Nehmen wir als Beispiel den vierten Kreuzzug. Im Frühjahr des Jahres 1198 beschlossen ein paar Leute, ganz woanders hinzugehen. In diesem Fall nach Jerusalem, Sarazenen verhauen. Um die Transportmöglichkeiten von hier nach da zu besprechen, erschien im März 1201 eine Delegation des südfranzösischen Veranstalters in Venedig beim fast greisen, aber hellwachen Dogen Enrico Dandolo. Buchen war damals noch nicht so einfach und frei von finanziellen Nachteilen, wie das heute so ist, mit einem Klick. Die Verhandlungen dauerten eine Woche, aber danach einigte man sich: Venedig würde bis Sommer 1202 die Schiffe für den Transport von 4.500 Rittern samt Pferden, 9.000 Knappen und 20.000 Mann Fußvolk stellen. Dafür sollten die Reisenden den Venezianern 85.000 Silbermark bezahlen. Das klingt nicht viel, war aber vergleichsweise das Doppelte dessen, was der König von Frankreich an Einnahmen pro Jahr hatte. Zusätzlich verständigte man sich, den Venezianern für ihre Transportleistung die Hälfte aller eroberten Gebiete zu übergeben. Die Delegation war's zufrieden, die Venezianer legten los.
Wie so oft im geschäftlichen Leben zeigt sich, dass unzeitige Euphorie ein schlechter Ratgeber ist, wenn es um Planung und Mengen geht. Statt der verhandelten 35.000 Reiselustigen erschienen im Sommer des Jahres 1202 an der Lagune nur 10.000. Und die Kollekte unter ihnen brachte auch gerade mal nur 41.000 Silbermark statt der ausgehandelten 85.000 zusammen. Doch Enrico Dandolo hatte eine Lösung: Wenn die Herren unentgeltlich im Vorbeifahren bei der Rückeroberung des gerade abtrünnigen Zadar im heutigen Kroatien mithelfen würden: dann, ja dann könne man den fehlenden Betrag einstweilen stunden.
Man verstand sich prächtig. Zara, wie Zadar damals hieß, war für die reisenden Glaubenskrieger ein "Trainingscamp", ein großer Spaß - für alle anderen ein Massaker. Und weil in Byzanz gerade Thronwirren herrschten und ein byzantinischer Kronprätendent den fatalen Fehler beging, die Reisenden um ihre Hilfe zu ersuchen, beschlossen diese, doch 1204 einen kleinen Umweg über den Bosporus zu machen. Und dort nach dem Rechten zu sehen.
Die Beute war unermesslich. Arne Karsten, dessen hervorragendem Buch "Eine kleine Geschichte Venedigs" (C.H.Beck) ich die Details verdanke, schreibt, dass man die Beute trotz aller Zerstörung, Plünderung, Verwüstung auf über 400.000 Silbermark schätzte. Die Plünderung und Zerstörung einer christlichen Hauptstadt, das Rauben und Morden waren so unfassbar, dass die offizielle venezianische Geschichtsdarstellung, sonst mit Mythenbildung schnell bei der Hand, etwa 400 Jahre brauchte, ehe sie auf das Ereignis einging. Man schämte sich. Und verdiente prächtig. Und wer beim nächsten Venedig-Besuch die vier Pferde auf dem Markusdom sieht: der bedenke, dass einem heute noch der Führer in Istanbul im Hippodrom die Stelle zeigt, wo die Pferde ursprünglich standen. Bevor die Venezianer sie als Trophäe heimbrachten.
Aber nicht allein Venedig machte ein gutes Geschäft mit gläubigen Reisenden. Das eigentliche Transportwesen für die einträgliche Strecke nach Jerusalem leisteten über mehrere Jahrhunderte vorwiegend Trani und Bari. Und Brindisi und Otranto. Und ein sichtbares Ergebnis dieses unglaublichen prosperierenden Geschäftes mit dem Transport ist die Kathedrale von Trani.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen