Zwar besitzt meine LEVJE vom Typ DEHLER 31 hervorragende Matratzen, die meine matratzenkritische Katrin und mich jederzeit begeisterten: aber in den langen Nächten im Winter in südtürkischen Finike war doch nicht zu übersehen: dass ich durch den Schaumstoff hindurch die hölzerne Unterlage spürte. Zeit also, die leidige Matratzenfrage einer Lösung zuzuführen. Und welcher Ort eignet sich dafür besser als das schöne Marmaris?
Eigentlich ist Marmaris ja eine Stadt mit zwei Gesichtern: Des Nachts die Ausgeburt der Hölle, was den Lärm angeht, der aus der Bar-Street quillt: eine Kakophonie von zusammengerechnet 19 Oktoberfesten, 13 Hard-Rock- und Techno-Konzerten. Ein unqualifizierter Lärmbrei, zusammengerührt aus Technogewummer und orgiastischen Männerschreien, ein ohrenschmerzender Lärmmüll, in dem man noch drei Kilometer entfernt in der kleinen Marina wachliegt und vergeblich nach brauchbaren Trümmern irgendeines Lieblings-Songs stochert. Nichts da. Nur eckelfarbene Lärmschmiere, die außen und innen um meine LEVJE wabert, als wäre selbst LEVJE nichts anderes als eine Lautsprecherbox. Tagsüber aber zeigt Marmaris dem Segler ein ganz anderes, ein freundliches, ja geradezu begeisterndes Gesicht: Die Marina brummt und summt vor lauter Ausbesserungsarbeiten, es geht zu wie in Patrick O'Brian's JACK AUBREY-Romanen, wenn der Held sich auf die Suche nach neuen Spieren und 12-Pfündern für seine SOPHIE macht. Da reiht sich Ausrüstungsladen an Ausrüstungsladen, blinkende Edelstahlteile lassen mein Herz höher schlagen und supertolle Ankerwinschen im Schaufenster. Neue Spielsachen für LEVJE gäbe es da zuhauf, die Jagdsaison von einem zum anderen Laden ist eröffnet. Und auch ein YANMAR-Händler ist da, der meine Seewasserpumpe für LEVJE um sagenhafte 250 EURO günstiger anbietet als der stets freundliche Händler vom Bodensee, der schlappe 1.050 EURO für das etwa faustgroße Teil von mir will. Marmaris: ein Paradies. Selbst die Türken sagen, dass es keinen Ort gibt, an dem man ein Schiff besser überholen lassen kann und mehr Teile fände als hier in Marmaris. Und mittendrin im Paradies, nur wenige Schritte von dort, wo nachts der Lärmbrei aus den Häusern zum Himmel quillt: treffe ich auf Vicdan und Halil, von Beruf "döseme": ehrbare Yachtpolsterer.
Vicdan und Halil betreiben ihre Yachtpolsterei nun schon seit zehn Jahren. Und als ich mit meinem Kummer unter dem Arm in Form von LEVJEs Matratze vor Ihnen stehe, wissen Sie auch irgendwie gleich, wie es jetzt weitergeht. Vicdan, die fürs Reden und Übersetzen im Betrieb zuständig ist, breitet gleich vor mir aus, was es da an Sachen gibt. LATEX-Matratzen. Schaumstoff-Matratzen. Schaumstoff-Matratzen mit extra weichem 3cm-Schaumstoff oben drauf. "Eigentlich" sagt Vicdan, "sind Matratzen nach zehn Jahren am Ende und sollten ausgetauscht werden. Aber das macht eigentlich niemand." Aus ihrem zarten Englisch ragt das deutsche Wort "kaputt", das sie verwendet, heraus wie ein Fels, vor dem mein Gewissen ganz kleinlaut steht, weil LEVJE's Matratzen nun wirklich älter als zehn Jahre sind. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und gerade auf dem Boot ist die Methode "lieber alt und wissen was man hat als neu und nur vermeintlich problemlos" nicht die schlechteste.
Da ich gerne hart schlafe, entscheide ich mich nach Probeliegen für die Schaumstoff-Matratze. Die ohne Softie-Dingsbums obendrauf. "Männer halt", wie meine reizende Freundin Susanne ob meiner Begeisterung für Ankerwinschen und derlei seufzend wenige Minuten vorher ausstieß. Wobei ihr Seufzen schon einen wahren Kern hat: Denn das mit dem "Probeliegen" ist ja schon ein tückisches Ding, und das nicht nur in der Türkei: Ist das, was man eben beim Liegen als "angenehm hart" empfand, auch heute Nacht kurz nach halb vier immer noch angenehm? Kann ich denn jetzt schon sagen, wo es heute Nacht drücken, zwicken wird? Wo meine Wirbel knacken werden? Nein, Probeliegen ist echt nur ein Placebo. Trotzdem: lieber zu hart als zu weich.
Also macht sich Halil mit seinem Heißschneider flugs ans Werk, um meine Matratze zuzuschneiden. Es macht Spaß, ihm bei der Arbeit zuzuschauen, und es geht auch verflixt schnell. Als Halil fertig ist, bin ich so verzückt vom Ergebnis: dass ich beschließe, schnell noch in die Marine zurückzufahren und auch Katrin's Matratze zu erneuern. Rapszaps.
Und so kam LEVJE an diesem Nachmittag zu zwei neuen Matratzen. Herzhaft freute ich mich auf die Nacht. Aber es kam, wie es kommen musste: Irgendwann wurde es auf LEVJE morgens halb vier. Umhüllt vom zähen Lärmbrei, der aus der Kilometer entfernten Bar Street an der Netsel Marina herüberdrang und mir Ohren, Mund und Nase verklebte, Umsummt von Myriaden von Mücken fühlte sich die Matratze plötzlich - hart an. Sehr hart. Sehr sehr hart. Mit eiskalter Klarheit schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass Katrin nie, nie wieder LEVJE betreten würde, wenn sie auf dieser Matratze schlafen müsste. Also trabte ich schon am frühen Morgen wieder in die Stadt, die zweite Matratze unterm Arm, und betrat mit sorgenvoller Miene Vicdan und Halil's Laden am Fluß. Aber wie man aus der Literatur weiß: ist einem richtigen Yachtpolsterer kein menschlicher Kummer fremd. Und so fanden die beiden eine Lösung.
Ich aber werde weiter auf meiner neuen Matratze schlafen. Erstens ist ja nicht nur die hart. Ich bin es auch. Und zweitens kündigte die gute Vicdan an: dass meine Matratze ja schon bald, bald weicher werden würde. Nämlich in etwa drei Jahren.
Mal sehen, wer eher nachgibt.
Und wer jetzt Appetit auf neue Matratzen bekommen hat: die Firma von Vicdan und Halil heißt AKTIF DÖSEME und ist nur wenige Schritte von der Netsel Marina entfernt: Einfach am MIGROS MARKT den Fluß und über die zweite Brücke nach links aufs andere Ufer. Oder hier auf die Website von Vicdan & Halil. Die beiden sind echt nett und betreiben ihr Geschäft schon über zehn Jahre. Und da sie pro Jahr etwa für 200 Yachten tätig sind, macht das in zehn Jahren ....
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