - und in den Übergangsjahreszeiten den Lodos."

Und jetzt? "Die Windsurf-Clubs hier sind verzweifelt. Nichts geht." Kretische Zeitungen und Webseiten berichten über das "El Ninho"-Phänomen. Aber nächste Woche: Da kommt er zurück, der Meltemi. Jedenfalls sagt WINDGURU.CZ und andere das voraus. Mal sehen, ob das so stimmt. Denn eigentlich sagen die Wetterdienste das so schon den ganzen Sommer voraus. Und mussten kurzfristig ihre Vorhersage wieder korrigieren. Das große Pumpwerk - es will einfach nicht anspringen.


Vorankündigung:
Wer mehr erfahren möchte übers Segeln in der Ägäis: 
In etwa vier Wochen, Mitte September 2015,
erscheint der Film zum gleichnamigen Buch 
EINMAL MÜNCHEN - ANTALYA, BITTE.
Der Film kostet € 24,95. Bestellungen bitte per eMail-Kontaktformular rechts außen.
Und natürlich ist er in diesem Film einer der Stars: Der Meltemi.



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