Donnerstag, 2. Juni 2022

Mein Sommertörn 2022: Von Irland nach Kroatien (1): Wie segelt man von Dublin nach Dubrovnik?

Neben meinen Sonntag-Abend-Posts über Kroatien werde ich in den nächsten Wochen auch jeden Mittwoch/Donnerstag über meine Reise von Irland nach Kroatien berichten. Heute ein erster Post über Irland. Und die geplante Route nach Kroatien.




Sonntag, 21. Mai 2022 Südostküste Irland, Fährhafen Rosslare

Das Meer vor Irland an diesem Morgen ist wie ein verhangener Blick aus irritierend grünen Augen, die mich fragend ansehen. Der Himmel im Norden wolkenschwer, das Meer leicht wogend, als würde es sich mit jedem seiner Atemzüge heben und senken. Über allem: Der in der Luft schwirrende Ton einer singenden Sirene.

Die singende Sirene: Das ist das beruhigende Sirren von Levjes Propellerwelle, die sich langsam unter mir dreht, während wir unter Vollzeug von Dublin südwärts laufen. Das Sirren sagt mir, dass wir unter Segeln gerade langsam vorwärts kommen. Levjes Propellerwelle erzeugt diesen rätselhaften Ton, der in Wirklichkeit aus mindestens sieben Einzeltönen besteht, wenn sich bei schwachem Wind die Propellerwelle einfach leer mit dreht.

Gestern sang keine Sirene. Es ging nach dem Ablegen zur Sache. Beim Aufwachen morgens um 6.30 Uhr wehte der Wind schon mit 5bft. vom Fluss herauf. Später auf dem Meer 35 bis knapp 40 Knoten und brutal kabbelige See. Zuviel für einen allerersten Schlag, wir bezogen eine Tracht Prügel, weil wir noch nicht bereit waren. Im Ergebnis: Wasser im Boot, weil ich ein Seeventil nicht geschlossen hatte. Leer geräumte Schapps und Regale, deren Inhalt in wirren Strudeln im Gekabbel über den Boden rollte.

Ich wünschte mich zurück an den Fluss, an dem Levje seit August 2019 gestanden hatte. Der Fluss: Das ist der River Barrow im Südosten Irlands, wo Michael und Stephen Kehoe 10 Seemeilen vom Meer entfernt in New Ross ihren gleichnamigen Werftbetrieb New Ross Boatyard betreuen. Dort hatte nicht nur Levje seit 2019 in Winterstürmen und Lockdowns einen stets sicheren Platz gefunden, sondern auch ich. Ich weiß nicht, was das Geheimnis  ist, dass ich immer wieder unvermutet an unwirtlichen Orten - auf dem Meer, einer Werft mit all ihrer Männer-Hardware, wie bei Michael und Stephen Menschen und einen Ort finde, der mich trägt. Und den ich vermissen werde.

Denn in diesem Sommer will ich Levje von Irland zurücksegeln ins Mittelmeer. Zuerst die Ostküste hinauf nach Malahide, wo Michael für mich einen zuverlässigen Rigger aufgetrieben hat, um dort die Wanten zu und Stagen erneuern zu lassen. Von dort dann entweder zur Isle of Man weiter nördlich, die ich noch nicht kenne. Und wenn der Wind gut ist, noch einmal um Irland herum. Ein letztes Mal, weil ich mich nicht losreissen kann von dieser Insel und den Meeren um sie herum. Denn Irland, das ist ursprüngliches Segeln in Reinform, wo man tagelang kein anderes Segelboot trifft. Wo die Flussfähre von Ballyhack gestern über dem River Barrow respektvoll in ihrer Fahrt innehält, um der motorenden Levje den Vortritt zu lassen. Wo wir an diesem Morgen Puffins, Papageientaucher neben dem Boot entdeckten.

Ihr merkt, wie schwer es mir fällt, von hier wegzugehen. Warum, davon erzählen vielleicht die Fotos, die mehr sagen, als ich es kann.

Der Leuchtturm von Wicklow an der irischen Ostküste. 

 Sind die Winde für eine zügige Umsegelung Irlands im Gegenuhrzeigersinn ungünstig, was wahrscheinlich ist, segeln wir weiter südwärts zu den Scilly Isles vor der Westspitze Cornwalls. Von den Scillies weiter nach Süden, und wenn der Wind es will, direkt nach A Coruna oder Vigo an der spanischen Nordwestküste. Dann weiter entlang Portugal und Andalusien bis Gibraltar und von da über die Balearen, Sardinien und Sizilien nach Süditalien und die ionischen Inseln. Und dann von Korfu aus nordwärts nach Kroatien bis nach Norden.

Es ist ein anspruchsvoller Törn. 1.300 Seemeilen sind es von Dublin allein bis Gibraltar. Und von da aus noch einmal 1.600 Seemeilen bis Nordkroatien. 3.000 Seemeilen, über 5.500 Kilometer, wenn ich vernünftig bliebe und nicht meinem Hunger nach Irland nachgeben würde. Es wären noch einmal 900 Seemeilen und drei Wochen mehr. Mai/Juni Irland. Ende Juni Gibraltar. Ende Juli Mallorca. Mitte August Sizilien. September und Oktober westgriechische Inseln und Kroatien.

PS: Alle Wanten und Stagen sind ausgetauscht. Wohin die Reise nun wirklich geht, das erzähle ich im nächsten Post. Begleiten wird mich auf meiner Reise Sven. Wir teilen, Brüder im Geiste, den Hang

Was ich beim Schreiben meines Textes noch nicht ahnte: Sven wird in der Marina von Malahide in drei Tagen ungefähr 20 Mal in den Mast klettern, um bei stehendem Mast, den wir zuvor in alle Richtungen gesichert, in drei geplanten Schritten alle Wanten und Stagen abzumontieren. Und die neuen Wanten wieder anzubringen

zu den unwirtlichen Orten am Meer seit über 20 Jahren. Und Caruso, der Teddybär-Winzling, den mir meine Frau zusteckte, damit ich den Weg zu ihr Nachhause in den geplanten fünf Monaten sicher wiederfinde. Ich weiß, dass sie auf uns wartet.





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