Sonntag, 22. Juni 2014

Der Mensch und seine Sachen: Peschici. Oder das liebe Geld.


Das ist der schöne Ort Peschici, am Nordufer des Gargano gelegen. Und dieses Dörfchen mit seinen 4.300 Einwohner weicht gleich in zweifacher Hinsicht von allen uns bekannten Normen ab. Zum einen lautet die Aussprache "Pä:skitschi", mit Akzent auf der ersten und nicht der vorletzten Silbe. Zum anderen, weil am 31. Oktober 1998 alles, aber auch wirklich alles ganz anders für die Bewohner von Peschici als den Rest der Welt lief. An diesem Tag nämlich gewann eine Tippgemeinschaft die für die damalige Zeit sagenhafte Summe von 32 Millionen Euro. Und teilte das Dorf in Gewinner und Nicht-Gewinner. In Leute, die in dieser Woche ihren Lottoschein abgegeben und solche, die das in dieser Woche eben nicht getan hatten.


99 Bewohner eines Dorfes gewinnen 32 Millionen Euro. Der Kioskbesitzer gewann, der Automechaniker auch, mindestens ein Fischer, die arme Wittwe und, ja: auch der Pfarrer. Ob dies alles jetzt mit den Systemzahlen des Tabbachaio Fernando de Nittis zu tun hat oder ob der in nächster Nähe wirkende und in Italien hoch verehrte Padre Pio seine stigmatisierte Hand im Spiel hatte: wir wissen es nicht. Ein Geldregen ging über einen Teil der Bewohner nieder, die dann damit allerhand anstellten. Den Lottoschein mit den Glückszahlen in Marmor sichtbar in die Hauswand einmörteln. Ein Museum mit Folterwerkzeugen in Peschici einrichten (Ida und mir ist danach schlecht, wir wollten doch bloß die Burg ansehen). Eine Waschstraße hinstellen, wo sie keiner braucht. Eine Weihnachtskrippe ("Presepe") bauen. Mitten im Ort eine Villa beginnen, die als Rohbau endet. Eine Feriensiedlung am Strand errichten. Und zumindest in diesen Dingen unterscheidet sich Peschici in Nichts von all den anderen Orten in der Umgebung am Meer. Peschici ist ein netter Ort.

Und ein großes Restaurant gleich am Hafen gibt es.


Das ist Francesco, der uns empfängt und durch das merkwürdig riesige, aber merkwürdig leere Restaurant führt. Es hat mindestens vier, fünf, sechs unterschiedliche Speisesäle. Hier passen mindestens acht Busse rein. Verglaste Blicke in unterirdische Grotten auf wogendes Meer. Einen Balkon, hoch über dem Meer, mit nur einem Tisch. Ein Platz, um einen Heiratsantrag zu machen. Aber da wollen Sven und Ida nicht mit mir essen.
Als ich Francesco frage, ob er der Restaurantbesitzer sei, wird seine Miene bekümmert: "Ma, sono poverino." Ich bin ja nun ein ganz Armer. Der Pizzaiuolo hier im Restaurant sei er, der, der die Pizze macht. Und aus Neapel sei er. Er hätte hier seine Frau kennengelernt. Und wieso ausgerechnet nach Peschici, frage ich. "Dove si nasce non si muoio." Man stirbt nicht, wo man geboren ist. Das sitzt.

Das Essen ist ausgezeichnet. Die Pizze von Francesco sind groß wie LKW-Reifen und Sven entwickelt schöne Theorien, warum er als erster damit fertig ist. Peschici ist schön.

Bis auf den nächsten Morgen. Da erscheint der Hafenmeister, pumpt sich vor Levje auf, bis seine Körpergröße ihm tatsächlich bis zu den großen Schulterklappen reicht. Wieso wir denn mit dem Boot hier im Hafen liegen würden? Wer uns das denn erlaubt hätte? Warum wir uns nicht bei ihm gemeldet hätten? Da wäre eine Strafe ("Un verbale", was für ein wunderschönes Wort) in Höhe von 1.300 € fällig. Wir sollten sofort ablegen. Und den Hafen verlassen. 

Und während wir in Ruhe unseren Espresso trinken, den uns der zornige Hafenmeister-Gott noch knurrend zugestand, sinnieren wir, was den Mann an diesem schönen Ort so in Rage gebracht haben mag. Vielleicht waren ja die gestrigen Lottozahlen daran schuld?








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