Zeitsprung. Ich bin nun seit einer Woche in Sizilien unterwegs. Und die Nachricht vom Votum Großbritanniens erreicht mich an diesem Freitag Morgen im Hafen von Sciacca (gesprochen: Schakka) an der Südküste Siziliens. Sciacca: Ein 40.000 Einwohner-Städtchen mit Hafen und Thermalbad. Von hier aus sind es noch 100 Seemeilen nach Tunis, aber 250 nach Rom - geografisch. Mental ist Sciacca ganz klar Italien. Ein touristisch propper entwickelter Ort, der vorbildlich etwa in markierten historische Rundwege, eine zentrale Piazza oder einen eigenen kontrollierten "Sciacca DOC"-Weinbau investiert hat. Das bessere, das zukünftige Sizilien also, das Chancen nutzt und ergreift.
Was denken die Menschen hier in Sciacca an diesem Morgen über den Ausstieg Großbritanniens aus Europa? Was hoffen, was fürchten sie? Ich packe an diesem Morgen, kaum dass das Gewitter über LEVJE draußen vorüber ist, meinen Rucksack und ziehe los. Und frage einfach die Menschen auf der Straße.
Ich habe das Gelände des CIRCOLO NAUTICO CORALLO, wo ich mit LEVJE liege, kaum verlassen, da läuft mir Vicenzo über den Weg. Er ist Marinero hier im Club, hat einen Vertrag für zwei, drei Monate, die er aushilft. Gestern unterhielten wir uns noch über die Kunst, Bistecca richtig zu braten. Und heute BREXIT.
Vincenzo: "Ich finde es vollkommen richtig, dass die Briten austreten. Europa funktioniert nicht - da essen zu viele aus demselben Teller. Auf politischer Ebene irgendwelche Honoratioren, auf Länderebene irgendwelche schwachen Länder. Nein. Wenn ich heute zu entscheiden hätte: Ganz schnell wäre Italien draußen.
Und überhaupt: ich mag die Deutschen. Aber ein starkes Deutschland, eine starke Merkel: Nein, das würde mir gar nicht gefallen."
Das fängt ja schon deftig an. Vincenzo lässt sich in seiner Meinung auch gar nicht beirren. Ich wackle weiter um die Hafenbucht und komme zu Nino.
Nino ist der Wirt des hiesigen RISTORANTE ITALIA. Ich kenne Nino, weil ich nun schon zwei Mal vergebens bei ihm angefragt habe, um einen Tisch zu bekommen - zwei Mal vergebens. Sein Fischrestaurant am Hafen brummt. 632 Bewertungen mit vier Sternen auf der einschlägigen Essensplattform muss sich nicht verstecken. Auch Wirt Nino hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Er zählt auf:
"Wir sollten auch raus aus Europa. Ich sage erstens, das funktioniert nicht mit dem Euro. Und zweitens: Früher, als alles schlechter war, war es besser. Damit meine ich, dass heute beim Essen jeder doch jeden Centesimo zwei Mal rumdreht, bevor er ihn ausgibt. Die Leute haben einfach kein Geld mehr. Nein, als wir die Lira hatten, war alles besser."
Ich wage einen Widerspruch: "Das mit den Steuern ist aber doch Eure italienische, nicht europäische Politik?"
Nino stutzt etwas: "Trotzdem. Raus aus dem Euro. Raus aus Europa."
Oh je. Wenn das nun so weitergeht? Naja, dann weiß ich wenigstens, was ich denken muss.
Ein paar Meter weiter treffe ich Roberto in seinem Laden. Er steht vor seinem Brennofen und stellt in seinem Laden die wunderschön glasierten sizilianischen Platten und Schalen her. Sie werden zur Hälfte von Einheimischen, zur anderen von Touristen gekauft.
Roberto: "BREXIT? Was ist das? Ich habe nichts mitbekommen?"
Robertos Tochter, 12 Jahre: "Paaaapaaaa! Sie sind ausgetreten. Die Engländer."
Roberto: "Ach so?"
Na gut! Wenigstens einer, der keine schlechte Meinung hat über dieses zarte, zerbrechliche Plänzchen Europa. Das ist schon mal was! Meine Hoffnung wächst, als ich die 100 Stufen vom Hafen hinauf in die eigentliche Siedlung erklimme. Oben stehe ich dann auf der großen Piazza. Und da treffe ich dann Desirèe.
Desirèe stammt aus dem Norden, aus Treviso. Und überrascht stelle ich fest, dass sie das gleiche tut wie ich. Sie arbeitet an Segelbüchern. Na das ist ja eine Überrraschung! Trotzdem. Was denkt sie über das Votum Großbritanniens?
Desirèe: "Das ist überhaupt keine gute Nachricht. Das stellt doch Europa komplett in Frage. Ich mache mir Sorgen!"
Ähnlich sieht es auch Marco, de nach eineinhalb Stunden auf der Terrasse des Cafés zu uns stößt.
Marco und Desirèe leben auf einem Motorschiff. Es ist ihr Büro, und sie kartografieren von hier aus die sizilianischen Häfen und Buchten. Und machen Seehandbücher daraus.
Marco: "Eigentlich ist das alles verheerend! Das ist doch ein ganz großes Signal der Schwäche, das dieses Europa aussendet. Es ermutigt doch andere Nationen, die gleiche Abstimmung loszutreten und vielleicht Europa ebenfalls zu verlassen. Nein. Kein guter Tag."
Nun ist mein Weltbild doch wieder einigermaßen geradegerückt. Nicht alle meine Gesprächspartner wollen Italien verlassen. Viele Italiener machen sich doch ihre Sorgen. Auf der Straße treffe ich zwei junge Deutsche, Manu und Kim. Die beiden Hamburgerinnen sind Mitte/Ende 20 und machen Urlaub hier Sciacca. Was Sie denn über den Abschied von England aus Europa dächten? Schließlich seien sie doch in Hamburg Großbritannien um so vieles näher als der Süden.
Manu: "Ich bin schon geschockt. Großbritannien ist schließlich eine der vier größten Wirtschaftsmächte in Europa. Das wird wirtschaftlich für Deutschland ganz sicher Konsequenzen haben. Ich fürchte vor allem die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland."
Kim: "Ich finde es ganz gut, dass Großbritannien aus Europa austritt. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass die Briten immer noch an ihrer Monarchie festhalten - und die kostet doch unendlich viel Geld, auch unseres. Nein. Es ist gut, dass die Briten sich entschieden haben und rausgehen."
Als ich die beiden bitte, ob ich sie für meinen Beitrag fotografieren darf, sind sie nicht glücklich. Wie viele aus der deutschen "Generation Facebook" gehen sie anders als andere sensibel mit dem Thema Fotos um.
Ein paar Schritte weiter treffe ich Calogero und Ruggiero in einer Bar. Beide sind hier geboren, Calogero studiert und arbeitet in Rom im Bereich "Human Resources" und ist gerade auf Urlaub hier.
Calogero: "Den Ausstieg Großbritanniens aus Europa finde ich gar nicht gut. Das ist schließlich nicht ein kleines Land wie Albanien, was da eben mal seine eigenen Wege geht. Ein ökonomisches Schwergewicht - und wie sollen jetzt die restlichen Länder denn die ganzen finanziellen Aufwendungen ohne Großbritannien schultern? Das ist nicht gut."
Auch Ruggiero denkt so. Er ist angehender Jurist in Palermo und ebenfalls auf Urlaub in seiner Heimat. Wie denn Italien heute entscheiden würde, wenn es auch hier eine Abstimmung gäbe? frage ich ihn. "Das sähe nicht gut aus, höchstwahrscheinlich. Vermutlich würde Italien ebenfalls rausgehen. Europa hat mit seiner Bürokratie zu viele verstört." Und Calogero lächelt versonnen: "Eine solche Abstimmung wird es in Italien wahrscheinlich nie geben. Sie würde einfach auf halbem Weg irgendwo hängenbleiben. Nein. Da mache ich mir keine Sorgen."
Nein. Ein richtiger Trost ist mir das alles nicht, was ich gehört habe. Auch die Menschen in Sciacca denken sich ihren Teil, machen sich ihre Gedanken über das, was die Menschen weit nördlich an einem ganz anderen Meer für sich und ihre Zukunft entschieden haben. Es ist vor allem das junge Italien, das sich Sorgen macht, das Schwierigkeiten und negative Auswirkungen klar vor sich sieht.
Eines scheint mir allerdings klar. Auf dem bisherigen Weg gibt es kein weiter. Die Straße des "Weiter so!" ist versperrt. Es scheint, dass die bisherigen Institutionen, die bisherigen Formen, in denen Europa sichtbar ist und wirkt und tätig ist, ein Brüssel, ein Europa-Parlament Straßburg, ein Komissionspräsident Juncker und ein Parlamentspräsident Martin Schulz den Kontakt zu den Menschen verloren haben.
In Großbritannien. Aber auch hier in Sciacca, an der sizilianischen Südküste.
Mare Più: heißt "mehr Meer".
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Wie es ist, auf einem kleinen Segelboot
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Demnächst auch in den CINEPLEX-Kinos
in Aichach und Germering bei München.
Das sagt die Presse über Buch und Film:
"... ein Sehnsuchtsbuch par excellence.
Und ein echtes sinnliches Erlebnis."
MÄRKISCHE ZEITUNG im Oktober 2015
"... eröffnet dem Weltenbummler ganz wunderbare Traumziele, auf die man
bei üblicher Herangehensweise schwerlich gekommen wäre."
YACHT im Mai 2015
"Die Besonderheit des einstündigen Streifens ist seine Ruhe.
Eine Ruhe, die der Film mit poetisch angehauchter Sprache und sinnlichen Bildern von Szene zu Szene eingehender vermittelt."
SEGELREPORTER im Dezember 2015
"... ein schönes, ein gelungenes Werk, animierend und inspirierend."
LITERATURBOOT im Juli 2015
"Absolut empfehlenswert!
Für Reisebegeisterte ist 'Einmal München-Antalya, bitte!' definitiv zu empfehlen."
RATGEBER.REISE. im Juni 2015