Wer heute von Deutschland kommend die Grenze kurz hinter Triest nach Slowenien überquert, stellt fest, dass es immer noch eine mächtige Grenze ist. Eine Sprachgrenze. Kommt man eben noch mit romanischen Grundkenntnissen glänzend durch die Welt, ist mit Betreten des slawischen Sprachraums alles anders. Von eins bis drei gehts noch ("ena", "dwa", "tri"), aber spätestens bei vier ("schtiri") fliegt man aus der Kurve. Die Wurst heißt "Klobase", "Popušt" der Rabatt, Männer sind plötzlich "moški" und Frauen "Zenški". Zwar kommt man in Istrien mit Italienisch besser durch, obwohl unmittelbar nach dem Krieg die Vertreibung aller Italienischstämmigen einsetzte. Aber man trifft oft auf Slowenen, die eben nur slowenisch sprechen. Und zu denen gehört Slobo.
Slobo arbeitet in Izola im Hafen. Er nimmt in die Hand, was viele Bootsbesitzer nicht gerne in die Hand nehmen: den Pinsel mit den giftigen Antifouling-Farben, mit denen das Unterwasserschiff einmal jährlich gestrichen werden muss, weil es ohne diese Brachialbehandlung innerhalb weniger Wochen einen glibberigen Bartähnlichen Bewuchs aus Tausenden verschieder Organismen tragen würde.
Meine Bekanntschaft mit Slobo begann mit einem handfesten Krach. Er strich um mich und Levje, mein Schiff herum, als ich es am Land auf Hochglanz polierte. Erst sah er mir skeptisch zu. Dann stand er plötzlich mit seiner eigenen Poliermaschine, die er liebevoll "Polirka" nannte und seiner eigenen Polierschmiere neben mir. Und wollte loslegen. An meiner Levje! Mit seiner Schmiere!
Ich verscheuchte ihn. "Thomas = Problem!" maulte er, was fortan seine Begrüssungsformel für mich war. Und trottete davon, seine Polirka traurig unter dem Arm.
Am nächsten Tag stand er plötzlich neben mir, als ich Levje's Unterwasserschiff mit Antifouling strich. Hatte plötzlich eine Farbwalze in der Hand. Und strich neben mir Levje's Unterwasserschiff. Ich argwöhnte Finsteres. Da will einer Geld. Der will bestimmt hinterher 200 €. Was solls.
Ich muss zugeben: Slobo machte seine Sache gut. Er war doppelt so schnell wie ich und bekam das Giftzeug gleichmässiger drauf als ich. Ich war beeindruckt. Und fragte Slobo am nächsten Tag, was ich ihm denn für die vier Stunden Arbeit geben dürfte. Er brummelte irgendwas unverständliches, winkte ab. Und ging davon. Ich war noch mehr beeindruckt. Und stand in Slobos Schuld.
Von Katrin habe ich gelernt: echte Geschenke müssen dem Schenker wehtun. Ich ging an Levje's Whiskyschapp und nahm die teuerste Flasche für Slobo raus und hielt sie ihm hin.
Slobo äugte. Wollte sich schon wegdrehen.
Ich: "Slobo, sei kein Idiot. Das ist echter schottischer Whisky."
Slobo's Miene hellte sich auf. "Jaa Jaa" sagte er und schenkte mir sein schönstes Zahnlücken-Lächeln.
Eine Woche später verzweifelten Sven und ich bei der Demontage des Vorstags. Wir bekamen eine etwa handgroße Verschraubung einfach nicht auf. Eisensäge, Gummihammer, Betonklotz, gusseiserner Hafenpoller, schwerer Hammer, Zangen, Meissel, Telefonate mit Deutschland: alles versagte. Nach drei Stunden gaben wir auf. Wir saßen ratlos rum. Das Teil hatte uns geschafft.
Ich ging zu Slobo. Er grinste.
Slobo: "Jaa Jaa. Thomas = Problem".
Ich (kleinlaut) hielt ihm das Teil hin, das für die meisten aussah wie Schrott. Er begriff sofort.
Slobo: "Jaa Jaa."
Ich: "Meinst Du, Du kriegst das auf?"
Slobo: "Jaa Jaa."
Ich (Hoffnungsschimmer): "echt?"
Slobo: "Jaa Jaa."
Ich: "Wie willst Du das denn machen?"
Slobo: "Jaa Jaa." Ein unverständlicher Wortschwall.
Ich: "Wenn Du's kaputtmachst, bin ich geliefert."
Slobo: "Jaa Jaa."
Ich: "Das kostet mich 3.000 Euro, wenns kaputtgeht. Ist Dir schon klar."
Slobo (ungerührt): "Jaa Jaa."
Ich: "ich tret Dich echt in den Hintern, wenns kaputtgeht."
Slobo: "Jaa Jaa".
Eine Stunde später stand Slobo mit seinem Freund Tomasz von TS Yachtservice vor mir. Beide grinsten um die Wette. Das Teil war auseinander. Allein der Hinmel weiss, wie die beiden das angestellt hatten.
Ich (begeistert): "Echt große Klasse! Mensch, dafür habt Ihr Euch einen Kasten Bier verdient."
Slobo's Zahnlücken grinsten noch breiter: "Whisky."
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